Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Box 14 – Arztroman


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die schwerelos zwischen seinen kräftigen Fingern lag.

      »Es wird wieder alles so wie früher«, murmelte Peter. »Katinka soll mir einen Schokoladenkuchen backen, und das Marzipankonfekt möchte ich haben.« Ralphs Augen begannen noch mehr zu brennen. Der wilde Schmerz drohte seine Brust zu sprengen.

      »Stefanie muß den Ring enger machen lassen«, sagte Peter plötzlich mit ganz klarer Stimme. »Sie darf ihn nicht verlieren. Schick ihr morgen Rosen, rote Rosen, Ralph.«

      Es war eine Ewigkeit her, daß Ralph geweint hatte. Das letzte Mal um seinen Vater. Doch nun rannen ihm dicke Tränen über die Wangen und tropften auf die Bettdecke.

      »Mein kleiner Bruder, mein lieber kleiner Bruder«, flüsterte er, und da sah er ein Lächeln auf Peters Lippen. Und mit diesem Lächeln schlief er ein – diesmal für immer.

      Ralph wollte es nicht glauben. Er drückte auf die Klingel. Dr. Cornelius kam herbeigelaufen.

      »Ich spüre keinen Puls mehr«, stieß Ralph tonlos hervor. Auch Dr. Cornelius spürte ihn nicht mehr. Er richtete sich langsam auf.

      »Er ist eingeschlafen, ohne Kampf, mit einem Lächeln auf den Lippen, Herr Reinhold. Was konnte man ihm sonst noch wünschen.«

      Wie in Trance griff Ralph nach seinen Sachen und ging ins Bad. An der Tür wandte er sich halb um.

      »Stefanie muß es wissen. Sie würde es mir nicht verzeihen, wenn ich bis zum Morgen warte.«

      Aber der Morgen stieg schon empor. Die Sonne schien aus dem See zu tauchen, färbte den Horizont rot, während der Mond noch als dunkelgraue Scheibe am Himmel stand.

      *

      Ralph ging hinüber zu dem Haus, das Dr. Cornelius ihm gezeigt hatte. Er verharrte vor der Tür, um die Kraft zu sammeln, die er jetzt brauchte.

      Da tat sich die Tür wie von selbst auf, und Stefanie stand vor ihm, angekleidet. Seine Hände hoben sich, streckten sich ihr entgegen, und sie legte ihre Hände hinein.

      Sie wußte es in diesem Augenblick. Er brauchte es ihr nicht zu sagen.

      »Er hat nur auf dich gewartet, Ralph«, flüsterte sie. »Dich hat er immer am meisten geliebt.«

      »Nein, dich, Stefanie«, erwiderte er.

      »Ich danke dir für alles, was du für Peter getan hast.«

      Er neigte sich über ihre Hände und küßte sie. Dann legte er seinen Arm um ihre Schultern und führte sie zurück zu dem Haus, in dem Peter mit einem Lächeln auf den Lippen gestorben war. Er ließ sie allein mit ihm, bis der schwarze Wagen kam, in dem er weggebracht wurde, bevor das richtige Leben auf der Insel begann.

      Ralphs Wagen fuhr eine Viertelstunde später diesem nach. Stefanie saß an seiner Seite.

      Es war ein Samstag, und das erste Frühlingsahnen erfüllte die Luft, während die Berge noch in tiefen Schnee gehüllt waren.

      Mario hatte schulfrei und sich wieder mal richtig ausgeschlafen, weil er sonst immer so früh aufstehen muß-te.

      Er kam pfeifend die Treppe herunter, hielt aber erschrocken inne, als er sah, wie seine heißgeliebte Mami sich Tränen aus den Augen tupfte.

      »Warum weinst du, Mami?« fragte er, seine Arme um sie schlingend.

      »Tut dir etwas weh?«

      Dieses Kind hatte auf der Insel der Hoffnung das größte Glück gefunden, das einem Waisenkind beschieden sein konnte. Eltern, die er über alles liebte, und die ihn zärtlich liebten. Er konnte eine frohe, unbeschwerte Kindheit genießen auf dem schönsten Fleckchen der Welt, wie Mario selbst immer sagte. Und er hatte Anne noch nie weinen sehen. Wenn ihr mal danach zumute gewesen war, hatte sie es immer vor ihm verbergen können.

      »Sag es mir, Mami«, drängte Mario. »Papi ist doch nicht etwa krank?«

      »Nein, mein Kleiner«, erwiderte sie. »Ich bin sehr traurig, weil Herr Reinhold gestorben ist.«

      Mario konnte man auch solche Dinge sagen. Er hatte ohnehin ein ganz besonderes Gefühl.

      »Er war sehr krank«, sagte er leise, »ich habe es gemerkt.«

      »Du hast es gemerkt?« fragte Anne. »Wieso?«

      »Einfach so. Ich kann es auch nicht beschreiben. Ihr wart bei ihm auch immer besonders aufmerksam. Er hat jetzt keine Schmerzen mehr, Mami.«

      Sie nahm ihn fest in den Arm. »Nein, jetzt hat er keine Schmerzen mehr, mein Junge.«

      Jetzt erst kam es ihr in den Sinn, daß Mario Peter immer aus dem Weg gegangen war, obgleich er doch Gast in ihrem Hause war. Und das war bei Mario ungewöhnlich.

      Er schenkte zwar nicht jedem seine Sympathie vorbehaltlos, aber Gäste, die in den Privaträumen einquartiert wurden, durften sich an diesem lebhaften, klugen Jungen erfreuen, der alles über die Insel wußte und stets bereit war, die sagenhafte Chronik zu erzählen.

      Jetzt blickte er Anne sinnend an. »Ist er noch hier?« fragte er.

      »Nein, Mario«, erwiderte Anne.

      »Und Stefanie?«

      »Sie ist mit Peters Bruder nach München gefahren.«

      »Ich weiß gar nicht, daß Peters Bruder gekommen ist.«

      »Du hast schon geschlafen. Es war ziemlich spät.«

      »Ihr habt ihn gerufen, Mami?«

      Anne nickte. »Dann habt ihr es schon geahnt«, sagte Mario.

      »Man mußte damit rechnen. Er wollte seinen Bruder sehen. Willst du jetzt nicht frühstücken, Mario?« fragte sie, um ihn abzulenken.

      »Ich würde gern erst noch ein bißchen rumlaufen, Mami«, sagte er. »Darf ich?«

      Anne küßte ihn auf die Stirn. Sie wußte, was er jetzt fühlte. Die Quelle, seine Quelle hatte kein Wunder vollbracht, und er glaubte doch so fest daran. Wurde ihm nun doch bewußt, daß allem Wünschen und Wollen Grenzen gesetzt waren?

      Sie griff zum Telefon. Sie mußte Daniel benachrichtigen.

      *

      »So schlimm es auch ist, für Peter Reinhold war es so am besten«, sagte Daniel zu Fee.

      »Leben wollen und sterben müssen«, flüsterte Fee. »Sein Wille mag erloschen sein, als er zu der Erkenntnis gelangte, wie schwer sein Leiden ist.«

      Stefanie und Ralph hatten auf der Heimfahrt viel gedacht, doch wenig gesprochen. Als Ralph dann vor seinem Haus hielt, sagte Stefanie: »Ich möchte heim.«

      »Hier bist du zu Hause«, sagte Ralph. »Peter wollte es so. Du sollst jetzt nicht allein sein, Stefanie.«

      Mit schreckhaft geweiteten Augen stand Katinka in der Diele. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie brachte kein Wort hervor.

      »Stefanie wird jetzt bei uns wohnen«, sagte Ralph leise. »Peter wird nicht mehr heimkehren, nie mehr, Katinka.«

      Katinka schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte trocken auf. Tröstend legte Ralph den Arm um sie.

      »Wir alle werden Zeit brauchen, um es zu begreifen«, sagte er heiser.

      Obgleich Katinka nun nicht mehr allein in dem großen Haus war, herrschte doch diese beklemmende Stille. Das Telefon wurde auf den automatischen Anrufbeantworter gestellt.

      Ralph mußte sich gewaltsam dazu zwingen, all das zu tun, was nun noch getan werden mußte.

      Währenddessen fuhren zwei Wagen zur Insel der Hoffnung. Nicht hintereinander, sondern im Abstand von etwa einer Stunde. Im ersten Wagen saßen Julian Bartosch und seine Frau Daisy.

      »Übrigens traf ich gestern abend Gitta«, sagte er beiläufig.

      Daisy warf ihm jetzt einen ganz schrägen Blick zu. »Irgendwann mußte sie dir ja über den Weg laufen«, bemerkte sie. »Hast du ihr gesagt, daß wir verheiratet