und wir bei unseren Patienten zurückfragen, ob ihnen der Besuch willkommen ist.«
Da kamen Christopher und Daisy zurück, und Daisy verhielt den Schritt, als sie Gitta gewahrte. Sie hatte Annes Worte, die in sehr energischem Ton gesprochen worden waren, verstanden.
»Dieser Besuch ist uns nicht willkommen«, sagte Daisy eisig.
Gitta fuhr herum. »Oh, sieh an, Daisy. Habe ich es mir doch gedacht«, sagte sie zynisch. »Du wirst wohl die zweite Frau Bartosch.«
»Ich bin die zweite Frau Bartosch«, erwiderte Daisy.
»Und da Fräulein Linden hier nicht vorhanden ist, besteht kein Anlaß für dich, deine Zeit zu vergeuden«, warf Julian ein, Gitta mit einem vernichtenden Blick musternd.
Anne konnte jetzt schon kombinieren. Jetzt reagierte sie geistesgegenwärtig. Sie blickte auf ihre Armbanduhr.
»Es ist Zeit für das zweite Frühstück«, sagte sie. »Darf ich bitten? Auf unangemeldete Gäste sind wir allerdings nicht eingerichtet.«
»Wir auch nicht«, sagte Daisy.
*
Als sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, fanden alle, daß Gittas Abgang etwas Komisches gehabt hatte, das eigentlich zum Lachen reizte. Aber Anne fragte sich, was diese Frau mit Stefanie Linden zu schaffen hätte.
Nun war sie informiert, daß Julian mit ihr verheiratet gewesen war, aber ihre Beziehungen zu den Reinhold-Brüdern kannte sie nicht. Da Julian wiederum nichts von der Verbindung zwischen Stefanie und den Reinholds wußte, sprach er nicht darüber, und daß Gitta nach Peter Reinhold gefragt hatte, kam ihm erst später wieder in den Sinn, als Vanessa über das tragische Geschehen sprach, weil sie Gitta und Stefanie auch nicht unter einen Hut bringen konnte.
Jedenfalls hatte Gitta einen für sie sehr peinlichen Rückzug antreten müssen. Hatte sie auch von Ralph und Julian Abfuhren hinnehmen müssen, diese war doch die schlimmste.
Zwei Tage verzehrte sie sich in grimmigem Zorn. Sie war nicht nach München zurückgefahren, sondern hatte sich entschlossen, ein paar Tage in Campione zu verbringen. Dort hoffte sie alte Bekannte zu wiederzutreffen, aber auch diese Hoffnung zerschlug sich. Sie traf niemanden an.
So blieb ihr nur das Spielcasino,und da verlor sie so viel, daß sie am Mittwochmorgen ernüchtert über ihre weitere Zukunft nachdenken mußte.
Es blieb ihr jetzt nichts anderes mehr übrig, als vor ihrem Vater zu Kreuze zu kriechen, von dem sie schon längst abgeschrieben worden war.
Zwar hatte er ihr damals, als sie Julian geheiratet hatte, ihre Mitgift ausgezahlt und erklärt, daß sie nichts mehr zu erwarten hätte, aber vielleicht konnte sie ihn mit dem Argument versönlich stimmen, daß ihre Ehe an Julians Verschwendungssucht gescheitert sei. Skrupel hatte sie nie gehabt, die Schuld am eigenen Versagen anderen zuzuschieben.
Sie trat die Heimfahrt mit gemischten Gefühlen an. In Lindau beschloß sie, sich erst einmal zu stärken, bevor sie ihren Vater auf seinem Ruhesitz aufsuchte.
Sie kaufte sich ein paar Zeitungen, bevor sie sich die ausgehändigte Speisekarte mehrerer Restaurants anschaute, bis sie sich dann doch nicht für das teuerste entschied.
Es schaffte ihr doch Unbehagen, daß sie Schecks ausgeschrieben hatte, die kaum noch gedeckt sein konnten. Wenn ihr Vater dahinterkam, würde sie keine Nachsicht zu erwarten haben.
Sie sah recht mitgenommen aus, als sie sich einen entlegenen Tisch aussuchte, die Speisekarte studierte und sich entsagungsvoll für ein Hühnerfrikassee entschied.
Dann schlug sie die Zeitung auf, die gleich darauf wieder ihren Händen entglitt, als ihr Blick auf die Todesanzeigen fiel. Es war eine schlichte Anzeige. Gitta glaubte ihren Augen nicht zu trauen. Peter Reinhold war tot.
Es trauern um ihn Ralph Reinhold und Stefanie Linden las sie. Die Beerdigung fand im engsten Kreise statt.
Gittas Gedanken überstürzten sich. Sie ließ das Essen stehen, zahlte und machte sich auf den Weg zu ihrem Vater. Jetzt hatte sie eine Idee, wie sie ihn versöhnlich stimmen könnte.
*
Gittas Vater, Siegfried Weber, war ein friedfertiger Mann, der sein beschauliches Leben liebte. Er hatte sich damit abgefunden, daß seine Tochter ein anderes vorzog und seine Zuneigung ausschließlich seinem wohlgeratenen Sohn und seinen zwei Enkeln zugewandt. Als Gitta plötzlich vor ihm stand, war er weit davon entfernt, sich zu freuen, aber sie spielte ihre Verzweiflung perfekt.
»Ich weiß nicht mehr weiter, Vater. Du darfst mich jetzt nicht wegschicken. Peter ist tot. Das Unglück verfolgt mich.«
»Was hast du mit Peter zu schaffen?« fragte er. »Ich habe gelesen, daß er gestorben ist. Du warst doch früher aber hinter Ralph her.«
Da Tote nicht widersprechen konnten, hatte Gitta sich ihren Plan zurechtgelegt.
»Peter und ich mochten uns sehr. Wir wollten heiraten, Vater. Er hat mich verstanden. Ich konnte nicht ahnen, daß Julian mich so enttäuschen würde. Er hat mich um alles Geld gebracht, aber Peter hat mir geholfen. Wir waren heimlich verlobt. Ralph war natürlich dagegen. Er wird auch nicht akzeptieren, daß ich Ansprüche geltend machen kann.«
Siegfried Weber sah seine Tochter scharf an. »Was denn für Ansprüche?« fragte er verwundert.
»Wir wollten doch heiraten«, sagte Gitta.
»Ihr wolltet, aber es ist nicht dazu gekommen. Woran ist Peter denn eigentlich gestorben? Man hat überhaupt nichts gehört.«
»Ich weiß es auch nicht so genau. Er hat nicht darüber gesprochen. Er hat nur manchmal gesagt, daß er mich versorgt wissen will, wenn ihm etwas passieren sollte.«
Der alte Weber kniff die Augen zusammen. »Wer war auf der Beerdigung?« fragte er.
»Ich weiß es nicht. Ich konnte nicht hingehen. Ich konnte es nicht über mich bringen. Er war noch so jung, Vater.«
»Jünger als du«, sagte Siegfried Weber, »und ich finde es recht merkwürdig, daß du diese angeblich große Liebe so schnell nach deiner Scheidung von Julian gefunden hast.«
Gitta warf den Kopf in den Nacken. »Julian ist schon wieder verheiratet«, stieß sie hervor. »Er hat sich eine steinreiche Frau geangelt.«
»Na, dann kann er doch zurückzahlen, was er dir abgenommen hat«, sagte Siegfried Weber. »Wir werden einen Anwalt beauftragen. An einen Toten kann man keine Forderungen stellen, und da ich dich kenne, bin ich diesbezüglich auch etwas mißtrauisch. Ich werde zu gegebener Zeit mit Ralph reden.«
»Das wirst du nicht tun!« brauste sie auf. »Ich will mit ihm nichts mehr zu schaffen haben. Er hat es nicht verwunden, daß ich ihm mal einen Korb gegeben habe. Er hat alles versucht, meine Verbindung mit Peter zu verhindern.«
»Die Worte hör’ ich schon, allein mir fehlt der Glaube, Gitta. Du hast in deinem Leben schon zuviel gelogen. Ich werde mir Klarheit verschaffen. Ich möchte nicht, daß unser Name in den Schmutz gezogen wird, aber ich zerfließe auch nicht in Mitleid mit dir. Was immer du getan hast, hast du dir selber eingebrockt.«
»Für dich zählt immer nur dein Sohn, der dir nach dem Mund redet«, schluchzte sie. »Du hast es mich immer spüren lassen. Ich habe meine Mitgift bekommen, und damit war alles für dich erledigt.«
»Denk mal in Ruhe darüber nach, was du alles vor deiner Heirat mit Julian angestellt hast«, sagte Siegfried Weber.
»Wenn du Schulden hast, werde ich sie bezahlen. Wenn du Forderungen an Julian zu stellen hast, werde ich dir zur Seite stehen. Aber dann wirst du endlich auch mal etwas Nützliches tun und dich nicht nur mit Nichts-tuern herumtreiben. Meinetwegen kannst du jetzt erst mal hierbleiben.«
»Nein, ich muß nach München«, sagte Gitta. »Ich habe morgen eine Verabredung mit dem Bankdirektor. Ich bin plötzlich in einer verzweifelten Situation, Vater.«
»Plötzlich«, sagte er heiser. »Aber mein Name wird nicht in den Schmutz gezogen, Gitta.