Clara Viebig

Elisabeth Reinharz' Ehe. Es lebe die Kunst!


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Verleger lächelte. „Sie haben Courage! Sie sind wie Jakob Heider, der sagt: ‚Ich pfeife auf das Publikum, auf die Kritik, und ...’ — na, ich will Ihnen das lieber nicht sagen, es ist etwas kräftig. Ein Hauptkerl!“ Maier lachte wohlgefällig. „Steckt voller Begabung, ist aber arm wie eine Kirchenmaus; schenkt sein letztes Hemd weg, wenn ihn einer darum bittet.“

      „Der gefällt mir!“ Und dann sagte sie mit einem tiefen, wohligen Aufatmen: „Ich wusste es ja, dass mich heute ein Glück erwartete. Wann werden Sie mein Buch drucken? Bald, ich bitte Sie, bald! Ich kann es gar nicht erwarten. ‚Einfache Geschichten’ möchte ich’s nennen — ja?“

      „Ich werde Ihnen schon einen Titel finden. Übrigens“, er legte die Hand schwer auf das Manuskript, „fürs Publikum ist das nichts. Sie sind kein Geschäft. Ich verlege das Buch, weil es mich interessiert — aber was meinen Sie wohl, was ich daran verdiene?“

      Sie sah ihn erwartungsvoll an.

      „Gar nichts.“

      Das Blut schoss ihr zu Kopf; das hatte sie nicht erwartet. „Es gibt doch so viele Menschen, die mir Wohlwollen — ich habe Freunde“, sagte sie stockend.

      „Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag“, fuhr er fort, ganz geschäftsmässig, ohne ihren Einwand zu beachten.

      Sie hörte ihm mit grossen Augen, aufmerksam horchend, zu.

      Er entwickelte ihr die Verlagsbedingungen und sprach vollständig sachlich, ohne jede Spur des vorher gezeigten freundschaftlichen Wohlwollens.

      „Also ich kann Ihnen selbstverständlich kein Honorar zahlen,“ schloss er, „aber ich kontrahiere mit Ihnen auf Reingewinn: die Hälfte Ihnen, die Hälfte mir. Sind Sie einverstanden?“

      Sie nickte.

      „Gewiss, es ist mir recht so. Ich bin so sicher, wir werden eine Masse Bücher verkaufen. Oh, ich bin froh! Wenn das der Onkel noch erlebt hätte oder der Vater und meine Mutter!“

      Es stieg feucht in ihren Augen auf, aber der Mund lächelte, ihre Gestalt hob sich wie auf Sprungfedern, elastisch, von freudiger Zuversicht geschwellt.

      Diese Augen mit ihrem grossen, heiteren Blick sahen den Stern schon nah, ein herrliches Glanzgebilde, Strahlen werfend rundum. Und der Horizont war rosig in Freudengluten getaucht, ein Rosenmeer, den schönsten Morgen verheissend.

      Sie stand nicht mehr in der düsteren Stube mit den hohen Bücherregalen an den Wänden und mit dem kahlen Pult. Sie hörte nicht mehr das Klappern der Schreibmaschine nebenan und das Rücken der Kontorstühle. In ihrem Innern sang eine süsse Stimme Lieder der Verheissung, zauberische Melodien, die sich ins Ohr stehlen und das Herz wiegen, dass sein Schlag leicht wird. Die Seele bekommt Flügel, die tragen in höchste Höhen. — —

      Es klopfte. Sie schrak zusammen. Maier hatte „Herein!“ gesagt.

      „Ah!“ Der Verleger lachte. „Lupus in fabula, gerade haben wir von Ihnen gesprochen, Heider! Morgen, Erdmann, was führt Sie denn hierher?“

      Der blonde Erdmann errötete wie ein Mädchen; in seinem vertragenen Sommerrock stand er linkisch da. Ein dickes Manuskript hielt er unter den Arm gepresst; jetzt liess er’s fallen, mit einem dumpfen Knall prallte es auf die Diele, gerade vor Elisabeths Füsse. Beschriebene Blätter flogen nach allen Seiten.

      „Etwas stürmisch, wie immer!“ Maier gab sich einem Heiterkeitsausbruch hin; es schien, als sei mit den zwei jungen Leuten, die eben eingetreten waren, eine burschikose Stimmung über ihn gekommen. Man kannte den zugeknöpften Geschäftsmann kaum wieder.

      Elisabeth hatte sich gebückt, sie half die verstreuten Blätter auflesen. Nun standen sie und sahen sich an, das heisst, Erdmann wagte kein Auge aufzuschlagen, er stand wie geknickt.

      Ein schalkhaftes Lächeln huschte über Elisabeths Gesicht, das Grübchen in ihrem Kinn zeigte sich.

      Maier stellte sie einander vor. „Eine junge Kollegin,“ sagte er, „verlegt ihr erstes Buch bei mir. Kinder, ihr müsst nun ein bisschen nett gegen sie sein, verrupft sie nicht gleich zu sehr.“

      „Wenn sie was kann, braucht sie keine Bange zu haben.“ Heider zeigte blitzende weisse Zähne, das einzig Schöne in seinem bräunlichen Gesicht, wenn man nicht den Ausdruck desselben schön nennen wollte, diese offene, jungenhafte Freimütigkeit. Er fasste Elisabeths Hand mit einem kräftigen Druck und schüttelte sie.

      „Auf die Kritik pfeife ich; nur auf die, die ich selbst schreibe, nicht. Schreiben Sie was Gutes, Fräulein, sonst, wenn Sie auch noch zehnmal hübscher wären, als Sie sind, verreisse ich Sie fürchterlich!“ Er zeigte die Zähne, als wollte er beissen.

      Sie lachte ihm ins Gesicht. „Ich fürchte mich gar nicht. Hunde, die bellen, beissen nicht!“

      „Da, Sie haben ihn gleich erkannt!“ Maier schlug dem jungen Mann auf die Schulter. „Sehen Sie, Heider, Fräulein Reinharz hat’s gleich weg, wes Geistes Kind Sie sind!“ Er wandte sich an Elisabeth. „Sollte man’s glauben, dass dieser wilde Mann ein Lyriker ist, so zart und überfein empfindend wie die nervöseste Frau?“

      Heider wollte aufbrausen, seine schmalen, dunklen Augen blitzten, die rabenschwarze, aufgesträubte Mähne über der breiten Stirn schien sich noch mehr zu sträuben. „Herr Maier, den wilden Mann will ich mir meinetwegen gefallen lassen, aber Ihre Kritik meiner Lyrik ...“

      „Sei still, Kobes!“ Erdmann zupfte ihn heimlich; er sprach fast ängstlich und schien in Sorge, es mit dem Verleger zu verderben. Die Anwesenheit einer Dame war ihm auch peinlich.

      Elisabeth konnte sich eines gewissen Mitleids nicht erwehren — war der schüchtern! Und einen Teint hatte er wie Milch und Blut, zu zart für einen Mann. An den Schläfen sah man die blauen Adern, über der Nasenwurzel zog sich ein blauer Strich; der Mund war fein und keusch, als hätte nur die Mutter ihn geküsst. Der Hals war ängstlich dünn, und der ganze Mensch schien schwach, seine langgeschossenen Gliedmassen steckten schlottrig in den Kleidern. Sie sah ihn voller Teilnahme an; da traf sie sein Blick, er hatte die scheu gesenkten Lider aufgeschlagen — waren das Augen! Blaue, feuchte, grosse Augen mit einem heissen Funkeln darin. Sie war überrascht. Auf diese Augen war sie nicht vorbereitet.

      Da gefiel ihr der andere besser. Sie wusste selbst nicht warum, gleich fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Er sah so treuherzig aus und tat, als hätte er sie schon früher gekannt. Sie kamen ins Plaudern und standen abseits vom Pult.

      Erdmann hatte sein Manuskript vor sich hingelegt und schlang die Finger ineinander, dass die Gelenke knackten. Er hatte etwas auf dem Herzen und wand sich vor dem Verleger.

      „Da muss ich mal beispringen“, sagte Heider. „Gucken Sie weg, Fräulein, oder noch lieber, gehen Sie hinaus — da, vor die Tür!“ Er nahm sie ohne weiteres beim Arm und schob sie ins Nebenzimmer. „Nehmen Sie’s nicht übel, aber sonst bringt der Mensch kein Wort ’raus! — Nun red’, Erdmann!“ hörte Elisabeth ihn sagen.

      Das Murmeln des andern klang an ihr Ohr; sie stand am Fenster und trommelte auf die Scheiben. Einiges vernahm sie doch: Erdmann bot ein schon einmal zurückgewiesenes Manuskript an; er schien Geld nötig zu haben.

      Der Verleger war zäh. „Ihre Sachen gehen nicht, lieber Erdmann, Sie sind zu scharf und ärgern die Leute. Ihr letztes Buch hat mir beinahe die Polizei auf den Hals gehetzt; ich hoffte immer, sie würde es konfiszieren, da wäre noch ein Geschäft zu machen gewesen. Aber so! In den Leihbibliotheken verlangt niemand Ihre Bücher, da habe ich gar keinen Absatz. Und Bücher kaufen, wer tut das?“

      „Hol’ sie alle der Teufel,“ sprudelte Heider heraus, „die Bücher und die Käufer! Erdmann kann doch nun mal nicht anders schreiben. Den können Sie umdrehen wie einen Handschuh, rechts und links ist bei ihm egal, er bleibt der Erdmann. Und ist’s nicht gut so?“ Er erhob die Stimme, dass sie wie eine Posaune in die Nebenstube dröhnte. „Jeder soll reden, wie ihm das Maul gewachsen ist. Haben Sie das nicht selbst gesagt?“

      „Schon, schon,“ Maier räusperte sich verlegen, „vom literarischen Standpunkt aus, gewiss. Aber für mich ist es eine schwere Sache.“