Marcus X. Schmid

Lago Maggiore Reiseführer Michael Müller Verlag


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daneben munter weiter. Doch 1927 war ausgezockt, und An­toi­net­te musste die Inseln ver­kau­fen. Sie zog nach Ascona und schließlich nach In­tragna, wo sie 1948 im be­gna­deten Alter von 92 Jahren als So­zial­hil­fe­emp­fän­ge­rin in ei­nem Al­ters­heim starb.

      Der Käufer und neue Besitzer der Isole di Brissago, Max Emden, hatte seine Mil­lio­nen mit Warenhäusern gemacht, war am Berli­ner KaDeWe beteiligt, an Karstadt und anderen mehr. Emden war durchaus an der Parkanlage inte­res­siert, er baute sie sogar wesent­lich aus. Ansonsten sind von ihm zwei Vorlieben bekannt, eine für Kunst und eine für schöne Mädchen. Wenn man der Malerin Marianne von Weref­kin Glauben schenken darf, so kaufte er zwar viel Kunst auf, aber ohne etwas davon zu verstehen. Und was die schö­nen Mädchen be­trifft, so vergnügte der Millionär sich an­geb­lich damit, ih­nen zuzusehen, wenn sie nackt in seinen Swimmingpool spran­gen, um nach Goldstücken zu suchen, die er zuvor hineingeworfen hatte. Schließ­lich aber ge­riet auch der fri­vole Le­bemann, der auf der Insel den noch heute ste­hen­den neo­klas­sizistischen Pa­laz­zo errichten ließ, in Not. Er war jüdischer Her­kunft, sein Vermögen in Deutsch­land wurde be­schlagnahmt. Schon hatte er be­gon­nen, seine noch recht­zei­tig in die Schweiz geschafften oder vor Ort er­worbenen Kunst­werke zu ver­kaufen, als er 1940 plötzlich starb.

      Der Erbe, Emdens einziger Sohn, hatte sich vor den Nazis nach Chile ab­ge­setzt und zeig­te keinerlei Interesse an den Inseln. Schließlich verkaufte er sie 1949 an ei­ne In­te­res­sengemeinschaft aus Kanton, Anlieger­ge­mein­den und Hei­mat­schutz­or­ga­ni­sa­ti­o­nen, die 1950 den botanischen Garten der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich mach­te und heu­te mit einem geschickten Mar­ke­ting dafür sorgt, dass die Be­su­cher nicht aus­blei­ben.

      Schon fast Italien. Die letzte Gemeinde vor der Grenze zeigt einen maleri­schen Ortskern um die mittelalterliche Pfarreikirche Santi Pietro e Paolo. In den Gär­ten blühen Zitronen und Orangen, am Berg­hang ziehen sich die Villen hoch.

      Zur Grenze hin häufen sich die Tank­stellen, das Benzin ist in Italien wesent­lich teu­rer als in der Schweiz. An der Durchgangsstraße herrscht viel Verkehr, und nicht selten kommt es zum abendlichen Pendlerstau. Über 2000 „Frontalieri“, wie die in der Schweiz arbeitenden und in Italien woh­nenden Personen genannt wer­den, befinden sich dann auf dem Heimweg.

      Davon merkt wenig, wer auf der Pro­me­nade südlich des Ortskerns spaziert. Ir­gend­wann stößt man dort auf den ruhi­gen „Dialogo“: Ein Mühlrad lässt eine metal­le­ne Kugel gemächlich hin und herrollen. Die mobile Brunnen­skulp­tur ist ein Werk des Malers und Bild­hauers Benno Schulthess, der in der Deutschschweiz und in Brissago wohnt. Weiter südlich endet der Spa­zier­gang dann etwas abrupt vor den To­ren der ehemaligen Fabbrica Tabac­chi Bris­sago, heute das Centro Danne­mann und dem Tabakim­pe­-

      rium Burger Söhne ein­ver­leibt. Hier wird die „Bris­sago“, die be­rühmte krum­me Virginia-Zigarre, her­gestellt.

      Sehenswertes

      Museo Ruggero Leoncavallo: Im Pa­laz­zo Branca-Baccalà, mit seiner Ba­rock­fas­sade das schönste Gebäude des Orts, sind drei Säle für Ruggero Leoncavallo (1857-1919) reserviert. Der in Neapel geborene Opernkomponist und Libret­tist ließ sich 1903 oberhalb der Kirche Madonna di Ponte eine Villa bauen (heute ab­ge­rissen) und wurde schon im Folgejahr Ehrenbürger von Brissago. 1916 verließ er den Ort wieder und starb 1919 in Montecatini Terme (Tos­cana). Erst 1989 ent­sprach man sei­nem Wunsch und überführte seine sterb­lichen Reste nach Brissago (→ Chiesa Ma­donna di Ponte).

      Das Museum ist eher etwas für Spe­zia­listen, ein Saal ist der Rekons­truk­tion seines Ar­beitsraums, restaurierter Flügel inklusive, gewidmet.

      ♦ Mitte März bis Okt. Mi-Sa 10-12 und 16-18 Uhr. Eintritt 5 CHF.

      Chiesa Santi Pietro e Paolo: Die Pfar­rei­kirche von Brissago stammt aus dem 16. Jahrhundert und zeigt im Inneren außer einem schmucken holz­ge­schnitz­ten Or­gelprospekt we­nig Auf­re­gen­des. Bes­ser als die Kirche selbst hat uns der schma­le Vorplatz mit sei­nen vier ein­drucks­vollen Zypressen ge­fal­len: Blick auf den See und ei­nen klei­nen Fi­s­cher­hafen. Die Stele auf dem Platz wurde 1903 zum 100-jährigen Jubi­läum des Tes­sins als vollwertiger Kan­ton der Eid­ge­nossenschaft er­richtet, eine zu­sätz­liche Ta­fel aus dem Jahr 2003 verdoppelt das Jubiläum.

      Brissago und seine Inseln

      Gleich neben der Kirche steht das Cinema Arlecchino, ein Bau aus den 1950er Jah­ren und damit modern in der unmittelbaren Umgebung. Ein „Verein der Harlekin-Freunde“ setzt sich dafür ein, dass das früher von der Kir­che be­trie­bene Kino mit sei­nen 130 Sitz­plät­zen renoviert und als Kulturzentrum er­öffnet wird.

      Unter dem kleinen Portikus gegen­über dem Eingang hat - gegen den See hin mit Ket­ten geschützt - der Opern­kom­ponist Ruggero Leoncavallo mit­samt Gattin Berthe seine letzte Ruhe gefunden (→ Museo Ruggero Le­on­cavallo). Die prunk­volle Vil­la Myriam, die er etwas oberhalb der Kirche bauen ließ, wurde 1978 ab­ge­ris­sen.

      Auswärtige begnügen sich mit einem Besuch im Dannemann-Shop (Mo-Fr 10-17 Uhr). Führungen sind nur grup­pen­weise möglich, dann wird Ihnen eine Ar­bei­te­rin demonstrieren, wie die Krum­me einst von Hand gerollt wurde. In der Haupt­sa­che aber ist das Centro Dannemann heute eine Ört­li­chkeit mit Sälen, die für Gala-Aben­de, Hochzeiten und andere private Anlässe vermietet werden. Gelegentlich fin­den im „Dan­nemann-Grotto“, das mit sei­nen 210 m2 Fläche mit einem Tessiner Grot­to recht wenig gemein hat, Ver­an­stal­tungen statt, die man hier „Events“ nennt. Aus­kunft bei der Tou­ris­tin­formation.

      Praktische Infos

      PLZ 6614

      Information Lago Maggiore Tourist Office, an der Durchgangsstraße. Viel Ma­te­rial über die Umgebung und freund­liche Aus­künfte. Mitte März bis Mai und Okt. Mo-Fr 9-12/14-18 Uhr, Juni und Sept. Mo-Fr 9-12/14-18, Sa 9-12 Uhr; Juli/Aug. Mo-Sa 9-12/14-17 Uhr; Nov. bis Mitte März Di-Do 13.30-17, Fr 9-12 Uhr. Via Leon­cavallo 25, Tel. 0848-091091, www.ascona-locarno.com.

      Hin & weg Bus, mehrmals tägl. mit FART Nr. 316 nach Ascona und Lo­car­no so­wie mit dem Lokalbus Nr. 8 über Por­to Ronco nach Ronco s/Ascona. Eben­falls mehr­mals täg­lich fährt eine italieni­sche Bus­linie über die Grenze und an der Küste ent­lang bis Pal­lanza bei Verbania.

      Schlank und krumm - die Brissago