Sie vom Sport?«, rutschte es dem Staatsanwalt heraus.
»Stellen Sie das wieder zurück.« Sie wies auf die Chronik. »Onkel Ludo kriegt sonst die Krise.«
»Das ist wohl sein Allerheiligstes?« Er tat, wie geheißen.
»Ich bin Belladonna.« Sie zog Band 13 ein Stück weit heraus. Die Regalreihe klappte nach hinten und tauschte ihren Platz mit den Büchern, die sich zuvor an dieser Stelle befunden hatten. »Und Sie müssen das Richterlein sein.«
»Manchmal auch das.« Brandeisen nannte seinen Namen.
»Schnüffeln Sie ein bisschen herum?« Belladonna lächelte verführerisch und tätschelte die Wange des Staatsanwalts.
»Nichts läge mir ferner!«, stammelte er. »Das war reiner Zufall.«
»Du gefällst mir.« Sie schmiegte sich an ihn und öffnete karmesinrote Lippen, die schmachtend zu nennen exakt der Situation entsprach. »Am liebsten würde ich dich gleich hier vernaschen.«
Nachdrückliches Räuspern. Eine weitere Schönheit betrat die Bibliothek. Sie war eisblond und wirkte strenger als Belladonna, steckte sie doch in einer grauen Uniform, die an den Aufzug einer Militärjunta gemahnte. Ihre Reitstiefel waren auf Hochglanz poliert.
Brandeisen, froh über die Unterbrechung, nahm Haltung an und machte sich bekannt.
»Brunfelsia zu Fahlenstein.« Ein knappes Nicken. »Die Manieren meiner Schwester lassen vor dem Essen leider zu wünschen übrig.« Sie bedachte Belladonna mit einem strafenden Blick. »Es ist angerichtet«, fügte sie hinzu und ging voran.
Wie sich herausstellte, hatte der Freiherr insgesamt drei Nichten, Studentinnen, die vor dem Beginn des Herbstsemesters bei ihm zu Gast waren.
»Familienbande«, sagte er und hob seine Champagnerflöte. »Die jungen Damen halten mich auf Trab, sonst werde ich noch zum Einsiedler. À votre santé!«
Brandeisen und Küps prosteten allen zu. Barbiturata war die Letzte im Bunde, ein ätherisch wirkendes Wesen, dessen rote Haare in Kontrast zu den efeugrünen Schleiern ihres Wickelkleids standen.
Sie hatten im Bankettsaal Platz genommen, am Ende eines unglaublich langen Tisches. Im Kamin prasselte ein Feuer, von der Decke hing das Banner derer zu Fahlenstein: ein undefinierbares Tier, vielleicht ein Löwe oder ein Wolfshund, der seine Fänge in den Rücken eines Wildschweins schlug, nicht unähnlich der Abbildung auf dem Schellen-Ass eines Schafkopfspiels.
Der Butler schob einen Servierwagen herein. Ein buckliger Diener folgte ihm und half beim Auftragen. Als ersten Gang gab es Kürbissuppe mit Milchlammspießen.
Der Schärfegrad machte dem ausgehungerten Kommissar nichts aus. Er schaufelte Löffel für Löffel in sich hinein. Brandeisen rang um Atem, doch seit einem Mexiko-Urlaub konnte er pikanter Cuisine durchaus etwas abgewinnen.
Die drei Nichten rührten die Suppe kaum an. Sie saßen den Ermittlern gegenüber. Brunfelsia beobachtete ihre Schwestern. Barbiturata starrte ins Leere. Und Belladonna hatte merkwürdigerweise nur noch Augen für Küps, der einen höllenscharfen Spieß nach dem anderen verputzte und um Nachschlag bat.
»Eigentlich bin ich Vegetarier«, sagte der Freiherr. »Ich enthalte mich, wie man so sagt.«
»Und das Lamm?«, wunderte sich Brandeisen.
»Nun ja, Schafe sind in der Gegend recht verbreitet. Eine Art Grundnahrungsmittel.« Er warf Brunfelsia einen betretenen Blick zu und wechselte das Thema. »Kommen wir zu diesem Fall, wegen dem Sie hier sind. Was kann ich für Sie tun?«
»Keine große Sache, vielleicht klärt sich alles im Handumdrehen auf.« Brandeisen tupfte den Mund mit einer Damastserviette ab. »Es begann mit dem Überfall auf einen Fahrradkurier. Er transportierte Blutproben mehrerer Bamberger Arztpraxen. Seine Tasche wurde bei einem Zusammenstoß entwendet. Der Kurier prallte mit dem Kopf auf den Asphalt und kann sich an nichts mehr erinnern.«
»Proben, so, so.«
»Namentlich gekennzeichnet, zwei bis zehn Milliliter pro Patient. Sie sollten im Labor an der Promenade analysiert werden.«
»Kleines Blutbild, großes Blutbild, Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit«, zählte zu Fahlenstein auf.
»Kurz darauf verschwanden vier Personen, von denen sich Proben in der Tasche befunden haben. Drei junge Männer und eine junge Frau. Sie kamen nachts nicht mehr nach Hause und sind seit einer Woche vermisst.«
»Und weiter?«
»Sie haben alle die gleiche Blutgruppe, AB Rhesus negativ.«
Der Freiherr nahm einen Schluck Champagner. »Interessant. AB Rhesus negativ ist selten. Die Betreffenden besitzen kein Rhesusfaktor-D-Antigen. Es ist vor allem bei Bevölkerungsgruppen verbreitet, die in früherer Zeit isoliert waren. Im Baskenland etwa, oder in der Schweiz.«
»In Amerika und in Ostasien gibt es gar keine Rhesus negativen Ureinwohner«, ergänzte Brandeisen, der sich im Internet schlau gemacht hatte.
»Und Menschen mit diesem Blut werden immer weniger. Es wird nicht dominant vererbt.« Zu Fahlenstein glättete eine Falte im Tischtuch. »Manche Leute halten das für bedauerlich. Sie glauben, AB Rhesus negativ sei besonders rein, unverfälscht. Zu denen gehöre ich natürlich nicht.« Ein Seitenblick zu Brunfelsia, die den Dialog gespannt verfolgte.
»Aber vielleicht wurden die verschwundenen Personen von solchen Leuten entführt«, wagte sich Brandeisen weiter vor. »Von Leuten, die reines Blut schätzen.«
»Wer sollte das sein?«
»Satanisten, Anhänger eines Geheimbunds, eine Vampirsekte. Ich weiß, das klingt abwegig.«
»In der Tat!«
»Heutzutage muss man mit allem rechnen. Ich habe gehofft, ein Mann Ihres Formats wäre auch mit den okkulten Seiten seines Fachs vertraut.«
Das Lachen des Freiherrn hallte im Bankettsaal wider. »Sie haben eine blühende Phantasie, Herr Staatsanwalt. Nicht unsympathisch in diesen geistfernen Tagen.«
Küps war mit der Suppe fertig und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Sie haben nicht zu viel versprochen, Eure Exzellenz. Ich spüre schon, wie das Blut in Fluss gerät.«
Zu Fahlenstein nahm den leeren Teller mit Wohlwollen zur Kenntnis. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen.«
»Diese Chilis wirken Wunder.«
»Gäste mit gutem Appetit sind uns die liebsten«, schnurrte Belladonna.
Der Kommissar erschauderte. War das ein nackter Fuß, der da gerade unter dem Tisch seine Wade berührte und anfing, sich daran zu reiben? »Das Lamm hätte etwas Knoblauch vertragen«, meinte er, um irgendwas zu sagen.
»Die Wirkung dieser Knolle wird gemeinhin überschätzt.« Zu Fahlenstein klatschte in die Hände. Das Geschirr wurde abgetragen, der Butler schenkte roten Bordeaux ein.
Belladonna trank ihr Glas in einem Zug aus und zwinkerte Küps zu. Ihre Zehen krabbelten seinen Unterschenkel empor.
»Chilischärfe ist gut fürs Blut?«, fragte Brandeisen nachdenklich und betrachtete den Kommissar, als sei er ein Versuchskaninchen.
»Gerinnungshemmend. Keine Bröckala.« Küps wusste nicht wohin mit seinen Beinen, also ließ er sie da, wo sie waren. Eine kleine Massage konnte nicht schaden.
Der nächste Gang wurde gebracht, Bluttaube auf Habañero-Reis. Eine Spezialität des Hauses, wie der Freiherr anmerkte.
Brandeisen verneigte sich. »Merci beaucoup. Sie haben uns sehr geholfen.«
»Vampire, also ich muss schon sagen!«
»Nur eine Hypothese.«
»Bleiben Sie, so lange Sie wollen. Dann können wir die langen Winterabende dazu nutzen, uns an intellektuellen Gesprächen zu erbauen.« Zu Fahlenstein senkte seine Nase ins Glas und prüfte versonnen