bin so verwirrt. Es kam alles so plötzlich, so zusammengeballt«, flüsterte sie. »Das es so schlimm sein könnte, wußte ich doch nicht.«
Er legte seinen Arm schützend um sie. »Du bist ja nicht allein, Liebes«, sagte er leise. »Du kannst dich auf mich verlassen.«
»Ich möchte noch einmal nach Mama sehen«, bat sie.
Er geleitete sie zu dem Zimmer. Er hatte bereits Dr. Behnisch gesagt, daß er für alle Kosten aufkommen würde.
Und zum Glück war gerade ein Einzelzimmer verfügbar.
Tim blieb an der Tür stehen, aber er sah eine Frau, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit Constance hatte, so sehr er auch nach einer solchen suchte.
Er nahm dann Constances Hand und führte sie durch den stillen Gang hinaus zu seinem Wagen.
»Sie ist hier gut aufgehoben. Wir kennen die Ärzte schon lange, mein Liebes«, sagte er leise.
»Du hast mir sehr geholfen, Tim«, erwiderte sie mit klangloser Stimme. »Es ist so unbegreiflich, daß du gerade jetzt in mein Leben getreten bist.«
»Als Schutzengel«, sagte er. »Ich bin darüber sehr glücklich in all dem Kummer, den ich mit dir teile. Ich liebe meine Mutter auch sehr. Bisher gab es keinen Menschen, den ich mehr lieben konnte, jetzt gibt es dich.«
»Und dein Vater?« fragte sie.
»Das ist eine andere Beziehung. Wir verstehen uns sehr gut. Er ist zugleich mein bester Freund. Du wirst ihn auch mögen«, fuhr er nach einem langen Schweigen fort.«
Constance lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Er ist da. Es ist wirklich, es ist kein Traum, dachte sie.
Und dann betraten sie die Wohnung, aus der man ihre Mutter hinausgetragen hatte.
Sie fuhr sich über die Augen. Auch das mußte sie erst begreifen.
»Ich mache uns einen Tee, ist es dir recht, Tim?« fragte sie.
»Ja, ich helfe dir.« Aber zuerst nahm er sie in die Arme und küßte sie, bis ihre kalten Lippen heiß und weich wurden.
»Ich liebe dich«, flüsterte er. »Ich werde dich immer lieben, Constance. In dir habe ich die Frau gefunden, die ich ersehnt habe.«
»Der Tee ist wundervoll«, sagte Constance leise, als sie am Tisch saßen.
»Bei uns ist das eine Zeremonie«, erklärte Tim. »Du wirst es lernen, wenn du meine Frau bist.«
»Deine Frau – du kennst mich überhaupt noch nicht«, sagte sie gedankenverloren.
»Und wie ich dich kenne.«
»Ich weiß nur, daß du Tim Thornhill heißt«, sagte Constance. »Daß du einen teuren Wagen fährst und sehr selbstbewußt bist.«
»Wenn dich der Wagen stört, kaufe ich einen billigen«, erwiderte er. »Aber das Selbstbewußtsein kann mir niemand nehmen.«
»Du bist noch sehr jung«, sagte Constance nachdenklich.
»Zweiundzwanzig, und dich schätze ich auf neunzehn, stimmt’s?«
Sie nickte. »Bitte, Tim, sprich nicht vom Heiraten.«
»Warum nicht? Du sollst wissen, was ich will. Es ist kein Flirt, Constance. Oder denkst du, ich wäre wegen ein paar Büchern gekommen, die ich überall kaufen kann?«
»Uns trennen Welten«, sagte sie nachdenklich.
»Meinst du damit Geld? Wie könnte uns das trennen? Ich bin in keiner Weise davon abhängig. Im Augenblick besitze ich es, weiß ich, wie lange?« Er schlug sich an die Stirn. »Das, was dahinter arbeitet, ist wichtiger, und das«, er griff an sein Herz, »wofür das schlägt, ist allein entscheidend.«
»Zählt nicht auch, was deine Eltern wünschen?«
»Meine Eltern lieben mich, und ich liebe meine Eltern. Sie wollen, daß ich glücklich bin, wie ich will, daß sie immer glücklich bleiben. Ich weiß, daß sie dich lieben werden, wie ich dich liebe.«
»Und warum liebst du mich?« fragte sie nachdenklich.
Sollte er nun sagen, daß es ihre Ähnlichkeit mit Clarissa war, die ihn so magisch anzog? Was würde sie dann denken, so kritisch, wie sie war? Aber war es wirklich nur diese Ähnlichkeit?
Er nahm ihre Hände und legte sein Gesicht hinein. »Das kann man nicht erklären, Constance. Du mußt es fühlen. Man braucht dazu nicht Monate. Man kann sich an etwas gewöhnen, auch an einen Menschen, aber mit Liebe hat das nichts zu tun. Ich trat durch eine Tür, sah dich und wußte, daß ich endlich dem Mädchen begegnet bin, das ich mir erträumt habe.«
»Ich habe mir nie einen Mann erträumt«, sagte Constance, »aber du tratest durch diese Tür, ich sah dich an und hatte nur Angst, daß du gleich wieder gehen könntest.«
Er nahm sie in seine Arme und lachte leise. »Hast du mir nicht zugetraut, daß ich etwas von Büchern verstehe, daß ich mich in der Tür geirrt haben könnte?«
»Nebenan hat eine sehr attraktive Frau eine Boutique«, erwiderte Constance leise.
»Ich interessiere mich wahrhaftig für sehr viel, aber nicht für Boutiquen. Geht es dir jetzt besser, Darling?«
»Ich kann doch nicht glücklich sein, wenn Mama so krank ist, Tim«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Ich glaube, sie war nie richtig glücklich. Ihr Leben war schon irgendwie zu Ende, als mein Vater starb.«
»Ist das schon lange her?« fragte er.
»Ich kann mich nicht an ihn erinnern. Immer wieder hat Mama mir Bilder gezeigt, mir erzählt, wie er war und wie er aussah, aber ich war noch keine drei Jahre, als er verunglückte.«
Er lehnte sich zurück, sie aber fest im Arm haltend. »Ich kann mich an meine richtige Mutter auch nicht mehr erinnern«, sagte er gedankenverloren, »aber eines Tages brachte Dad Clarissa mit. Sie sagte: Ich möchte deine Mutter sein, Tim. Irgendwie hatte ich mir, so ganz für mich selbst, so eine Mutter gewünscht. Es war so, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Und so war es bei dir auch, als ich dich sah. Wir werden sehr glücklich sein, Constance.«
»Ich möchte so gern daran glauben«, sagte sie, beugte sich herab und küßte ihn. In seinen Armen schlief sie ein – und erst als sie erwachte, wurde ihr bewußt, daß er eine Mutter liebte, die gar nicht seine richtige Mutter war.
Sie richtete sich auf, doch gleich war auch er hellwach. Verwirrt sah er sie an.
»Da bin ich doch tatsächlich eingeschlafen«, sagte er verlegen. »Hat das Telefon geläutet?«
»Nein«, erwiderte Constance, »ich muß zur Arbeit.« Doch in diesem Augenblick läutete das Telefon, und Constance begann zu zittern.
Dr. Behnisch war am Apparat. »Könnten Sie kommen, Fräulein Clement? Ihre Mutter möchte Sie gern sprechen«, sagte sie.
»Ja, ich komme«, erwiderte das Mädchen.
»Hoffentlich verliere ich meine Stellung nicht«, sagte Constance, als Tim sie zur Klinik brachte.
»Das ist doch ganz unwichtig«, sagte er. »Ich werde mit deinem Chef sprechen.«
»Nein, das wirst du nicht tun«, sagte sie energisch. »Ich rufe ihn nachher an, wenn es länger dauern sollte. Er ist sehr nett und hat mir schon mehr Freizeit zugebilligt. Und du versäumst deine Vorlesungen nicht.«
»Ich habe heute keine«, redete er sich heraus.
»Du sollst nicht schwindeln«, sagte sie.
»Ich war immer sehr fleißig und bin viel weiter als andere.« Er streichelte ihre Wange. »Ich warte, mein Liebes.«
»Es ist ein gutes Gefühl, nicht allein zu sein«, sagte sie.
»Du wirst nie allein sein, Constance.«
Er blickte ihr nach, aber bald wurde er seinen Gedanken entrissen.