bereit, ihren schwindenden Vorrat an Söhnen in der Schlacht aufs Spiel zu setzen.«7 Der Islam hingegen hat einen reichlichen Vorrat an Söhnen, von denen offenbar viele bereit sind, für seine Verteidigung oder Ausbreitung ihr Leben hinzugeben. Muslimische, hinduistische, chinesische und buddhistische Bewegungen scheinen im Laufe des vermeintlich so skeptischen 20. Jahrhunderts nicht schwächer, sondern stärker geworden zu sein.
Die christlichen Bevölkerungen stehen in Indien, China, in buddhistischen und in muslimischen Ländern unter Druck. Viele Christen verlassen diese Länder freiwillig, meist werden sie jedoch dazu gedrängt. Die meisten der Christen, die früher in arabischen Ländern gelebt haben, leben heute im Westen. Sie haben mit ihren Füßen abgestimmt. Die Muslime andererseits sind – zum Teil aufgrund ihres beträchtlichen zahlenmäßigen Wachstums – zusammen mit Chinesen, Hindus, Buddhisten und anderen Vertretern verschiedener Weltreligionen überall in Europa und Amerika präsent. Der moderne Säkularismus wirkt geradezu wie eine kulturelle Kuriosität, die sich auf kleine akademische Enklaven in kleinen Winkeln der Welt beschränkt. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass große Teile der modernen politischen Philosophie von der Vorstellung ausgegangen sind, die Bedeutung der Religion müsse verringert werden, um Religions- und Bürgerkriegen vorzubeugen. Angesichts der strikten Abschottung dieser Religionen an ihren historischen Orten und ihres mangelnden Sinns für eine echte, auf der Würde der Person basierende religiöse Freiheit wirkt der Skeptizismus oder Atheismus, verglichen mit diesen Ländern, aus denen es – außer vielleicht nach innen wie im Fall der mittelalterlichen muslimischen Philosophen – kein Entrinnen gibt, geradezu wie eine gesunde Alternative.
III
Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht hilfreich, sich noch einmal näher mit den Gedanken über die Zukunft des Islams zu befassen, die sich Hilaire Belloc in den 1930er-Jahren gemacht hat. Bellocs Kommentare über den Islam sind aus heutiger Sicht deshalb so bemerkenswert, weil er die Fähigkeit hatte, historische Entwicklungen vor dem Hintergrund einer spirituellen Kraft oder Macht zu beurteilen. Obwohl er Soldat und Militärhistoriker war, der großen Wert auf die Fakten, auf Daten und Namen von Schlachten und Schlachtfeldern, Generälen und Soldaten legte, hat Belloc nie geglaubt, dass letztlich die materielle Macht darüber entscheidet, was zwischen Menschen und Zivilisationen geschieht. »Kulturen entspringen aus Religionen; die Lebenskraft, die jede Kultur aufrechterhält, ist letztlich ihre Philosophie, ihre Einstellung zum Universum; der Niedergang einer Religion zieht den Niedergang der Kultur nach sich, die ihr entspricht – was der derzeitige Zusammenbruch des Christentums mit allergrößter Deutlichkeit beweist.«8 Ihm war bewusst, dass die muslimischen Länder in den rund 300 Jahren seit der Schlacht von Wien am 11. September 1683 nach und nach aus dem modernen Szenario der ernst zu nehmenden Bedrohungen herausgefallen waren. Sie galten als rückständig und waren es auch. Und das ist trotz der Ölvorkommen, mit deren Wert sie wenig oder gar nichts zu tun hatten, noch immer weitgehend der Fall.
Belloc war sich darüber im Klaren, dass der jahrhundertelange Einfluss des Westens den Islam nicht verändert hatte. Was die Grundlagen anging, war der Islam von der westlichen Besetzung gänzlich unberührt geblieben. Wie Belloc in Survivals and New Arrivals schreibt:
»Wir stellten uns seine Religion [die des Islams] als eine Art Fossil vor, dessentwegen wir uns nicht zu beunruhigen hätten. Das war fast sicher ein Fehler. Es ist so gut wie sicher, dass wir in naher Zukunft mit dem Islam zu rechnen haben werden. Vielleicht wird er aufsteigen, wenn wir unseren Glauben verlieren. Denn nachdem diese Unterjochung der islamischen Kultur durch dem Namen nach christliche Nationen bereits abgeschlossen war, begannen die politischen Eroberer dieser Kultur an ihr zwei beunruhigende Merkmale festzustellen: erstens, dass ihr spirituelles Fundament sich als unerschütterlich erwies; und zweitens, dass ihr Einflussbereich nicht etwa kleiner, sondern im Gegenteil langsam größer wurde.«9
Heute – so viel sei gesagt – rechnen wir mit dem Islam. Europa und große Teile Amerikas haben den Glauben weitgehend verloren, wie Belloc es schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte kommen sehen, und der Islam ist dort auf dem Vormarsch. Und auch in Afrika und Asien expandiert der Islam.
Belloc war beeindruckt von der Kompaktheit des Islams, seiner inneren Geschlossenheit – was auch immer deren Ursache sein und mit welchen Methoden sie auch aufrechterhalten werden mochte. Wie er im selben Buch schreibt:
»Der Islam würde keinerlei missionarischen Bemühungen des Christentums je tatenlos zusehen. Die sogenannten christlichen Regierungen, die zu ihm Kontakt hatten, hat er in spiritueller Hinsicht stets verachtet. Die glühenden und aufrichtigen christlichen Missionare wurden in der Regel höflich empfangen und in einigen Fällen erbittert attackiert, erhielten jedoch nie die Gelegenheit, den Islam zu beeinflussen. Ich halte die Aussage für zutreffend, dass der Islam die einzige spirituelle Quelle auf Erden ist, die sich dem Katholizismus als uneinnehmbare Festung entgegengestellt hat. Seine Anhänger bilden die einzige religiöse Gemeinschaft, aus der es keine nennenswerte Anzahl von Konversionen gibt.«10
Eine ähnliche Beobachtung formuliert Belloc in The Great Heresies:
»Der Islam ist augenscheinlich unbekehrbar. Die missionarischen Anstrengungen der großen katholischen Orden, die seit annähernd 400 Jahren mit dem Versuch beschäftigt sind, aus Mohammedanern Christen zu machen, sind überall nahezu vollständig gescheitert. An einigen Orten haben wir den mohammedanischen Herrscher aus dem Land gejagt und seine christlichen Untertanen von der mohammedanischen Kontrolle befreit, aber bei der Bekehrung einzelner Mohammedaner haben wir fast keine Ergebnisse erzielt.«11
Belloc erkannte an, dass der Islam florierte, weil er grundlegende Wahrheiten über Gott beinhaltete, wie auch immer diese interpretiert wurden. »Der Mohammedanismus hat dauerhaft Wurzeln geschlagen, ein Eigenleben entwickelt und ist schließlich so etwas wie eine neue Religion geworden«, schrieb er in The Great Heresies. »Wie alle Irrlehren lebte der Mohammedanismus von den katholischen Wahrheiten, die er bewahrt hatte. Sein Festhalten an der persönlichen Unsterblichkeit, an der Einheit und unendlichen Majestät Gottes, an seiner Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, an der Gleichheit der menschlichen Seelen im Angesicht ihres Schöpfers – darin bestand seine Stärke.«12 Die Stärke des Islams waren in Bellocs Augen seine Tugenden.
Doch allein schon aus diesem Grund – weil der Islam für den Katholizismus uneinnehmbar ist – muss die Kirche dieser wachsenden Kraft in der Welt größere Beachtung schenken. Es genügt nicht, Gewalt im abstrakten Sinne zu verurteilen. »Geht hin und lehrt alle Völker« ist nur möglich, wenn die Völker es zulassen, dass man ihnen predigt. Die westlichen Theorien von der Religionsfreiheit haben sich, ganz gleich, ob von weltlicher oder religiöser Seite formuliert, im Islam nicht durchgesetzt, und diese Tatsache wird nur selten kritisiert. Die wenigen Christen oder Angehörige anderer Religionsgemeinschaften müssen sich in den meisten muslimischen Ländern in der Praxis mit einem Status als Bürger zweiter Klasse zufriedengeben und stehen unter dem ständigen Druck, zum Islam konvertieren zu sollen.
IV
Bellocs These zufolge begann der Islam als eine christliche Irrlehre, die an den jüdischen Elementen des christlichen Glaubens – der Einheit und Allmacht Gottes – festhielt, aber sämtliche christlichen Aspekte, also die Menschwerdung und die Gottheit Christi verneinte, was zur Folge hatte, dass Christus nur mehr als Prophet betrachtet und auch die Kirche, das Priestertum und die Sakramente geleugnet wurden. Der Islam war so erfolgreich, weil er, wie er selbst von sich sagt, eine einfache Religion ist. Es war nicht schwierig, seine wenigen Lehrinhalte und Frömmigkeitsregeln zu verstehen und zu befolgen. Die Ausbreitung des Islams erfolgte fast immer mit Waffengewalt; nach jeder Eroberung übernahmen muslimische Kalifen oder Sultane die Herrschaft. Sie waren intolerant, aber mehr oder weniger bereit, die politische Unterwerfung gegen Abgabenzahlungen zu akzeptieren. Mindestens zweimal in der Geschichte des Westens wurde Europa beinahe vom Islam überrannt: einmal im achten Jahrhundert in Poitiers und einmal im 17. Jahrhundert in Wien.
Interessanterweise feiert die Kirche seit damals bestimmte Feste, um dieser Siege zu gedenken. Das bekannteste ist das Rosenkranzfest, das der hl. Pius V. am 7. Oktober