James V. Schall SJ

Der Islam


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bereit, ihren schwindenden Vorrat an Söhnen in der Schlacht aufs Spiel zu setzen.«7 Der Islam hingegen hat einen reichlichen Vorrat an Söhnen, von denen offenbar viele bereit sind, für seine Verteidigung oder Ausbreitung ihr Leben hinzugeben. Muslimische, hinduistische, chinesische und buddhistische Bewegungen scheinen im Laufe des vermeintlich so skeptischen 20. Jahrhunderts nicht schwächer, sondern stärker geworden zu sein.

      Die christlichen Bevölkerungen stehen in Indien, China, in buddhistischen und in muslimischen Ländern unter Druck. Viele Christen verlassen diese Länder freiwillig, meist werden sie jedoch dazu gedrängt. Die meisten der Christen, die früher in arabischen Ländern gelebt haben, leben heute im Westen. Sie haben mit ihren Füßen abgestimmt. Die Muslime andererseits sind – zum Teil aufgrund ihres beträchtlichen zahlenmäßigen Wachstums – zusammen mit Chinesen, Hindus, Buddhisten und anderen Vertretern verschiedener Weltreligionen überall in Europa und Amerika präsent. Der moderne Säkularismus wirkt geradezu wie eine kulturelle Kuriosität, die sich auf kleine akademische Enklaven in kleinen Winkeln der Welt beschränkt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass große Teile der modernen politischen Philosophie von der Vorstellung ausgegangen sind, die Bedeutung der Religion müsse verringert werden, um Religions- und Bürgerkriegen vorzubeugen. Angesichts der strikten Abschottung dieser Religionen an ihren historischen Orten und ihres mangelnden Sinns für eine echte, auf der Würde der Person basierende religiöse Freiheit wirkt der Skeptizismus oder Atheismus, verglichen mit diesen Ländern, aus denen es – außer vielleicht nach innen wie im Fall der mittelalterlichen muslimischen Philosophen – kein Entrinnen gibt, geradezu wie eine gesunde Alternative.

      III

      Belloc war sich darüber im Klaren, dass der jahrhundertelange Einfluss des Westens den Islam nicht verändert hatte. Was die Grundlagen anging, war der Islam von der westlichen Besetzung gänzlich unberührt geblieben. Wie Belloc in Survivals and New Arrivals schreibt:

      Heute – so viel sei gesagt – rechnen wir mit dem Islam. Europa und große Teile Amerikas haben den Glauben weitgehend verloren, wie Belloc es schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte kommen sehen, und der Islam ist dort auf dem Vormarsch. Und auch in Afrika und Asien expandiert der Islam.

      Belloc war beeindruckt von der Kompaktheit des Islams, seiner inneren Geschlossenheit – was auch immer deren Ursache sein und mit welchen Methoden sie auch aufrechterhalten werden mochte. Wie er im selben Buch schreibt:

      Eine ähnliche Beobachtung formuliert Belloc in The Great Heresies:

      Doch allein schon aus diesem Grund – weil der Islam für den Katholizismus uneinnehmbar ist – muss die Kirche dieser wachsenden Kraft in der Welt größere Beachtung schenken. Es genügt nicht, Gewalt im abstrakten Sinne zu verurteilen. »Geht hin und lehrt alle Völker« ist nur möglich, wenn die Völker es zulassen, dass man ihnen predigt. Die westlichen Theorien von der Religionsfreiheit haben sich, ganz gleich, ob von weltlicher oder religiöser Seite formuliert, im Islam nicht durchgesetzt, und diese Tatsache wird nur selten kritisiert. Die wenigen Christen oder Angehörige anderer Religionsgemeinschaften müssen sich in den meisten muslimischen Ländern in der Praxis mit einem Status als Bürger zweiter Klasse zufriedengeben und stehen unter dem ständigen Druck, zum Islam konvertieren zu sollen.

      IV

      Bellocs These zufolge begann der Islam als eine christliche Irrlehre, die an den jüdischen Elementen des christlichen Glaubens – der Einheit und Allmacht Gottes – festhielt, aber sämtliche christlichen Aspekte, also die Menschwerdung und die Gottheit Christi verneinte, was zur Folge hatte, dass Christus nur mehr als Prophet betrachtet und auch die Kirche, das Priestertum und die Sakramente geleugnet wurden. Der Islam war so erfolgreich, weil er, wie er selbst von sich sagt, eine einfache Religion ist. Es war nicht schwierig, seine wenigen Lehrinhalte und Frömmigkeitsregeln zu verstehen und zu befolgen. Die Ausbreitung des Islams erfolgte fast immer mit Waffengewalt; nach jeder Eroberung übernahmen muslimische Kalifen oder Sultane die Herrschaft. Sie waren intolerant, aber mehr oder weniger bereit, die politische Unterwerfung gegen Abgabenzahlungen zu akzeptieren. Mindestens zweimal in der Geschichte des Westens wurde Europa beinahe vom Islam überrannt: einmal im achten Jahrhundert in Poitiers und einmal im 17. Jahrhundert in Wien.