James V. Schall SJ

Der Islam


Скачать книгу

weil er Schlachten gewann. Dieser Erfolg sollte moderne Pazifisten nachdenklich stimmen, was jedoch meist nicht geschieht. Doch den Islam als eine Religion der Einfachheit zu bezeichnen, ist für Bellocs Begriffe eher ein Kompliment. Er weist darauf hin, dass er viele Menschen aus der Zwickmühle des Zinswuchers und vor dem Richter gerettet habe. Er befreite Sklaven, wenn sie konvertierten, und machte sie innerhalb des Systems zu Brüdern. Die Bruderschaft im Glauben hat Vorrang vor allen anderen Beziehungen. Belloc unterscheidet zwischen der anfänglichen Ausbreitung des Islams im Nahen Osten und seiner Expansion in persisches und mongolisches Gebiet – von Mesopotamien bis nach Indien und ins Oströmische Reich. »Der typische Gleichmut der asiatischen Gesellschaft fühlte sich sofort von dieser neuen Idee einer sehr einfachen, persönlichen Regierungsform angesprochen, die durch die Religion geheiligt war und mit theoretisch absoluter Macht von einem Zentrum aus regierte.«18 Durch diese Eroberungen lernte der Islam die griechische Philosophie und andere Kulturen kennen und legte so den Grundstein für einen Großteil seiner wissenschaftlichen und künstlerischen Errungenschaften. »Der Islam war die eine Irrlehre«, so Belloc, »die das Christentum durch seine frühe materielle und intellektuelle Überlegenheit um ein Haar vernichtet hätte.«19

      V

      In der Regel, glaubte Belloc, erzielen Irrlehren gewisse Anfangserfolge, ehe sie abebben und schließlich verschwinden. Beim Islam war das nicht so. Der Islam blieb, was die Zahl seiner Gläubigen und die Kraft seiner Überzeugungen anging, auch dann noch stark, als er bereits besiegt war. Inwiefern ist der Islam also anders als die anderen Irrlehren? Weil er einfach sei, sich auf die Gerechtigkeit gründe und dem Christentum gegenüber eine Verbesserung darstelle, meinen einige westliche Denker. Belloc wies dieses Argument mit der Begründung zurück, dass auch andere Irrlehren diesen Anspruch vertreten hätten und dennoch verschwunden seien. Historisch betrachtet gewann der Islam beständig neue Rekruten: die Türken, die Mongolen.

      Heute, so vermute ich, gewinnt der Islam seine neuen Rekruten vor allem aus seinem eigenen Bevölkerungswachstum, mit dem er in das Vakuum vorstößt, das die niedrigen Geburtenraten des Westens hinterlassen haben. Die Kreuzzüge haben den Islam nicht geografisch gespalten. Belloc war der Meinung, dass der Islam vielleicht an Kraft verloren hätte, wenn Afrika durch die Kreuzzüge (1095–1200) von Asien abgeschnitten worden wäre. Interessanterweise vertreten viele Befürworter der Besetzung des Iraks heute dieselbe Theorie: dass der Islam aufgespalten sei und auf diese Weise seine geopolitische Macht verringert werden müsse.

      Belloc war jedoch der Ansicht, dass der Islam, obwohl er sich auf seine militärische Stärke stützte, auch eine kulturelle Kraft besaß.

      Genau genommen vermutete Belloc einen Zusammenhang zwischen dem Scheitern der Kreuzzüge und dem Aufstieg des modernen Europa, das sich zunächst auf sich selbst konzentriert habe, ehe es mit der Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Asien die technischen Mittel fand, die islamischen Länder zu umgehen. Belloc vertrat sogar den Standpunkt, der Erfolg der Reformation sei in Teilen durch das Scheitern der katholischen und päpstlichen Politik in den Kreuzzügen bedingt gewesen. (Bellocs Buch The Crusades ist nach wie vor eine der erschütterndsten Darstellungen dieser gescheiterten Unternehmung.)

      Die alten römischen Gebiete in Nordafrika wurden nicht zurückerobert. »Sie scheiterten, aber sie schufen das moderne Europa«, schreibt Belloc. Die Reformation sei eine Folge des geschwächten Zentrums und der mit der Bildung der modernen Nationen verloren gegangenen Einheit gewesen.