daß es anders gekommen ist«, fuhr er fort, »aber früher hatte ich doch manchmal das Gefühl, daß du dich für ihn entscheiden würdest. Es hätte mich fürchterlich getroffen.«
»Du brauchst dir doch darüber nicht mehr den Kopf zu zerbrechen. Ich habe mich für dich entschieden, Peter.«
»Dafür werde ich immer dankbar sein. Ich werde dich auf Händen tragen, mein Liebes. Geht es dir auch schon besser?« fragte er sprunghaft.
»O ja, ich bin nur immer so leicht müde«, erwiderte sie ausweichend.
»Ich eigentlich gar nicht. Ich fühle mich viel frischer als in München. Dr. Cornelius ist ein großartiger Arzt. Dr. Norden kann noch viel von ihm lernen.«
Stefanie hätte Dr. Norden gern in Schutz genommen, aber sie hielt ihre Zunge doch lieber im Zaum. Selbstverständlich schätzte sie Dr. Cornelius auch hoch ein, aber viel brauchte Dr. Norden gewiß nicht mehr zu lernen.
Peter war außerordentlich rücksichtsvoll. Er bestand darauf, daß Stefanie sich nach dem Spaziergang wieder niederlegte.
»Ich werde mich auch ausruhen, Liebes«, erklärte er. »Es ist doch herrlich, mal so richtig zu faulenzen. Man kann sich daran gewöhnen.«
Vanessa kam gerade aus der Tür, als Stefanie das Haus betrat. Sie war Stefanie sehr sympathisch in ihrer stillen, zurückhaltenden Wesensart.
»Wollten Sie gehen oder kommen Sie?« fragte sie mit einem anmutigen Lächeln.
»Ich komme«, erwiderte Stefanie.
»Mein Mann schläft«, flüsterte Vanessa. »Ich kann Sie wohl nicht noch zu einem kleinen Ausflug verleiten?«
»Peter könnte mich sehen. Er befiehlt mir Ruhe«, erwiderte Stefanie auch im Flüsterton. »Aber vielleicht könnten wir bei mir ein bißchen plaudern?«
Vanessa stimmte freudig zu. Sie schloß sich nicht leicht an, aber Stefanie entsprach ganz ihrem Geschmack.
»Christopher strengt die Therapie sehr an«, sagte sie. »Er muß viel ruhen, und da schäme ich mich richtig, daß ich mich so pudelwohl fühle und so unternehmungslustig bin wie lange nicht mehr. Ich hoffe nur, daß Christopher bald eine Besserung verspürt. Er ist so schrecklich ungeduldig.«
»Ich stelle es mir auch schlimm vor, wenn ein Musiker sein Instrument nicht spielen kann. Aber ihm wird zu helfen sein.«
Es war ihr so herausgerutscht. Vanessa blickte sie betroffen an. »Sie können doch nicht schwerkrank sein, Stefanie«, sagte sie stockend.
»Ich nicht, aber es gibt viele Kranke, für die es keine Hoffnung gibt.«
»Ein schrecklicher Gedanke«, sagte Vanessa. Dann hob sie lauschend den Kopf, da ihr Name gerufen wurde. Sie seufzte.
»Mein Mann ist wie ein kleines Kind. Wehe, wenn ich den Rücken drehe. Er kann noch so tief schlafen, aber dann wacht er bestimmt auf. Aber wir werden uns ja noch öfter zusammensetzen können, Stefanie. Es freut mich sehr, wenn ich so angenehme Gesellschaft habe.«
Sie eilte zu ihrem Appartement zurück. »Du sollst bei mir bleiben«, wurde sie von Christopher empfangen.
»Ich war nur bei Stefanie drüben, Darling. Wir haben uns ein bißchen unterhalten.«
»Mein Arm tut so schrecklich weh. Es ist schlimmer als vorher«, klagte er.
»Dr. Cornelius hat gesagt, daß es ein Zeichen ist, daß sich die Muskeln wieder stärken. Du darfst jetzt nicht die Geduld verlieren. Ich lasse dir einen Tee bringen.«
»Immer diesen Tee. Was soll der schon helfen«, murrte er.
»Du wirst sehen, daß er hilft. Diese starken Schmerzmittel haben nur deinem Magen geschadet.«
Sie legte eine Engelsgeduld an den Tag. Und Christopher wurde dann ganz kleinlaut. Er entschuldigte sich bei ihr.
»Ich verstehe dich doch, Liebster«, sagte sie sanft. »Es dauert halt schon so lange. Aber ich habe Vertrauen zu Dr. Cornelius. Er wird dir helfen.«
Seine Hand legte sich an ihre Wange. Es war die rechte Hand. Sich selbst nicht bewußt, hatte er sie erhoben. Vanessa stieß einen glucksenden Laut aus und hielt seine Hand fest.
»Christopher, Liebling, du kannst den Arm heben«, jauchzte sie auf.
Verwundert sah er sie an, dann seine Hand. »Ich kann den Arm heben«, wiederholte er. »Mein Gott, ich kann ihn tatsächlich heben, und jetzt tut es gar nicht weh. Wie kann das nur geschehen?«
»Du hast vielleicht unglücklich gelegen«, sagte Vanessa. »Und vielleicht wird es auch noch weh tun, aber du kannst ihn heben, bis zu meinem Gesicht. Wir müssen es Dr. Cornelius sagen. Du darfst nichts tun, was schaden könnte.«
Sie legte ihre Lippen in seine Handfläche, sie streichelte seine Finger. »Es wird gut werden, Liebster, es wird bestimmt gut werden.«
*
Dr. Cornelius war in der Ordination und hatte gerade einen Patienten untersucht, der morgen die Heimreise antreten wollte. Ungern, wie er sagte. Aber die Arbeit müsse auch mal wieder getan werden. Es war einer jener Glücklichen, die die Gewißheit mitnehmen konnten, völlig gesundet zu sein. So war es Dr. Cornelius freilich am liebsten.
Er begleitete den Patienten zur Tür, und da kam Peter auf sehr unsicheren Füßen daher. Sein Gesicht war fahl, seine Lippen blutleer. Dr. Cornelius war sehr erschrocken, verabschiedete den anderen Patienten rasch und stützte Peter.
»Was ist geschehen?« fragte er, nachdem er Peter auf die Liege gebettet hatte.
»Ich weiß nicht. Mir war plötzlich so schlecht. Ich wollte noch einmal zu Stefanie gehen…«, er konnte nicht weitersprechen und keuchte nur noch.
Dr. Cornelius sah sich gezwungen, ihm eine Injektion zu geben, zu der er nur sehr ungern griff. Sie wirkte. Peters Puls besserte sich, er schlief auf der Stelle ein.
Dr. Cornelius breitete eine leichte warme Decke über ihn und ging dann zu Anne, die eben noch den Telefonhörer in der Hand hielt.
»Herr Bentham kann seinen Arm bewegen«, sagte sie freudig.
»Dafür liegt jetzt Peter auf der Nase«, sagte er düster. »Das kam mir zu überraschend. Ich muß mit Stefanie sprechen.«
»Geh aber erst zu Benthams. Vanessa ist außer sich vor Freude.«
Er konnte sich augenblicklich nicht freuen. Zu unerwartet war Peters Zusammenbruch gekommen nach dieser scheinbaren Besserung. Gewiß hatte diese keine Hoffnungen in ihm geweckt, aber dieser jähe Umschwung war ihm rätselhaft. Es beschäftigte ihn mehr als Christophers Arm, denn für diesen sah er eine stetige Besserung voraus. Er hatte damit gerechnet, daß sich bald eine positive Reaktion einstellen würde. Allerdings hatte er auch damit gerechnet, daß Peters vorübergehende Erholung länger anhalten würde.
»Kümmere dich bitte um Peter, Anne«, sagte er geistesabwesend. »Er schläft jetzt. Sorge dafür, daß niemand in die Ordination kommt.«
Sie nickte ihm zu. Sie sah, wie er sich kopfschüttelnd entfernte, und sie wußte, daß er wieder einmal vor einem Rätsel stand.
Peter lag ganz ruhig da. Er atmete flach, aber regelmäßig. Als sie einen Schritt seitwärts trat, berührte ihr Fuß einen kleinen Gegenstand. Sie bückte sich und hielt eine Pillendose in der Hand. Verwundert betrachtete sie diese. Sie hatten hier auch für ihre Patienten Pillendös-chen, in denen ihnen die Tagesrationen zugeteilt wurden, aber solche nicht. Anne öffnete den Deckel. Die Dose war leer. Sie stellte das Döschen auf den Schreibtisch.
Dr. Cornelius war schnell zu den Benthams gegangen. Vanessa fiel ihm in ihrer Freude gleich um den Hals. Er nahm sich zusammen, um diesen beiden überglücklichen jungen Menschen keine trübe Miene zu zeigen.
»Ich habe es doch gesagt, daß es Schritt für Schritt vorangehen wird«, sagte er.
»Nun wird aber schön gefolgt und nur das getan, was ich anordne.«
»Ich