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Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis


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mit Werner Winter. Obschon alle Genannten qua Ausbildung primär traditionelle Sprachwissenschaftler waren, waren sie doch vergleichsweise offen für eine Linguistik neuerer Prägung – und sogar bis zu einem gewissen Grad offen für anwendungsorientiertes Tun.

      Und bei Albert Raasch – in der Romanistik der Kieler Universität lehrend und forschend – kam diesbezüglich für die Anwendung verstärkend hinzu: Seine universitäre Tätigkeit verband er mit seiner Berufung in den Lehrkörper der Kieler Pädagogischen Hochschule. Ein neues philologisches Fach Französisch an der PH! Auch dort wurde erwartet: französische Sprachpraxis natürlich, doch auch möglichst universitätsnahes Tun, sprich französische Literatur, französische Sprachgeschichte. Jedoch begann seine erste Aktivität dort, obwohl es noch so gut wie keine Studierenden des 1. Semesters für das neugegründete Fach gab, mit einem – damals noch sehr ungewöhnlich(!) – angewandt-linguistischen Forschungsprojekt.

      Zurück zum GAL-Gründungsgeschehen 1968ff: Außer dem Vorstand wurde gleichzeitig auch ein Beirat gewählt. Dieser sollte und ist auch heute immer noch fachbezogen. Seine Funktion hat sich über Jahrzehnte bislang hervorragend bewährt: Beratung für den Vorstand sowie am Puls der Zeit bleibend für die jeweiligen Teildisziplinen / ‚Fachbereiche‘, wie sie damals genannt wurden.

      Die von den GAL-Gründern vor einem halben Jahrhundert exhaustiv repräsentierten Teildisziplinen / Sektionen erweiterten sich nach 1968 erheblich – bis hin zur Entwicklung eigenständiger Fachverbände und Studienfächer. Kaum aber verweist deren Historie auf deren Mutter, die GAL von 1968, zurück.

      1968 waren diese Sektionen noch beschränkt auf:

       Pädagogische Technologie (Dr. Reinhold Freudenstein)

       Theorie der Übersetzung (Prof. Dr. Wolfram Wilß)

       Didaktik des Fremdsprachenunterrichts (Dr. Alexander Schüßler)

       Erforschung der deutschen Gegenwartssprache (Gerhard Kaufmann)

       Psycholinguistik (Prof. Dr. Carl-Friedrich Graumann)

       Linguistik (Prof. Dr. Broder Carstensen)

       Sprachtests (Robert Nowacek)

       Maschinelle Sprachanalyse (Prof. Dr. Hans Eggers).

      Ein u.E. guter Anfang, der denn auch eine sofortige politische Anerkennung und wissenschaftlich internationale Würdigung erfahren sollte.

      So fand bereits die Arbeitstagung (noch nicht Jahreskongress genannt) und 1. Ordentliche Mitgliederversammlung – vom 28.-30. November 1969 an der Universität Stuttgart unter der Schirmherrschaft und mit Begrüßung durch den damaligen Kultusminister Baden-Württemberg, Prof. Dr. Wilhelm Hahn, und Empfang seitens des Oberbürgermeisters der Stadt Stuttgart, Dr. Johannes Klett, sowie einem Hauptvortrag von Prof. Dr. Robert Lado (Georgetown University / Washington D.C.) als Festredner zum Thema Language, Thought, and Meaning in Language Teaching sowie mit Sektionsbeiträgen von u.a. Sir James Pitman (K.B.E., London), Prof. Dr. Peter Strevens (University of Essex, Colchester), Dr. David Crystal (University of Reading), Prof. Dr. Bertil Malmberg (Universität Lund) statt.

      So auch die Arbeitstagung und 2. Ordentliche Mitgliederversammlung vom 9./10. Oktober 1970, die ebenfalls an der Universität Stuttgart abgehalten wurde. Für sie hatte die damalige Staatssekretärin Dr. Hildegard Hamm-Brücher die Schirmherrschaft übernommen. Die Association Internationale de Linguistique Appliquée (AILA) (s.u.) ließ ihre Wünsche durch ihren damaligen Generalsekretär Prof. Dr. Max Gorosch förmlich übermitteln. Prof. Dr. S. Pit Corder (University of Edinburgh und Präsident der British Association of Applied Linguistics (BAAL)) hielt den Plenarvortrag zum damals noch sehr neuen Feld Fehleranalyse. Und auch die Programme der Sektionen erfreuten sich bereits erheblicher internationaler Beteiligung, so. u.a. durch Referenten aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Ungarn – und natürlich war auch unser Jubilar Albert Raasch aktiv vertreten, so u.a. in einem von C. Graumann geleiteten Rundgespräch zu Sprachpsychologischen Problemen in der Curriculum-Forschung.

      Indes, für eine auf alle einzelnen, damals mit Albert Raasch gegründeten Sektionen und deren damaliger Legitimation eingehende Erörterung zu ihrem Für und Wider ist diese Stelle wohl nicht der geeignete Ort. Manche Sektionen benannten sich um, manche kamen neu hinzu, ja sind inzwischen eigene neue Fächer geworden. Daher sei hier nur aus den ersten Arbeitstagungen 1969ff sowie Gesprächen des Verfassers mit den ersten Akteuren sowie den ersten Tagungsprogrammen und -protokollen stichwortartig festgehalten:

       Bereits 1970 weitete sich Pädagogische Technologie vorausschauend zu Technologie und Medienverbund, die Sektion Theorie der Übersetzung entwickelte sich umgehend über die Theorie(n) hinaus und nannte sich umfassender Übersetzungswissenschaft. Die Sektion Erforschung der deutschen Gegenwartssprache verstand sich nun bereits als deutlich breiter aufgestellt und wurde in der 2. Ordentlichen Mitgliederversammlung fusioniert mit der Sektion Linguistik und firmierte mithin nun unter dem Titel Beschreibung der Gegenwartssprachen / Linguistik und nahm bereits regionale und soziale Varietäten mit deren Einflüssen auf den Sprachunterricht in den Blick.

       Neu konstituierten sich bereits 1970 die Sektionen Phonetik sowie Sprachheilkunde zu denen zwei Jahre später die Neugründungen Kontrastive Linguistik und Fehleranalyse und Stilforschung und Rhetorik kamen, und die Sektion Psycholinguistik wurde zu der Sektion Soziolinguistik / Psycholinguistik erweitert.

      Ein genauerer Blick ist u.E. indes angebracht zur Gründung der damaligen Sektion Linguistik. Die Frage aus gegenwärtiger Sicht ist dabei die folgende: Sahen Albert Raasch und seine GAL-Mitbegründer Linguistik als „Sektion“ der – jedenfalls für Deutschland von ihnen gegründeten – ,Angewandten‘ Linguistik an? Diese Frage wäre im Jahre 1968 womöglich – trotz zeitbedingt wohl unabweisbarer aktueller Trends zum Nachholen in der sprachwissenschaftlichen Theorien- und Methodenbildung – doch wohl eher mit einem deutlichen Nein zu beantworten gewesen. Die frühen „Angewandten“ waren sich u.E. sehr wohl des Umstandes bewusst, dass es ohne eine aktuell begründete, theoretisch-linguistische Komponente auch keine verantwortbaren Anwendungen geben könne.

      Und angesichts der erstaunlichen Zahl von 700 Teilnehmern, die den 2. Jahreskongress der GAL besuchten, ergibt sich die Frage: Weshalb solch ein – in heutiger Terminologie – Hype?

      2 Das Fundament von Albert Raasch als Gründer: über zwei Jahrtausende

      Man kann nicht umhin, für eine (vielleicht die) Antwort hierauf auf die oben zitierte Aussage von Albert Raasch vom GAL-Kongressbericht 1970 zu rekurrieren: Rückstand aufholen! Diese seine Diagnose der Zeit um 1970 war in zweifacher Weise berechtigt.

      2.1 GAL – AILA

      Albert Raasch ging es wohl um die Angewandte Linguistik. Gerade auch er wusste qua seines Lebenslaufs jedoch, dass Anwendung ohne Theorie ein Salto Mortale sein würde. So empfanden dies – vor Deutschland – zu Beginn der 1960er Jahre bereits andere Europäer. Ergo: Im Jahre 1964 wurde in Nancy (Frankreich) eine Organisation namens Association Internationale de Linguistique Appliquée (AILA) gegründet. Weltumfassend wollte sie sein und ist es ja denn auch geradezu exorbitant schnell geworden. Vorbereitet worden war sie von Antoine Culioli und Guy Capelle, also von romanistischen Kollegen unseres Jubilars. Ziel dieser Weltorganisation war und ist es, die wissenschaftliche Öffentlichkeit für die Angewandte Linguistik zu sensibilisieren und diese zu fördern. Dies geschah mit großartigem Erfolg: Bereits 1969 – mithin erst wenige Monate nach der Gründung der GAL – umfasste diese internationale Dachorganisation AILA bereits 28 Mitglieder, d.h. nationale Tochterorganisationen (sogenannte national affiliates) als jeweilige Repräsentantinnen ihres jeweiligen Landes / Staates.

      Nun, wie oben qua Albert Raasch angedeutet: Fraglos hatte Deutschland einen Nachholbedarf in Angewandter Linguistik. Diesen aber weitgehend eben nur wegen eines gleichermaßen dringlichen Desiderates in dem Feld, das