Krabbencocktail, und bei Mummy brennen auch die Augen, wenn sie Schalentiere ißt. Jetzt ißt sie keine mehr. Du bist ihr viel ähnlicher, als ich dachte, Constance. Aber reg dich nicht auf, das geht vorbei. Und wenn es zu sehr juckt, rufen wir Daniel an, und er gibt dir eine Calciumspritze.«
»Ich werde abscheulich aussehen«, murmelte sie. »Ich kenne das doch, wenn auch nur von Erdbeeren.«
»Je mehr man daran denkt, desto schlimmer wird es«, sagte Tim.
»Aber es wird mit jeder Minute schlimmer«, sagte Constance.
»Dann fahren wir zu den Nordens, und du bekommst eine Spritze«, sagte er. »Ich rufe an.«
»Aber es ist schon spät. Wir können doch jetzt nicht mehr stören.«
»Was meinst du, wie oft er abends gestört oder gar nachts aus dem Schlaf geholt wird. Und außerdem interessiert er sich auch für deine Allergien. Er geht den Dingen nämlich auf den Grund.«
*
Über die Ähnlichkeit zwischen Clarissa und Constance hatte Daniel Norden gerade mit seiner Frau gesprochen.
»Vielleicht sind sie unter dem gleichen Sternbild geboren«, sagte Fee nachdenklich. »Ich habe mal gelesen, daß da sehr große Übereinstimmungen möglich sind.«
»Das trifft in diesem Fall nicht zu«, erwiderte Daniel. »Clarissa hat im Februar Geburtstag und Constance Clement im August.«
Das Telefon läutete. Fee seufzte. »Hoffentlich mußt du nicht noch mal weg«, meinte sie.
»Na, dann kommt mal«, hörte Daniel sie sagen.
»Wer kommt?« fragte er.
»Tim und Constance. Sie hat eine Allergie.«
»Also, das Mädchen ist voller Rätsel«, meinte er. »Die Mutter hat Blutgruppe Null, sie Blutgruppe B, die ja wahrhaftig selten ist. Und erschrick nicht, wenn sie kommt, Fee, sie hat tatsächlich eine enorme Ähnlichkeit mit Clarissa.«
Doch diese konnte man nicht feststellen, als Tim Constance brachte. Ihre Gesicht war gerötet und geschwollen, und die Augen waren schon ganz klein zusammengepreßt.
Und dann liefen ihr auch noch die Tränen aus den Augenwinkeln.
»Nicht weinen, Constance, dann wird es nur schlimmer«, sagte Tim tröstend.
»Ich will ja nicht weinen«, flüsterte sie. »Aber so schlimm war es noch nie.«
Dr. Norden zog eine Injektion auf. »Es wird bestimmt bald besser«, sagte er. »Was hat sie gegessen, Tim?«
Tim zählte es auf, aber er fügte gleich hinzu, daß er auf den Krabbencocktail tippe.
»Bei Mummy habe ich auch mal so was erlebt, und ich habe Constance gewarnt«, sagte er, »aber sie hatte noch nie Krabbencocktail gegessen.«
»Und er hat so gut geschmeckt«, sagte Constance.
»Tut mir wirklich leid«, sagte Daniel, »aber wir werden einen Test machen und feststellen, worauf Sie sonst noch allergisch reagieren. Angenehm ist es ja nicht, wenn man dann ein paar Tage verschwollen aussieht.«
»Gleich ein paar Tage?« fragte sie bestürzt.
»Ich liebe dich dennoch«, sagte Tim und nahm sie in die Arme.
Eine halbe Stunde später waren Daniel und Fee wieder allein. »Was sagst du nun?« fragte er.
»Tim liebt sie.«
»Ist das alles?«
»Ähnlichkeiten mit Clarissa kann ich nicht beurteilen, bis auf die Allergie, und ich habe Clarissa nie gesehen, wenn sie eine hatte.«
»Ich will mir ja selbst nicht was einreden, Fee, aber wenn Constance tatsächlich das leibliche Kind von Frau Clement ist, stehe ich wieder mal vor einem medizinischen Rätsel.«
»Willst du etwa sagen, daß sie Clarissas Kind ist?« fragte Fee lächelnd.
»Gott bewahre, aber diese Ähnlichkeit muß doch erklärbar sein. Vielleicht hatte Clarissa eine Schwester oder einen Bruder. Über ihre Vergangenheit hat sie nie gesprochen.«
»Man kann sie nicht dazu zwingen, Daniel«, sagte Fee ernst.
»Aber du kannst Anne mal anrufen und ihr einen Wink geben.«
»So was mache ich nicht gern. Clarissa ist glücklich in ihrer Ehe, glücklich mit Tim.«
»Aber sie wird das Mädchen auch kennenlernen. Ihr Ebenbild, wenn man von der Haarfarbe absieht. Daran müssen wir auch denken. Tim wird seinen Eltern strahlend seine zukünftige Frau präsentieren und wahrscheinlich sagen: ›Schau, Mummy, ich habe eine Frau gefunden, die dir ähnlich sieht.‹ So was hat er sich doch immer vorgestellt. Meinst du, daß Clarissa das gelassen hinnimmt? Vielleicht gibt es in ihrer Vergangenheit ein Geheimnis, von dem wir nichts wissen, und sie bekommt einen Schock. Mit Frau Clement kann ich nicht sprechen.«
Fee sah ihren Mann kopfschüttelnd an. »Du denkst dir einen ganzen Roman aus«, sagte sie.
»Sogar solch ein Muttermal hat sie«, sagte er nachdenklich. »Und sie ist gesund. Ich könnte schwören, daß sie nichts vom kranken Blut dieser Anita Clement in sich hat, und dies allein wäre doch für Tim wichtig. Daran denke ich, Fee.«
»Das ist allerdings ein triftiges Argument«, sagte Fee. »Also werden wir versuchen, dieses Rätsel zu lösen.«
*
»Schau mich bitte nicht an, Tim«, bat Constance, als er sie heimbrachte. »Laß mich jetzt allein.«
»Die liebe Eitelkeit«, sagte er leichthin. »Als würde es mich stören, daß deine Augen ein bißchen geschwollen sind.«
»Ein bißchen ist gut gesagt. Ich kann wirklich kaum noch etwas sehen.«
»Der Betroffene ist immer schlimmer dran. Ich weiß das von Mummy. Ich lasse dich doch jetzt nicht allein, Darling. Fee hat mir Tee mitgegeben, den koche ich. Und den wirst du trinken. Und dann erzählst du mir wieder ein bißchen was von deiner Kindheit und zeigst mir Fotos.«
»Wir haben nicht viele«, erwiderte Constance.
»Ich möchte gern wissen, wie du als Kind ausgeschaut hast«, sagte er.
»Wie alle Kinder. Ja, ich glaube, alle Kinder sind sich ähnlich. Erst später entwickelt man eine eigene Persönlichkeit.«
»Ich finde es jedenfalls schön, daß du Mummy ähnlich bist«, sagte er.
»Du hast aber gesagt, daß sie nicht deine richtige Mutter ist.«
»Das spielt doch keine Rolle. Könnte es nicht auch sein, daß du eine andere Mutter hast, oder einen anderen Vater, Constance? Für mich wäre das völlig gleich.«
Ihr Gesicht sah schon fast wieder normal aus, nur die Augen waren noch klein. »Du bist manchmal komisch, Tim«, sagte sie. »Aber ich kann beweisen, daß meine Eltern meine richtigen Eltern sind. Wenn eine Ähnlichkeit mit deiner Mutter besteht, ist sie rein zufällig.«
Er griff in seine Brusttasche. »Ich zeige dir ein Bild von Mummy, und dann kannst du sagen, was du denkst.«
Constance betrachtete das Foto. Sie hielt den Atem an. »Sie ist schön«, flüsterte sie. »So schön werde ich nie sein.«
»Du bist nur jünger und hast dunkles Haar«, sagte er. »Als ich Clarissa kennenlernte, war sie achtundzwanzig, nicht erst neunzehn. Wenn du mal achtundzwanzig bist, wirst du ihr vielleicht noch ähnlicher sein, oder auch nicht.«
Constance wandte sich ab. »Du liebst sie, nicht mich«, sagte sie leise.
»Da täuschst du dich aber gewaltig!« rief Tim aus. »Ich liebe dich. Natürlich liebe ich auch sie, aber auf andere Weise. Sie hat mich vergessen lassen, daß ich eine andere Mutter hatte, und ich weiß, daß Dad sie mehr liebt, als er meine Mutter geliebt haben könnte.«
Constance