James V. Schall SJ

Der Islam


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Licht der – christlichen wie muslimischen – Offenbarung zu verstehen.

      1Hilaire Belloc, The Great Heresies, Ignatius Press, San Francisco 2017, 92–93.

      2William Kilpatrick, »Good Islam vs. Bad Islam«, Crisis Magazine, 4. Mai 2016, http://www.crisismagazine.com/2016/good-islam-vs-bad-islam.

      3Robert Royal, The Catholic Martyrs of the Twentieth Century, Crossroad Publishing Co., New York 2000.

       Die sieben Trappistenmönche: die Welt ohne Reue4

      Eines Abends – ich verbrachte gerade einige Einkehrtage in einem alten Jesuitennoviziat – las ich in der englischen Ausgabe der Zeitung L’Osservatore Romano vom 12. Juni 1996 einen unvergesslichen Brief. Darin schrieb Dom Bernardo Olivera, der Generalabt der Zisterzienser der strengen Observanz, auch Trappisten genannt, über die brutale und völlig willkürliche Ermordung von sieben Trappistenmönchen im algerischen Atlasgebirge durch die muslimische Gruppierung Groupe Islamique Armé (GIA).

      Dom Bernardo erinnerte daran, dass sich die Gründung von Cîteaux 1998 zum hundertsten Mal jährte. Er erwähnte die vielen Mönche seines Ordens, die in diesem Jahrhundert getötet worden waren: die sieben in Algerien ermordeten Mönche und die anderen katholischen Brüder und Ordensschwestern, die man dort und an anderen Orten aus demselben Grund massakriert hatte. Er erwähnte, was Johannes Paul II. in Tertio millennio adveniente über das Zeugnis des Martyriums in der Kirche schrieb. »Dieses Zeugnis darf nicht in Vergessenheit geraten«, betonte Dom Bernardo.

      Der Artikel erzählt die unmittelbare Vorgeschichte dieser sieben Mönche, die ohne Zweifel sehr gute und demütige Menschen waren. Sie wussten, dass sie in einer gefährlichen Region lebten. Der apostolische Delegat, der Erzbischof und ein Beamter der muslimischen Behörden vor Ort hatten ihnen für den Fall, dass sie in eine sicherere Unterkunft umziehen würden, ihren Schutz angeboten.

      Doch bei den Trappisten gibt es das Gelübde der Ortsgebundenheit. Mehrere Jahre lang hatten sie alle Optionen in Erwägung gezogen, sich aber jedes Mal zum Bleiben entschieden.

      Am 29. Dezember 1993 schrieb einer der Trappisten, Pater Christophe, einen Brief an den Anführer des GIA-Kaders, der dem Kloster an Heiligabend einen bedrohlichen Besuch abgestattet hatte:

      »Bruder, erlaube mir, Dich so anzusprechen, von Mensch zu Mensch, von einem Glaubenden zum anderen. […] Im gegenwärtigen Konflikt […] scheint es uns unmöglich, Partei zu ergreifen. Die Tatsache, dass wir Ausländer sind, verbietet uns dies. Unser Stand als Mönche bindet uns an die Wahl, die Gott für uns getroffen hat und die in einem einfachen Leben, körperlicher Arbeit, Gastfreundschaft und darin besteht, mit allen, insbesondere den Armen, zu teilen. […] Diese Gründe für unsere Lebensweise sind für jeden von uns eine freie Entscheidung. Sie binden uns bis zum Tod. Ich glaube nicht, dass es Gottes Wille ist, dass dieser Tod durch Euch über uns kommt.«

      Im Frühjahr dieses Jahres, im März 1996, nahm der GIA, der inzwischen einen neuen Anführer hatte, die Mönche gefangen. Die Anklage: Evangelisierung. Dagegen gab es keine Berufung. Der Emir erklärte: »Mönche, die bei der Arbeiterklasse leben, dürfen von Rechts wegen getötet werden.« Mit ihrer Gefangennahme änderte sich die rechtliche Situation der sieben Mönche: Es war nun legitim, sie wie nicht muslimische Kriegsgefangene zu behandeln, das heißt, sie zu ermorden, sie zu versklaven oder sie gegen muslimische Gefangene auszutauschen.

      Die Franzosen hatten einen Gefangenen, den der Emir gegen die Mönche austauschen wollte. Er schickte Warnungen an das französische Auswärtige Amt, dass die Mönche hingerichtet werden würden, wenn der Austausch nicht zustande käme. Der Emir brachte die Angelegenheit auf eine einfache Formel: »Es ist Ihre Entscheidung. Wenn Sie ihn freilassen, werden wir sie auch freilassen; wenn Sie sich weigern, werden wir ihnen die Kehlen durchschneiden. Gepriesen sei Gott.«

      Am Ende entschied der französische Präsident, dass man sich mit solchen Terroristen nicht auf einen Handel einlassen könne. Mit dem Ergebnis, dass die Mönche um den 21. Mai 1996 herum auf die erwähnte, grausame Weise umgebracht wurden.

      Dom Bernardos Brief, dem ich diese Darstellung der Ereignisse entnommen habe, überlässt kaum etwas der Fantasie und doch schwingt beinahe etwas Mystisches darin mit. Unwillkürlich kommt uns der unerwartete Abschnitt über das Martyrium in der Enzyklika Veritatis splendor von Johannes Paul II. in den Sinn. Gläubige, friedfertige Menschen werden um einer juristischen Spitzfindigkeit willen und zur »Ehre Gottes«, wie die Mörder behaupteten, getötet.

      Die Geschichte liest sich wie eine klassische Tragödie oder eher noch wie der Tod des heiligen Thomas Morus, der, glaube ich, gemeinsam mit ein paar Mönchen und einem Bischof ermordet wurde.

      Der älteste der ermordeten Mönche war Bruder Luc, der während der Einkehrtage des Ordens im Januar 1994 achtzig Jahre alt geworden war. Dom Bernardo erinnerte sich in seinem Brief an eine Nonne in Angola, die als Lesung für die Messe anlässlich ihrer ersten Profess die Stelle über die Feindesliebe ausgesucht hatte. Dieses Empfangen und Vergeben schien ihm der Schlüssel zum Leben dieser Männer zu sein.

      Beim Abendessen zum Abschluss der Einkehrtage hatte Bruder Luc eine Kassette abgespielt, die er für seine Beerdigung aufbewahrte. Es ist kaum zu glauben, aber das Lied, das er abspielte, war Edith Piafs Je ne regrette rien.

      Für mich ist die Vorstellung, dass ein alter Trappistenmönch von einem Mitglied des GIA ermordet wird, mehr als erschütternd. Der herzlose Gläubige gehorcht seinem Gesetz und schneidet einem freundlichen alten Mann die Kehle durch, der an seinem achtzigsten Geburtstag im Refektorium das Lied von Edith Piaf hatte singen hören, das auf seiner Beerdigung gespielt werden sollte.

      Ich habe diese CD mit Edith Piafs Je ne regrette rien. Immer wenn ich sie höre, bete ich für die sieben Trappistenmönche – und für die Muslime, die sie getötet haben.

      4James V. Schall, »Goodbye without Regret«, Crisis, 1. November 1996, 58, http://www.crisismagazine.com/1996/sense-and-nonsense-goodbye-without-regret.

       1. Hilaire Belloc über die »augenscheinlich unbekehrbare« Religion5

      I

      Eine der schwierigsten Übungen in politischer Klugheit besteht meiner Meinung nach darin, das Regime eines Ortes, den man besucht, an dem man lebt oder an dem man einen ernst zu nehmenden Gegner antrifft, philosophisch akkurat zu beschreiben. Denn um ein Regime korrekt darzustellen, benötigen wir ein Urteilskriterium, anhand dessen wir entscheiden können, ob ein beliebiges Regime gut oder schlecht ist. Ohne einen solchen Maßstab – mit anderen Worten: ohne eine universale Philosophie – beschränken wir uns darauf, substanzlose Namen zu vergeben. Diese Möglichkeit, Regime so zu beschreiben, wie sie sind, setzt zweierlei voraus: erstens eine universale politische Philosophie, deren Grundlagen zwar durchaus auf gegenwärtige Regime bezogen, aber von ihnen unabhängig sind; und zweitens ausreichend staatsbürgerliche Freiheit, um solche Prinzipien zu artikulieren, ohne Gefängnis oder Tod befürchten zu müssen.

      Ein solcher Versuch, das Wesen eines Regimes zu ergründen, kann – das haben uns die Philosophen, angefangen bei Sokrates, gelehrt – ein gefährliches Unterfangen sein. Normwidrig agierende Fürsten und Machthaber oder wie immer wir sie nennen wollen, sind nicht erpicht darauf zu erfahren, was sie wirklich sind. Und Bürger sind nicht erpicht darauf, die Dinge beim Namen zu nennen, weil sie oft selbst mit den Prinzipien des Regimes übereinstimmen – eine Wahrheit, die Plato uns schon vor