Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman


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von mir.«

      »Was hat das zu bedeuten?« fragte Tim.

      »Annes erster Mann kam bei diesem Lawinenunglück ums Leben«, erklärte Daniel. »Katja wurde lebend geborgen, aber sie litt Jahre unter einer Schocklähmung. Zum Glück wurde diese dann wieder behoben. Das Datum hat mich stutzig gemacht, Tim. Es könnte ja sein, daß auch Clement ein Opfer war. Es gab einige Tote, ich glaube zehn oder gar zwölf. Anne spricht auch nicht gern darüber. Und ich könnte verstehen, daß auch Frau Clement daran nicht erinnert werden will, falls sie möglicherweise sogar dabei war.«

      »Könnte es dann nicht sein, daß ihre Krankheit darauf beruht?« fragte Tim.

      »Wir werden das in Betracht ziehen, falls es sich herausstellt, daß es sich so verhielt«, erwiderte Dr. Norden, aber das sagte er nur Tim zum Trost, denn er wußte, daß Anita Clements Krankheit keine Unfallfolge war, sondern erwiesenermaßen die Parkinsonsche Krankheit.

      Aber im Augenblick wäre es für ihn weitaus interessanter gewesen, auf der Insel der Hoffnung ein Gespräch zwischen Anne und Clarissa belauschen zu können.

      Clarissa war gerade eingetreten, als Anne telefonierte. Sie lehnte jetzt blaß und zitternd an der Tür.

      Anne drehte sich um. »Was ist dir, Clarissa?« fragte sie erschrocken. »Ist dir nicht gut?«

      »Worüber hast du eben mit Daniel gesprochen?« fragte Clarissa heiser.

      »Über ein trauriges Ereignis, das weit zurückliegt. Ich weiß auch nicht, warum er Auskünfte haben wollte, aber das werde ich noch erfahren.«

      »Bitte sage mir, worum es sich handelt. Du hast von einem Dr. Leonard gesprochen und von Katja.«

      »Kennst du Dr. Leonard?«

      »Vielleicht«, erwiderte Clarissa. »Bitte, sage mir erst, worum es geht.«

      »Mein erster Mann ist bei einem schrecklichen Lawinenabgang ums Leben gekommen. Er war mit Katja am Hang. Katja konnte geborgen werden. Ich habe mich selbst an der Suche beteiligt. Ich weiß nicht, wie es mir möglich war, aber ich konnte mein Kind retten.«

      »Du konntest helfen«, flüsterte Clarissa. »Wie seltsam. Wir waren uns schon damals ganz nahe. Ich war in Pontresina. Ich habe durch diese Lawine auch ein geliebtes Leben verloren, Anne. Entschuldige mich. Ich kann jetzt nicht darüber sprechen. Später vielleicht. Einmal werde ich mich aussprechen müssen, sonst werde ich es nie mehr los.«

      Sie eilte hinaus, und Anne vermochte nicht, ihr zu folgen. Gut, daß Daniel weiß, was er mit dem Anruf angerichtet hat, dachte sie, aber warum interessiert er sich nach all den vielen Jahren dafür?

      *

      Für Tim wäre es wohl noch ärger, hätte er gewußt, daß schreckliche Erinnerungen in Clarissa geweckt worden waren. Er fuhr zur Behnisch-Klinik.

      Er traf Jenny. »Wie geht es Frau Clement?« fragte er.

      »Erstaunlich viel besser«, erwiderte Jenny. »Sie bereitet sich auf Ihren Besuch vor, Tim. Vielleicht mobilisiert das ihre Kräfte. Sie kommen gerade zur rechten Zeit.«

      »Ich darf sie besuchen?« fragte Tim.

      »Ich schaue nach«, erwiderte Jenny. »Sie möchte gepflegt aussehen. Aber ich muß Ihnen noch einmal eindringlich sagen, daß sie eine schwerkranke Frau ist.«

      »Ich weiß es. Sie ist Constances Mutter«, sagte er leise. »Sie soll mich doch wenigstens kennenlernen.«

      Jenny drückte ihm die Hand. »Sie sind ein feiner Mensch, Tim«, sagte sie. »Wenn es doch nur mehr von Ihrer Art gäbe.«

      Sie mußte sich jetzt um eine Patientin kümmern, die jedesmal, wenn sie von ihren Kindern besucht wurde, einen Nervenzusammenbruch bekam. Da handelte es sich um eine Frau, der aller Lebenswille genommen wurde, weil jetzt schon über den Nachlaß gestritten wurde. Es gab kein anderes Thema. So erbittert Jenny Behnisch darüber war, sie konnte es nicht ändern. Ihr hätte sie einen Sohn wie Tim gewünscht, aber solche waren nun mal selten.

      Tim dachte an das Hochzeitsfoto, das er am gestrigen Abend gesehen hatte, als er das Krankenzimmer betrat, aber das von Leid und Schmerzen gezeichnete Gesicht der Kranken wies nur noch eine flüchtige Ähnlichkeit damit auf. Große dunkle Augen, die tief in den Höhlen lagen, blickten ihn an, aber diese Augen hatten jetzt einen warmen Schimmer, als er sich vorstellte.

      »Es ist sehr liebenswürdig, daß Sie mich besuchen, Mr. Thornhill«, sagte Anita. »Es tut mir leid, daß ich Sie nicht zu Hause empfangen kann.«

      Wie schwer ihr schon das Sprechen fiel! Tim war voller Mitleid. Er hielt die feine, federleichte Hand behutsam zwischen seinen Fingern.

      »Jetzt ist es ja nur wichtig, daß Sie bestens betreut werden«, sagte er mit aller Selbstbeherrschung. »Ich hoffe, daß Sie nichts auszusetzen haben, gnädige Frau.«

      »Gar nichts«, erwiderte sie. » Alle sind vorbildlich besorgt. Und ich bin wirklich sehr glücklich, daß meine Constance einen so guten Freund gefunden hat.«

      »Ich möchte Ihnen sagen, daß ich Constance liebe und heiraten möchte«, sagte er leise, aber er mußte sich zwingen, in dieses eingefallene Gesicht zu blicken, das durch ständiges Zucken zerrissen wurde. »Ich möchte Ihnen auch etwas von unseren Verhältnissen sagen, damit Sie beruhigt sein können, daß Constance sich nicht in ein Abenteuer eingelassen hat.«

      »Oh, das würde sie niemals tun«, flüsterte die Kranke.

      »Dr. Norden kennt meine Eltern und könnte etwaige Bedenken ausräumen«, sagte Tim gepreßt, weil er nun gar nicht mehr weiter wußte.

      »Dr. Norden«, wiederholte Anita Clement. »Er ist sehr sympathisch. Er besucht mich jeden Tag. Es tut mir wirklich sehr leid, daß ich noch so schwach bin, Mr. Thornhill. Das Sprechen fällt mir schwer.«

      »Sie brauchen sich doch nicht zu entschuldigen«, sagte Tim verlegen. »Bitte, nennen Sie mich Tim«, fügte er dann hastig hinzu.

      »Sie sprechen sehr gut Deutsch«, flüsterte sie. »Conny sagte, daß Sie Engländer sind.«

      »Meine Mutter hat einen deutschen Vater«, sagte er. »Mein Vater spricht aber auch gut Deutsch.« Er versuchte ein Lächeln. »Constance spricht dafür aber sehr gut Englisch.«

      »Ja, sie hatte immer eine besondere Neigung dafür«, sagte Anita. »Ich habe mir immer gewünscht, daß sie einem Mann Zuneigung schenkt, der Erziehung und Charakter besitzt. Es macht mich so ruhig.«

      »Es wird Constance immer gutgehen«, sagte Tim. »Mein Vater ist Industrieller. Ich sage das nur, damit Sie informiert sind.«

      Sie lehnte sich zurück. Ihre Lider senkten sich. »Ich werde es nicht mehr erleben, aber vielleicht soll es so sein«, murmelte sie tonlos. »Conny ist ein besonders wertvolles Mädchen, Tim, denken Sie immer daran.«

      »Ich weiß es«, sagte er und griff wieder nach ihrer Hand, die so stark zitterte, daß er sie fest umschloß. Sie öffnete noch mal die Augen. »Ich vertraue Ihnen«, kam es stockend über ihre Lippen. »Ich bin immer so müde. Verzeihen Sie…« Und dann verrieten flache, hastige Atemzüge, daß sie eingeschlafen war.

      Nie zuvor hatte Tim einen so kranken Menschen gesehen. Es war ihm, als hätte sich ein Eisenring um seine Brust gelegt. Erschüttert verließ er das Zimmer.

      Er traf keinen Arzt, nur ein paar junge Schwestern, die an ihm vorbeieilten und ihm dann nachblickten. Auch das nahm er nicht wahr.

      »Was beschäftigt dich heute, Daniel?« fragte Fee Norden beim Mittagessen.

      »Denkwürdige Ereignisse«, erwiderte er rauh. »Es ist kaum zu glauben, aber Clement ist bei dem gleichen Lawinenunglück ums Leben gekommen, wie Annes erster Mann.«

      Fee fiel die Gabel aus der Hand. »Das darf doch nicht wahr sein«, rief sie fassungslos aus. »Wie kommst du überhaupt darauf?«

      »Tim war heute morgen bei mir, dann habe ich mit Anne telefoniert und später mit Dr. Leonard. Er ist inzwischen Chefarzt