2019 (Ministerium für Bildung und Kultur Saarland / Universität des Saarlandes 2019, als Fortsetzung des Sprachenkonzepts 2011, vgl. Polzin-Haumann & Reissner 2012: 133f.) und die Frankreichstrategie der saarländischen Landesregierung (Staatskanzlei Saarland 20141; vgl. Polzin-Haumann 2017) zu nennen. Die Frankreichstrategie ist ausdrücklich nicht allein auf sprachliche Kompetenzen angelegt, sondern setzt diese in einen größeren Kontext:
Frankreich-Kompetenz beinhaltet nicht nur entsprechende Sprachkompetenzen, sondern auch die Vertiefung weiterer Kompetenzfelder, wie Fachkompetenz, Regionalkompetenz und interkulturelle Kompetenz. (Staatskanzlei Saarland 2014: 21; vgl. auch 17)
Anders als der Titel suggerieren mag, ist die Frankreichstrategie eine Mehrsprachigkeitsstrategie; angestrebt wird die Entwicklung zu einem „[…] leistungsfähigen mehrsprachigen Raum deutsch-französischer Prägung […]“ (Staatskanzlei Saarland 2014: 21). Konkretere Aussagen darüber, wie die angestrebte Mehrsprachigkeit im Einzelnen erreicht werden soll, enthält das Eckpunktepapier allerdings nicht; vielmehr wird auf das Sprachenkonzept des Saarlandes verwiesen, das seit 2019 in aktualisierter und ergänzter Version vorliegt (Ministerium für Bildung und Kultur Saarland / Universität des Saarlandes 2019). Der Jubilar hat nicht nur in zahlreichen Beiträgen (zuletzt Raasch 2017), sondern auch in seinem langjährigen Engagement im Sprachenrat Saar, dessen Ehrenmitglied er heute ist (http://neue.sprachenrat-saar.de/; 07.05.2020), diese Vision der Gestaltung eines mehrsprachigen Raums, deren Kern eine besonders ausgeprägte Kompetenz der jeweiligen Nachbarsprache bildet, kritisch begleitet (Raasch 2003, Raasch & Wessela 2008).
In diesem Sinne soll auf der anderen Seite der Grenze die Stratégie Allemagne, die von der Académie de Nancy-Metz für die Stellung des Deutschen im französischen Schulwesen entwickelt wurde (vgl. Maccarini 2017), das Erlernen der Nachbarsprache in der Region Lothringen fördern.2 Ein weiteres wichtiges politisches Dokument ist das Rahmenabkommen Pour une vision stratégique commune du développement des politiques éducatives en faveur du plurilinguisme et du transfrontalier, das im Juli 2019 zwischen der Académie de Nancy-Metz, der Université de Lorraine und den Departements der Région Grand Est unterzeichnet wurde (Dossier de Presse 2019). „Mener un travail spécifique en direction de la voie professionnelle“ ist eine der fünf Achsen dieses Abkommens. Bereits dieser kurze Überblick zeigt, dass die Bedeutung des Sprachenlernens und -lehrens in der grenzüberschreitenden Berufsbildung als Teil einer Nachbarsprachenpolitik durchaus erkannt wurde.
Die grenzüberschreitende Berufsausbildung ist damit gleich mehrfach politisch gerahmt: auf europäischer Ebene durch die EU-Kohäsionspolitik seit den 2000er Jahren, auf nationaler deutsch-französischer Ebene durch den Aachener Vertrag und auf regionaler Ebene schließlich durch die oben kurz skizzierte Sprachenpolitik zu beiden Seiten der Grenze.
4 Und in der Praxis?
Aus den vorangehenden Ausführungen geht klar hervor, dass grenzüberschreitende Berufsbildungsprogramme und die damit verbundene Mobilität sprachliche und interkulturelle Kompetenzen erfordern. Hier besteht allerdings noch immer ein Desiderat. Zwar ist, wie einleitend erwähnt, mindestens seit Beginn der 2000er Jahre in ganz Europa und insbesondere in der Großregion (Kap. 2) die grenzüberschreitende Ausbildung zu einem immer wichtigeren Thema geworden, jedoch wurden die damit verbundenen Fragen des Sprachenlehrens und -lernens, ebenso wie das Thema der interkulturellen Kompetenz, nicht im nötigen Umfang und vor allem nicht parallel zu den politisch-administrativ-ökonomischen Überlegungen entwickelt. Liegen zum Sprachenlehren und -lernen in Grenzregionen noch Arbeiten insbesondere im Hinblick auf die Lehrerbildung (z.B. Putsche 2013 & 2016, Putsche & Faucompré 2016 & 2017; Polzin-Haumann, Putsche & Reissner 2019) oder Einstellungen und Werturteile von Lernenden (Schwender 2018) vor, so fehlt es an spezifischen Konzepten und auch Materialien zum Lehren und Lernen der Nachbarsprache im Kontext grenzüberschreitender Ausbildung.
Im Rahmen mehrerer Programme und Projekte wird versucht, diese Lücke zu füllen. Ein Beispiel ist das vom Goethe-Institut Strasbourg / Nancy ins Leben gerufene Projekt Grenzgänger, das didaktisches Material im Bereich der deutsch-französischen Ausbildungs- und Berufsmobilität von Jugendlichen sowie Seminare und Trainings anbietet (vgl. Goethe-Institut 2020). Weiterhin soll in einem Projekt, das von 2020 bis 2023 vom Centre européen pour les langues vivantes (CELV) des Europarates gefördert wird1, Fachwissen – auch das aus dem Projekt Grenzgänger – aus der Großregion und weiteren Grenzregionen gebündelt werden, um Richtlinien und Trainingsmodule für mehrsprachiges und interkulturelles Lehren und Lernen in Grenzregionen zu entwickeln und erproben. Den Erfahrungen aus dem saarländisch-lothringischen Grenzraum könnte hier Modellcharakter zukommen. Sicher wird dabei das von Raasch entwickelte fünfstufige Modell zur Grenzkompetenz in (deutsch-französischen) Grenzregionen (vgl. Raasch 2005 & 2008) eine Rolle spielen.
5 Schlussbemerkungen und Ausblick
Die grenzüberschreitende Berufsausbildung ist ein wichtiges Instrument in einem zusammenwachsenden Europa. Gerade an den Binnengrenzen ist Europa alltäglich erfahrbar; an den Nahtstellen zwischen den Mitgliedsstaaten werden Herausforderungen oft als erstes wahrgenommen, und konkrete Lösungen können entwickelt werden. Grenzregionen bieten Chancen: Mobilität und Mehrsprachigkeit können unter authentischen Bedingungen experimentell entwickelt werden. Schnell entstehen ein geteilter Erfahrungsraum und erste Vernetzungen. Und auf der Grundlage gemeinsamer Praktiken können dann gemeinsame Strukturen entwickelt werden, mit denen die Partner noch enger zusammenwachsen können.
Zwar konnten in dem vorliegenden Beitrag viele Aspekte nur angerissen werden, gleichwohl ist deutlich geworden, dass in der grenzüberschreitenden Berufsausbildung bereits viel erreicht werden konnte: Es gibt einen tragfähigen politischen Rahmen und eine Vielzahl an Strukturen, Programmen und Akteuren, die sich einbringen, sowohl im Saarland als auch in Lothringen oder interregional. Damit kann die grenzüberschreitende Berufsausbildung als eine mögliche Lösung für wichtige zukünftige Herausforderungen gerade in den hier betrachteten Nachbarregionen (z.B. Alterung, Arbeitskräftemangel und Digitalisierung) angesehen werden. Dies kann allerdings nur dann der Fall sein, wenn die damit verbundenen Fragen des Sprachenlehrens und -lernens angemessen gelöst werden. Hierfür sind weitere Anstrengungen nötig. Ebenso wichtig ist, dass die zahlreichen Aktivitäten und Programme aufeinander abgestimmt sind und die Kommunikation zwischen den Akteuren (auf den unterschiedlichen Ebenen, d.h. Schulen, Unternehmen, Verbände etc., aber auch dies- und jenseits der Grenze) gut funktioniert. Auch in dieser Hinsicht besteht durchaus Verbesserungspotential.
Für beide Aspekte kann die Universität der Großregion (UniGR) wertvolle Impulse geben, etwa die interdisziplinäre Arbeitsgruppe Cross-border Labour and Education des UniGR-Center for Border Studies1, und zwar nicht nur mit Forschungsbeiträgen in den verschiedenen an der Arbeitsgruppe beteiligten Disziplinen. In Veranstaltungen wie Formation professionnelle en transfrontalier: État des lieux, défis, perspectives / Grenzüberschreitende Berufsausbildung: Bestandsaufnahme, Herausforderungen, Perspektiven (Dezember 2015) oder 2nd Forum of the Greater Region (Uni-GR CBS): Realities and visions of cross-border mobilitiy in education (November 2018) beispielsweise wurden verschiedene Akteure – auch grenzüberschreitend – zusammengebracht, um Bilanz zu ziehen, sich über gute Praxis, Grenzen und Hindernisse der grenzüberschreitenden Berufsausbildung auszutauschen und gemeinsam Desiderata zu formulieren (weitere Informationen auf der Homepage2).
Auch, wenn seit der Rahmenvereinbarung über die grenzüberschreitende Berufsausbildung in der Großregion (2014) das Angebot beträchtlich erweitert wurde (Kap. 2), bestehen noch immer Hindernisse, etwa im Hinblick auf nationale Unterschiede in den Ausbildungssystemen und die Anerkennung von Abschlüssen. Ebenso spielen z.B. das Prestige einer Berufsausbildung (im Unterschied zu einem Universitäts- oder Fachhochschulstudium) in den verschiedenen Ländern, die Traditionen des Sprachenlehrens und -lernens sowie die Einstellungen der Beteiligten (nicht nur zu sprachlichen Fragen) eine nicht zu unterschätzende Rolle, um nur wenige Beispiele zu nennen.
Einige Weichenstellungen wurden unternommen, um den (sprachen)politischen Zielen näher zu kommen; es gibt aber auch ungelöste oder besser lösbare Fragen. Dass diese existieren, ist angesichts der