Will Berthold

Lebensborn e.V. - Tatsachenroman


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lautlos seinen Namen. Sie lächelte. Er hatte recht gehabt. Sie mußten jetzt die Scheu abstreifen. Sie gehörten zusammen. Vor aller Welt. Für alle Zeit. Doris spürte seinen Arm auf ihren Schultern, Seine Augen brannten auf ihrem Gesicht. Sie streichelte seinen Namen, seine Haare, seine Schläfen. Sie sah ihn, wie er in die Maschine stieg, und über ihr Gesicht huschte die Angst. Und dann rollte die Me aus. Das Kabinendach wurde beiseite geschleudert, und ein schlaksiger Junge mit einem strahlenden Gesicht stieg aus. Doris wollte nach ihm greifen, wollte ihm etwas sagen . . . im nächsten Urlaub, Klaus . . . – da stand wieder der SS-Sturmbannführer Westroff-Meyer vor ihr.

      »Es ist mein Wunsch, es ist der Wunsch des ganzen Volkes, daß diese edelsten Männer, die an dem Lehrgang teilnehmen, eure Partner werden . . . ich will nicht verhehlen, daß sich der Lebensborn aus dieser Begegnung ein Kind erwartet . . .«

      Er hob sofort abwehrend die Hände.

      »Am liebsten wäre es uns, wenn ihr euch zu einer Ehe mit diesen Männern entschließen könntet. Aber . . .«, fuhr er gedehnt fort, »die Bewegung kann ihren Nachwuchs nicht mehr dem Zufall überlassen . . . deshalb müssen wir im großen, im ganz großen Stil, künftig die Elternauswahl treffen . . . auch da, wo eine Ehe unmöglich ist, die sonst den vollen Schutz des Nationalsozialismus genießt.«

      Er entlastete seine strapazierten Stimmbänder, sprach jetzt weich und gefällig:

      »Und ihr werdet sagen: und wo bleibt die Liebe? Jawohl«, gab er sich selbst die Antwort, »die Bewegung ist auch für die Liebe. Aber nur zwischen geeigneten Partnern . . . Die schmutzige, schwüle, sinnliche Erotik herkömmlicher Art . . . – das muß einmal deutlich gesagt werden – ist eine jüdische Erfindung, die wir nicht weit genug von uns weisen können. Wir wollen Sauberkeit statt Schmutz! Wir fördern Verantwortung statt Kitsch . . .! Wir erwarten keine Kinder des Zufalls, sondern Garanten des Reiches!«

      Die 14 Arbeitsmaiden des Führerinnenlehrgangs erschraken in Linie zu einem Glied. Selbst Lotte zuckte zusammen, lächelte mit fahlen Lippen. Aber dann wurden ihre Augen groß, gläubig. Ihr Gesicht rötete sich, gab die Antwort: sie war bereit. Als erste.

      Erika schüttelte ganz einfach den Kopf. Irene sah auf den Boden. Sie wollte aktive RAD-Führerin werden. Sie hatte zu tun, was man ihr befahl.

      Vor Doris drehte sich alles. Niemals, dachte sie! Das kann kein Mensch von mir verlangen, nicht einmal der Führer, der vielleicht von dieser Sache gar nichts weiß.

      Sie schwiegen. Sie schwitzten. Sie husteten. Sie wagten es nicht, einander anzusehen. Sie brauchten noch Zeit, um die ungeheuerliche Förderung zu verdauen.

      »Ich muß noch einmal sagen«, fuhr der Sturmbannführer fort, »daß alles freiwillig ist. Ihr seid bei dem Lehrgang nicht genötigt, euch zu etwas zu entschließen, zu dem ihr hinterher nicht stehen könnt . . .«

      Er suchte wieder schnell und einschüchternd ihre Augen.

      »Ihr seid als Vorkämpferinnen auserwählt. Seid stolz darauf, Vorposten für Großdeutschland zu sein! Ich weiß, die Zeit ist noch nicht reif, um euer Opfer ganz zu erfassen . . . vielleicht sind eure Eltern noch zu sehr im Gestern verwurzelt, um eure einmalige Tat zu begreifen . . . vielleicht habt ihr persönliche Gründe, sie nicht offenkundig werden zu lassen . . . Wir haben deshalb Vorkehrungen getroffen, euch unter den vollen Schutz der Bewegung zu stellen . . .«

      Wieder senkte er die Stimme. Wieder kämpfte er einen Augenblick mit der Verlegenheit. Und wieder siegte die Routine über den Anstand.

      »Es wird keine Eintragung eurer Kinder in das standesamtliche Register erfolgen . . . ihr werdet sie in einem Heim des Lebensborns zur Welt bringen, der sie dann geschlossen zu guten Deutschen, zu Nationalsozialisten erzieht . . . ihr dürft sie in den besten Händen wissen. Sie werden die Führergeneration von morgen stellen. Die Sorge um sie nimmt euch der Staat ab. Ihr werdet weder seelisch, noch wirtschaftlich durch sie belastet sein . . . und ihr sollt euch auch nicht an euren Partner gebunden fühlen . . . Wir erwarten noch viel mehr von euch: ihr sollt heiraten. Und ihr sollt dann mehrfache Mütter werden . . . aber das erste Kind für Adolf Hitler!«

      Er redete noch zehn Minuten, in einer seltsamen Mischung aus Aufruhr und Besänftigung, dem üblichen Rotwelsch der Partei. Er nützte die Verwirrung der Mädchen aus. Er peitschte sie mit Worten. Er streichelte sie mit Phrasen. Er ließ sie nicht zum Nachdenken kommen.

      Und dann rief er sie einzeln in den Nebenraum, zur endgültigen Verpflichtung für den Lebensborn. Er wollte sich jede noch einmal einzeln vornehmen.

      13 Arbeitsmaiden blieben zurück, sagten nichts, lösten sich dann allmählich in Gruppen auf, die halblaut miteinander sprachen. Am Fenster standen Doris, Lotte und Erika, die in einer Barackenstube wohnten.

      »Was sagt ihr jetzt?« fragte Erika.

      »Unmöglich!« erwiderte Doris mit steifen Lippen.

      »Ein Kind . . .«, begeisterte sich Lotte. Ihre Worte streichelten es bereits.

      »Du dumme Gans kriegst sicher Zwillinge«, versetzte Erika hart.

      Lotte überhörte es. Sie hatte ein neues Evangelium. Und sie war bereit, ihm blind zu folgen.

      »Ein Glück, zu dieser Elite zu gehören.«

      »Bestimmt«, versetzte Erika spöttisch, »je reinrassiger, desto dümmer . . . das siehst du schon im Hundezwinger.«

      Bevor sie etwas entgegnen konnte, wurde Lotte aufgerufen. Sie ging schnell, als ob sie sich verspäten könnte.

      Die zurückgebliebenen Mädchen berieten ratlos. Gefühlsmäßig waren sie fast alle gegen diese entmenschte Zumutung. Aber die Bewegung, in der sie aufgewachsen waren, hatte sie gelehrt, daß der Schnee heiß und das Feuer kalt, die Nächte hell und die Tage dunkel sind. So schwankten sie oder sie waren zu feige, zurückzutreten oder sie waren schlüssig, nein zu sagen . . . wenigstens, bis sie der Sturmbannführer noch einmal einzeln ins teuflische Gebet nahm.

      Selbst Erika entschloß sich, zur Überraschung aller, den Vertrag zu unterschreiben, ganz einfach aus Neugier, wie die Sache weiterginge, in der Gewißheit, daß sie damit fertig würde.

      Doris war als Vorletzte an der Reihe.

      »Ich trete zurück«, erklärte sie.

      »Warum?« fragte Westroff-Meyer.

      »Persönliche Gründe«, erwiderte sie, »ich bin verlobt.«

      Er nickte.

      »Sie wissen, daß der Einsatz freiwillig ist?«

      »Deswegen will ich ja nicht daran teilnehmen . . .«

      »In erster Linie handelt es sich um einen Lehrgang«, fuhr der Sturmbannführer fort, »um eine Schulung . . . das andere . . . das ist nur ein Zweck am Rande . . . Kameradin«, sagte er mit plötzlichem Du, »ich glaube, eine Schulung kann gerade dir nicht schaden!«

      Doris hob hilflos die Schultern. Westroff-Meyer machte ein paar schnelle Schritte und blieb neben ihr stehen.

      »Bist du eine Nationalsozialistin?«

      »Ja . . . das schon«, entgegnete sie zögernd.

      »Hast du Vertrauen zum Führer?«

      »Ja«, beteuerte sie schwächlich.

      »Na also«, sagte er abschließend.

      Er reichte ihr ein Formular, deutete mit dem Finger auf Punkt drei, der den freien Willen herausstellte. Er drückte ihr einen Federhalter in die Hand. Er bearbeitete sie noch fünf Minuten.

      Die unnatürlich großen Blauaugen des schönen Mädchens verdunkelten sich wie der Himmel. Der Mund lächelte nicht, sondern grübelte. Die Stirne war hoch und streng, die Stirne eines Mädchens, das eine saubere Frau werden wollte.

      Der Sturmbannführer zog alle Register. Er lockte und drohte, fluchte, polterte und streichelte. Zuletzt gab er Doris drei Minuten Bedenkzeit.

      Inzwischen ließ er die letzte RAD-Unterführerin Herta rufen. Sie unterschrieb sofort.

      »Willst