die deine, wenn du mich dauernd anrufst.«
»Du hast deine gute Kinderstube vergessen, Ralph«, sagte sie. »Verkehrst du jetzt nur noch mit Proleten?«
Er gab ihr keine Antwort. Er würdigte sie auch keines Blickes mehr. Er ging zu seinem Wagen und fuhr davon.
Gitta versuchte, ihm zu folgen, aber sie hatte seinen Wagen aus den Augen verloren. In ihr brannte die Neugierde herauszufinden, ob es wirklich eine Frau in seinem Leben gab, und wer das war. Diese Stefanie? War zwischen Ralph und Peter ein Streit um sie entbrannt? Was war das überhaupt für ein Mädchen? Wie war doch gleich ihr Name? Stefanie und wie noch? Ralph hatte sie doch vorgestellt. Gitta überlegte, und dann fiel es ihr ein. Stefanie Linden.
Ob sie im Telefonbuch stand? Sie fuhr heim und schaute gleich nach. Ja, sie fand eine Stefanie Linden, und kurz entschlossen wählte sie auch gleich die Nummer. Aber es meldete sich niemand.
Gitta wurde von Neugierde geplagt. Sie hatte nichts zu tun, was sie abgelenkt hätte.
Sie hatte keine Verabredungen für diesen Nachmittag, und eine nützliche Arbeit hatte sie noch nie in ihrem Leben verrichtet.
Sie hatte Geld, aber bei ihren Ansprüchen und dem Nichtstun schmolz es unter ihren Fingern zusammen. Bei Ralph investieren zu wollen, war der letzte Versuch gewesen, sich wieder einen vermögenden Mann zu angeln, und sie hatte sich alles so schön ausgedacht.
Daß er ihr solche Abfuhr erteilt hatte, wollte sie ihm schon heimzahlen. Irgendwie mußte es ihr gelingen.
Wenn auch in ihren Kreisen der Klatsch in voller Blüte stand, ein Körnchen Wahrheit war immer dabei. Und vielleicht hieß dieses Körnchen Stefanie.
Gitta schrieb sich ihre Adresse ins Notizbuch und fuhr dann quer durch die Stadt zu diesem Wohnviertel. Mit einem zynischen Lächeln betrachtete sie das Haus, in dem Stefanie wohnte. Sozialer Wohnbau, dachte sie abfällig, aber dann betrachtete sie die Namensschilder und fand heraus, daß es auch einen Hausmeister gab. Gitta drückte auf die Klingel. Der automatische Türöffner summte. Sie trat ein. Eine Tür tat sich auf. Eine rundliche Frau erschien.
»Sind Sie die Hausmeisterin?« fragte Gitta im freundlichsten Ton.
»Ja, die bin ich.«
»Ich wollte meine Freundin Stefanie Linden besuchen«, sagte Gitta, »aber sie ist anscheinend nicht da. Können Sie mir vielleicht sagen, wann ich sie antreffen kann? Ich bin nur kurze Zeit in München und hätte sie gern getroffen.«
Die einfache Frau war irritiert durch die elegante Erscheinung und das selbstsichere Auftreten Gittas.
»Fräulein Linden ist verreist«, erwiderte sie. »Sie wird wohl zwei bis drei Wochen abwesend sein. Genau weiß ich es nicht.«
»Aber Sie wissen doch sicher, wo sie zu erreichen ist«, sagte Gitta mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln. »Ich lebe im Ausland, und wir haben uns so lange nicht gesehen.«
»Ja, die Post soll ich nachschicken zur Insel der Hoffnung«, erklärte die Hausmeisterin arglos.
»Insel der Hoffnung? Was ist denn das?« fragte Gitta.
»Ein Sanatorium. Fräulein Linden muß wohl eine Kur machen.«
Gitta gab ihrem Gesicht einen bestürzten Ausdruck. »Oh, sie ist krank? Das tut mir aber leid.«
»Sie arbeitet halt zuviel«, sagte die Frau. »Da muß man sich ja mal erholen. Gerade in so einem Beruf, wenn man immer mit Krankheiten zu tun hat.«
Gitta nickte nur und drückte der Frau einen Fünfeuroschein in die Hand.
»Ich danke Ihnen jedenfalls für die Auskunft.« Dann eilte sie wieder zu ihrem Wagen.
Insel der Hoffnung, dachte sie, ich werde doch in Erfahrung bringen können, wo sich die befindet. Aber sie wollte doch lieber alles reiflich überlegen und noch herumhorchen, was man so über die Brüder Reinhold redete.
Aber in ihren Kreisen kursierten nur Gerüchte. Man wußte gar nichts, und so erging man sich in Vermutungen. Ralph war in dieser Gesellschaft der Nichtstuer sowieso immer ein Außenseiter gewesen, und Peter hatte dem Nachtleben schon lange adieu gesagt. Es gab Leute, über die man weit mehr erfuhr, es gab Skandale und Affären, die genug Stoff zum Gerede gaben. Vielleicht hätte Gitta ihr Vorhaben vergessen, wenn ihr nicht ihr geschiedener Mann Julian Bartosch über den Weg gelaufen wäre.
*
Ralph bereitete Katinka Sorgen. Er hatte gegessen, um sie nicht wieder zu kränken, aber dann lief er so ruhelos durch das Haus, daß sie nervös wurde.
Um acht Uhr kam der Anruf von der Insel der Hoffnung. Ein paar Minuten später erschien Ralph bei Katinka in der Küche.
»Ich muß verreisen, Katinka«, sagte er rauh. »Peter ist krank.«
Irgendwann mußte er sie vorbereiten, wenn er es auch nicht fertigbrachte, ihr den Ernst der Situation zu erklären, als er ihr bestürztes Gesicht sah.
»Schlimm?« fragte sie mit erstickter Stimme.
»Ziemlich schlimm«, erwiderte er. »Ich weiß nicht, wann ich zurückkomme. Sie sprechen zu niemandem darüber, darum möchte ich Sie bitten.«
Er tätigte noch zwei Anrufe mit leitenden Angestellten, damit man nicht in Panik geriet, wenn er am nächsten Tag nicht in der Fabrik erschien.
In Windeseile warf er ein paar Sachen in seine Reisetasche, drückte Katinka die Hand, die ihm mit tränenfeuchten Augen nachblickte, und dann saß er schon wieder in seinem Wagen. Katinka verschloß die Tür sorgfältig. Sie fühlte sich unendlich einsam in dem großen stillen Haus und wurde nun von bangen Ahnungen gepeinigt. Sie wußte nichts und wußte doch, daß alles noch viel schlimmer war, als Ralph sagen wollte.
Zu dieser Stunde traf Gitta, Ausschau haltend nach Gesellschaft, mit der sie sich die Zeit vertreiben konnte, ihren geschiedenen Mann.
Die Überraschung war auf beiden Seiten gleich groß. »Was machst du in München, Julian?« fragte Gitta. »Wolltest du etwa mich besuchen?«
»Das ja nun bestimmt nicht«, erwiderte er spöttisch. »Aber dir begegnet man wohl überall.«
»Ich bin hier zu Hause«, konterte sie ebenso spöttisch. »Aber schließlich brauchen wir uns nicht anzugreifen. Du siehst ja flott aus. Bist du auf Brautschau?«
Neugierde war ihre hervorstechendste Eigenschaft. Julian sah tatsächlich blendend aus, tief gebräunt, elegant gekleidet, und dabei war er doch finanziell am Ende gewesen, als sie sich von ihm trennte, was schließlich auch der Anlaß zu diesem Entschluß gewesen war.
»Nehmen wir doch einen Drink. Unterhalten wir uns ein bißchen«, schlug sie vor. »Ich freue mich, wenn es dir wieder gutgeht.«
»Was du nicht sagst«, spottete er. »Aber als du aus meinem Leben verschwandest, hatte ich wieder Glück.« Man sah es ihm an, daß es ihm Genugtuung bereitete, ihr das unter die Nase zu reiben. »Okay, ich lade dich auf einen Drink ein, aber viel Zeit habe ich nicht. Ich bin verabredet. Ich bin geschäftlich hier.«
»Was für Geschäfte machst du?« fragte sie lauernd.
»Gute«, erwiderte er lässig, »sehr gute sogar.«
»Tu doch nicht so geheimnisvoll.«
»Ich kenne eure Klatschgesellschaft«, sagte er anzüglich. »Was treibst du?«
In diesem Augenblick trat ein Page an die Bar. »Sie hatten ein Gespräch mit Mr. Bentham angemeldet, Herr Bartosch«, sagte er diskret. »Die Leitung ist jetzt frei.«
»Bentham? Gibt’s den auch noch?« fragte Gitta, aber Julian hatte sich erhoben. »Entschuldige bitte«, sagte er höflich und eilte davon.
Der Name Bentham war Gitta bekannt. Sie hatte einige Zeit mit Julian in den Staaten gelebt, und er hatte zu dieser Zeit viel Geld in der Filmbranche verdient. Sie hatten in Künstlerkreisen verkehrt und dabei auch Christopher Bentham und seine Frau Vanessa kennengelernt. Aber dann hatte Julian einen schweren