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Methoden der Theaterwissenschaft


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wichtiger Vermittler und Netzwerker fungierte. Er managte deutschsprachige Theatergruppen und Theater in Detroit, St. Paul, Cincinnati und seit 1876 in New York. Hier ließ er deutschsprachige Operetten, wie beispielsweise Die Fledermaus von Johann Strauß, deutschsprachige Dramen, aber auch zahlreiche in Europa bekannte Theaterstücke des Naturalismus in ihrer deutschen Übersetzung spielen. Damit jedoch nicht alles; Amberg hat eine Vielzahl an Schauspielern aus dem deutschsprachigen Gebiet in die USA für Gastauftritte engagiert und so das Tourneetheaterbusiness befördert. Sie sowie die Programmauswahl in vom Amberg geführten Häusern waren ein Zuschauermagnet, der schließlich Publika verschiedener Nationalitäten ins Theater lockte, wie Hermann Rothfuss hervorhebt:

      It must have been a glorious time for German theatre goers in New York – and not only for them, for it was estimated that thirty to forty percent of the people attending Amberg’s offerings were of non-German background.4

      Amberg schaffte es also, nicht nur Verbindungen zwischen den deutschsprachigen Ländern in Europa und den in den USA lebenden deutschen Emigranten herzustellen. Indem sein Theater auch von Zuschauern anderer Nationalitäten besucht wurde, indem US-Amerikanische Zeitschriften über die Aufführungen in Ambergs Theatern berichteten, erschuf er einerseits einen transnationalen sozialen Raum und eine kulturelle Kontaktzone, ermöglichte andererseits aber die Popularisierung deutscher Kunst und deutscher Künstler über dem Atlantik. Seine Theater waren oftmals ein Sprungbrett für deutschsprachige Schauspieler, die durch ihre Erfolge am New Yorker Thalia oder am Amberg Theater Einladungen von anderen Häusern in den USA erhielten und größere Gastspielreisen machten. Rekonstruiert man die Verbindungen, die Amberg erschuf, so kommt ein ausgedehntes transnationales Netzwerk zum Vorschein. Ein Netzwerk, dessen Wert die berühmten Shubert Brüder erkannten, als sie Amberg – nach der Aufgabe seiner Tätigkeit als Theatermanager – als Agenten engagierten.5 Für sie zog er zurück nach Europa, wo er den Theatermarkt nach Kassenschlagern für die USA studierte und mit Verlegern Rechte und Verträge aushandelte, wie die folgende Korrespondenz veranschaulicht:

      Abb. 1:

      Korrespondenz Shubert-Amberg, Shubert Archive New York.

      Der biographische Ansatz ermöglicht es also, Prozesse der Verknüpfungen und Vernetzungen auf einer Mikroebene aufzudecken und so Funktionsweisen der Theaterpraxis wie auch ihre Netzwerke freizulegen. So beschreibt Marlies Schweitzer, die Auswirkungen der Mobilität um den Jahrhundertwechsel resümierend, als die Etablierung einer transnationalen Theaterkultur:

      By 1910, many of the plays, performers, songs, and costumes that filled commercial theatres in New York were similar to if not identical to those filling commercial theatres in London, Paris, Berlin, Budapest, Vienna, Leipzig, Sydney, Melbourne, Cape Town, and Calcutta.6

      Individuelle Perspektive

      Wichtig erscheint es in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass es nicht ausreicht, lediglich die Reise- und Migrationswege sowie die hierdurch erschaffenen Verknüpfungen und Netzwerke zu studieren bzw. zu rekonstruieren, um einer transnationalen Geschichtsschreibung gerecht zu werden. Gerade ein biographischer Ansatz, der nach individuellen Erfahrungen der Mobilität und ihren Folgen fragt, bietet die Möglichkeit, auch die individuelle Perspektive mit in die Analyse zu bringen. Hierdurch offenbart sich die Vielschichtigkeit von Mobilitätsprozessen und ihren Auswirkungen auf das Theater. Hierdurch bekommen wir auch einen sonst im Verborgenen gebliebenen Einblick in Hintergründe von Handlungen und Entscheidungen.

      Auf diese Weise wird u. a. deutlich, warum sich Theaterschaffende überhaupt in Bewegung setzten. Der Entschluss auszuwandern beispielsweise, ist nicht einzig mit makroökonomischen Gründen zu erklären. Im Fall Heinrich Börnsteins waren es – zumindest was die Ausreise in die USA betrifft – politische Gründe; die Eltern der Shubert Brüder hingegen verließen Litauen aufgrund antisemitischer Verfolgung. Die ausschlaggebenden Beweggründe der Emigration der polnischen Schauspielerin Helena Modrzejewska, die 1876 gemeinsam mit ihrem Ehemann Karol Chłapowski und ihrem Sohn Rudolf Richtung Amerika aufbrach, lassen sich sogar in eine offizielle und eine inoffizielle Version kategorisieren, wobei sicherlich eine Mischung aus beiden als zutreffend konstatiert werden kann. So begründete Modrzejewska in der Öffentlichkeit ihre Ausreise in die USA mit der Faszination für das Fremde, einer gewissen romantischen Neugier auf ein abenteuerliches Leben in den USA, aber auch mit der schwierigen politischen Situation im geteilten Polen:

      Our friends used to talk about the new country, the new life, new scenery, and the possibility of settling down somewhere in the land of freedom, away from the daily vexations in which every Pole was exposed in Russian or Prussian Poland.1

      Des Weiteren ist die Rede von einer Überarbeitung der Actrice und dem hiermit einhergehenden Wunsch nach einer Erholungspause:

      […] my husband’s only desire was to take me away from my surroundings and give me perfect rest from my work. He thought, and the doctors agreed with him, that a long sea voyage might restore my health and strengthen my nerves.2

      Aus der Briefkorrespondenz der Schauspielerin lässt sich allerdings auch der langgehegte Wunsch, im Ausland in englischer Sprache zu debütieren, als ein weiterer Grund für die Emigration herauslesen. Diesen formulierte sie gegenüber ihrer Freundin Stefania Leo – allerdings erst nach ihrer Emigration – sogar sehr eindeutig: „Das war mein geheimer Plan von Anfang an.“3 Diesen Plan hielt sie zunächst geheim, was zum einen daran lag, dass sie sich eines Erfolges in Amerika nicht sicher sein konnte und Angst vor einer öffentlichen Demütigung im Fall eines Misserfolgs hatte. Zum anderen stand sie unter Vertrag mit dem Warschauer Theater, den sie aus Sicherheitsgründen nicht aufgeben wollte. So nahm sie zunächst unter der Angabe gesundheitlicher Gründe eine einjährige Spielpause, selbst noch aus den USA beteuernd, dass sie nach Warschau zurückkehren werde.4 Das Vorhaben, in den USA zu debütieren, muss dennoch recht fest gewesen sein. Hinweise hierfür finden sich noch vor der Emigration aus Polen im Briefverkehr zwischen Modrzejewskas Mann Karol Chłapowski und dem zu der Zeit in England lebenden Schriftsteller Ignacy Maciejewski. Der letztere gab Tipps, wie Modrzejewska in der US-Presse beworben werden könnte. So schrieb er den folgenden Vorschlag für den New York Herald, der – meines Wissens nach – jedoch nie erschien:

      Es ist die erste Künstlerin – nicht nur Polin, sondern Europäerin – , bei deren Betrachtung Ristori vor Neid und aus Demütigung in Ohnmacht fiel, und die berühmte Bayerin Ziegler, wild und leidenschaftlich, wie Medea ihrer unvergleichbaren Süße, ihrem Charme und ihrem Gefühlsreichtum erlag.5

      Recht bald nach ihrer Ankunft in den USA begann die Schauspielerin, ihr Debüt in die Wege zu leiten. Im August 1876, also nur einen Monat nach ihrem Aufbruch berichtete sie in einem Brief an Stanisław Witkiewicz, dass sie einen gewissen Herrn Zolnowski, den Präsidenten der amerikanischen Polnischen Dramatischen Gesellschaft in New York getroffen habe, der ihr Hoffnungen machte, auf Englisch zu spielen.6 Genaueres wird zu diesem Zeitpunkt aber nicht genannt. Im Oktober schienen die Pläne insofern konkreter zu sein, als Chłapowski in einem Brief an seine Schwester Anna anmerkt, dass sie einige Monate auf der von ihnen gepachteten Farm in Anaheim verbringen werden, wo sich Helena auf ein Debüt vorbereiten müsse.7 Im November verriet er seiner Familie dagegen, dass seine Frau schon in wenigen Wochen nach San Francisco aufzubrechen plane, um dort Englischunterricht zu nehmen und so das Debut voranzutreiben.8Auch wenn Chłapowski schon in den Januarbriefen an seine Familie euphorisch den März 1877 als einen möglichen Debuttermin benennt9, so lag zu diesem Zeitpunkt weder ein Angebot noch überhaupt ein Vorsprechtermin vor. Erst im Mai 1877 – nach mehreren frustrierenden Anläufen sowie dank der Kontakte polnischer Landsleute – durfte Modrzejewska am California Theatre vorsprechen, wo sie schließlich zu überzeugen vermochte und die Möglichkeit bekam, vor US-amerikanischem Publikum aufzutreten.10 Zuvor musste sie allerdings ihren Nachnamen ändern, weil dieser dem Manager des California Theatre John McCullough zu fremd klang und er fürchtete, damit das Publikum abzuschrecken. Modrzejewska war nicht bereit dazu, sich einen komplett neuen Nachnamen geben zu lassen, und machte den Vorschlag, diesen so zu vereinfachen, dass die polnischen Wurzeln dennoch erkennbar bleiben. In ihrer Autobiographie beschreibt sie die Situation wie folgt:

      I told him […] I might,