selbst einem alten französischen Adelsgeschlecht und empfand daher diese schroffe Ablehnung sehr bitter.
Sie war die erste in ihrer Art. Denn bisher hatten Frauen, die Napoleon auszeichnete, keinen Augenblick gezögert, für kurze Zeit, und war es auch nur auf eine schwache Stunde, in jene Sphären emporzusteigen, die ebenso rätselhaft, geheimnisvoll wie glänzend waren.
Hier nun kam es anders, und es blieb Duroc nichts weiter übrig, als den Kaiser von seiner angebeteten Dame zu grüssen und Bonaparte seinen Korb zu bringen.
Napoleon war schon mitten in der Arbeit. Um ihn herum standen Generäle und Diplomaten, Ingenieuroffiziere und Kurriere, die jeden Augenblick mit wichtigen Meldungen nach Paris abgehen mussten.
Napoleon hatte damals den schnellsten Estaffettendienst, und seine Kurriere jagten mit einer Schnelligkeit zwischen den östlichen Reichen und Paris hin und her, die Staunen und abergläubische Verwunderung erregte.
Eine grosse Idee beschäftigte den Kaiser. Er prüfte eben die Pläne, die aus Paris eingetroffen waren. Er wollte einen Bau aufstellen, mitten in Paris, der alle Stürme der folgenden Jahrhunderte überdauern und als ein gewaltiges und trotziges Monument seiner Zeit der Nachwelt die Taten der „grande armée“ verkünden sollte.
Dieser Bau sollte die Inschrift tragen: „Den Soldaten der grossen Armee Napoleons.“ Auf einer Tafel aus weissem Marmor sollten die Namen seiner Helden aus allen Feldzügen verewigt sein. Die aber, welche auf den Schlachtfeldern gefallen waren, sollten auf einer Tafel aus Gold unsterblich werden.
Der Kaiser selber entwarf die Umrisse und die Gestalt des Baues: Einen antiken Tempel römischer Physiognomie, bekränzt von 54 umlaufenden korinthischen Säulen, darüber eine gewaltige Kuppel... An diesem Bauwerk wurde 36 Jahre gearbeitet, und längst war Napoleon nicht mehr, als es vollendet wurde. Es ist die heutige Madeleine.
Aber noch ein viel grösserer, gewaltigerer Plan beschäftigte den Kaiser, ein Gedanke, der in seiner Art einzig dastand und von ungeheurer Kühnheit, von unglaublicher Originalität war. Schon am 21. November hatte der Kaiser von Berlin aus ein Dekret erlassen, nach dem die britischen Inseln in Blockadezustand erklärt wurden. Allen Ländern, die die Hegemonie Frankreichs anerkannten, war verboten, mit England Handel zu treiben, ja sogar mit Engländern in Verkehr oder auch nur in Korrespondenz zu treten. Alles Eigentum der Engländer, alle ihre Schiffe waren vogelfrei und Prise.
Darauf hatte England vor wenigen Tagen geantwortet, indem es allen neutralen Schiffen das Anlaufen eines französischen Hafens, oder eines solchen, der unter französischem Einfluss stand, verbot.
Nun unterzeichnete Napoleon ein schon vorbereitetes Dekret, das die Konfiskation aller Waren aussprach, die in den Hansastädten mit Beschlag belegt waren.
„Ich will,“ sagte der Kaiser, „die Bahn des Handels wie die der Industrie ändern. Ich werde in Frankreich Zucker uud Indigo naturalisieren. Ich werde die Baumwolle und noch viele andere Dinge einheimisch machen, und man wird sehen, dass ich die Kolonieen überflüssig mache, wenn man hartnäckig dabei beharrt, mir einen Teil derselben zu verweigern.“
Nach dem letzten Federstrich erhob sich Napoleon und winkte Duroc.
Der Marschall erstattete Bericht. Er fürchtete einen der gewohnten Zornesausbrüche des Kaisers. Aber Napoleon hörte ihn ruhig an.
Er trat ans Fenster und blickte auf Warschau hinab.
Duroc hörte ihn murmeln: „Sie ist eine reizende Frau. Sie ist ein Engel.“
Er drehte sich zu dem Marschall um:
„Duroc, die Seele dieser Frau ist ebenso schön wie ihr Gesicht.“
Der Marschall verneigte sich. Aber er war nicht wenig verwundert, seinen Herrn so sprechen zu hören. Das war nicht die Art, wie er die Vorleserin der Kaiserin, Carlotta Gazzani, genommen, wie er sich Eleonore Dénuelle genähert hatte. Aber Napoleon hatte Recht. Maria Walewska war nicht von dem Schlage der Frauen, wie sie Murat und seine schöne Gattin Karoline dem Kaiser gelegentlich zuführten.
Da Duroc nicht nur der erste Diener des Kaisers, sondern auch sein Vertrauter und Freund war — obgleich Napoleon stets auf Formen hielt — so warf er mit einem diskreten Lächeln ein:
„Die erste Niederlage, die Ew. Majestät erleiden.“
Der Kaiser zog die Brauen hoch:
„Ich werde sie in einen Sieg verwandeln.“
Und er setzte sich hin und schrieb einen zweiten Brief:
.... „Sie haben meinen Marschall schlecht behandelt. Keiner Macht der Erde würde ich dies ungestraft hingehen lassen. Von Ihnen hat es mich nur betrübt, mir nur Schmerz bereitet. Habe ich Ihnen missfallen? Ich hatte das Recht, das Gegenteil zu erwarten. Sie haben tiefer für mich empfunden, als Sie zugestehen wollen, ich weiss es. Sollte dieses Empfinden für mich schwächer geworden sein? Das meine hat sich nur noch gesteigert. Sie rauben mir alle Ruhe! Ach, verschaffen Sie einem armen Herzen, das bereit ist, Sie anzubeten, ein wenig Freude, ein wenig Glück! Ist es denn so schwer, eine Antwort zu geben? Sie sind mir schon zwei schuldig.
Napoleon.
Der Kaiser versiegelte den Brief.
„Besorgen Sie ihn an seine Adresse, Marschall, aber hüten Sie sich, ein zweites Mal einen Korb in Empfang zu nehmen.“
Duroc liess den Brief der Gräfin zugehen, ohne ihr Gelegenheit zu geben, ihm selbst zu antworten. Aber auch dieses Schreiben des mächtigsten Mannes Europas blieb unbeantwortet.
Maria Walewska hatte es empfangen und auch gelesen. Sie hätte keine Frau sein müssen, um nicht durch diese beiden Briefe im Innersten erregt zu werden.
Der, welcher ihr in diesem Tone schrieb, regierte die halbe Welt. Er war der Sieger über die Erbfeinde ihres Vaterlandes. Er war die letzte Hoffnung des geknechteten und zerstückelten Polens.
Sie prüfte ihr Herz. Gewiss hatte sie an jenem Ballabend unter dem Zauber des Korsen gestanden. Und der Eindruck, den er als Mann und Kaiser auf sie gemacht hatte, war unverwischt geblieben.
Aber Liebe?
Nein, daran konnte ihr achtzehnjähriges Herz nicht denken. Sie war Polin. Sie hatte die schrecklichen Niederlagen ihres Landes denkend nicht miterlebt Sie war fünf Jahre alt gewesen, als Praga fiel. Doch seitdem war man nicht müde geworden, den Untergang Polens zu beklagen, und in der Umgebung ihrer Familie fielen fast täglich die Namen der Helden, die Polen hatten retten wollen und dafür in die Verbannung oder gar in Kerkerhaft wandern mussten.
Alle diese angebeteten Kinder Polens, diese Heldensöhne einer grossen Zeit, hatten sich unter die mächtigen Adler des grossen Korsen geflüchtet.
Aber ob er auch die halben Versprechungen, die er Polen gemacht, halten würde? Maria konnte noch nicht vergessen, dass Napoleon die polnische Legion nach Haiti geschickt hatte, wo sie ihre Kräfte in Kämpfen mit barbarischen Negern zersplitterte und ihr kostbares Heldenblut unsinnig vergoss.
Niemand dachte daran, wollte daran denken. Sie aber war keinen Augenblick gewillt, die Ehre des Hauses ihres Gatten preiszugeben. Doch sie fürchtete sich vor Napoleon, und so wandte sie sich in der Not ihres Herzens schliesslich an die Gräfin Potocka, die erfahrene und ältere Freundin.
„Kind!“ rief diese, „der Adler der Welt kommt zu Dir, und Du zauderst, ihn in Deine Gewalt zu bekommen, den Mächtigen zu zähmen?“
„Mein Ehrgeiz steht nicht danach,“ erwiderte Maria in ihrer reizenden Unschuld, der nie die Grösse fehlte, die der Tugend anhaftet.
Aber Frau Anna wollte solche Gründe nicht gelten lassen, auch nicht den Umstand, dass Maria den Kaiser nicht liebte.
„Ich bewundere ihn, ja. Aber Liebe?, nein, die könnte ich ihm niemals schenken.“
„Ach, mein Kind,“ entgegnete Frau Anna, „wie oft täuschen wir Frauen uns über unsere Gefühle. Aber erscheint es Dir wirklich so sehr wichtig, einen Mann zu lieben, dessen Leidenschaft für uns schon eine Schmeichelei bedeutet, die uns niemals mehr im Leben