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Die Menschen verstehen: Grenzüberschreitende Kommunikation in Theorie und Praxis


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Jahr genau 50-jährigem Gründungsjubiläum. Indes: war deren Gründung – mit Raasch als einem der amtsgerichtlich in Kiel eingetragenen Gründungsväter – so total neu?

      Was war da wissenschaftshistorisch geschehen, das nach über mehr als zwei Jahrtausenden von Reflektion über Sprache Anwendungen dieses ‚Studiums‘ geradezu als einen Hype erzeugt haben mag – nun subsumiert unter der Bezeichnung Angewandte Linguistik (Kap. 2)? Und damit sind wir auch schon beim Erzeuger: Albert Raasch. Wir konzedieren heute: weitere Co-Väter kommen in Betracht, denen indes Albert Raasch verbunden war, ist und bleibt. Sie weisen uns noch heute – von ihm aktualisierte – Wege (Kap. 3).

      Die Quellenlage für die Gründungsphase der GAL und mithin auch für deren Anteil von Albert Raasch als Mitbegründer ist u.E. nicht übermäßig ergiebig. Auch die Websites der diversen nationalen angewandt-linguistischen Gesellschaften konzentrieren sich – verständlicherweise – eher auf gegenwärtige Aktivitäten und Zukunftsprojektionen, weniger auf die früheste eigene Historie. Für diese erste Phase sind da frühe Protokolle, maschinenschriftlich nur, allenfalls noch als limitierte Xerox-Kopien; da sind die frühesten damaligen Co-Akteure als Zeitzeugen – insoweit sie noch unter uns weilen; da sind allenfalls noch Zeitzeugen aus der damals ‚zweiten Reihe‘, mithin damalige frühere jüngere Mitarbeiter der ersten Akteure, die in das Gründungsgeschehen eingebunden waren – wie auch der Verfasser als mit Albert Raasch für die GAL-Gründung in Kiel gerichtlich Eingetragener.

      Erst ab dem Kongressbericht der 2. Jahrestagung der Gesellschaft für Angewandte Linguistik GAL e.V. (Julius Groos Verlag, Heidelberg 1971) liegen nachvollziehbar erste Print-Veröffentlichungen vor, mithin erstmals für den Kongress vom 9.-10. Oktober 1970 in Stuttgart – als Sonderband der Zeitschrift IRAL (= International Review of Applied Linguistics) – wie auch die Kongressberichte folgender Jahre in gleicher IRAL-Sonderband-Reihe. Dieser erste Kongressbericht war – wie auch ihm folgende Kongressberichte der nächsten Jahre – sehr selektiv: Für 1970 nahm er (Kurz-)Fassungen von nur 38 von 100 Präsentationen auf.

      Für die vorliegende Würdigung indes bedeutsam: Im Vorwort schreiben die beiden Vorsitzenden, also auch unser Jubilar Albert Raasch, richtungweisend:

      Die ausgewählten Beiträge sollen aufmerksam machen auf die intensiven Bestrebungen deutscher Kollegen in Theorie und Praxis, den Rückstand auf dem Gebiete der Angewandten Linguistik gegenüber einem großen Teil des Auslandes [Kursivierung durch den Verfassser] abzubauen. [Vorwort, S. 4].

      1.2 Erste Akteure und Aktionen

      Da versammelten sich nach einem am 15. Juni 1968 in Hannover stattgefundenen, vorbereitenden Gespräch am 2. November 1968 mit unserem Jubilar Albert Raasch 18 „Gleichgesinnte“, als welche man sie heute bezeichnen würde, im Leo-Raeppel-Saal des Internationalen Hauses Sonnenberg bei St. Andreasberg / Harz zwecks Gründung einer deutschen Gesellschaft für Angewandte Linguistik (GAL e.V.). Damals Namen, von denen manche noch nicht fachbekannt waren, manche es aber qua Entwicklung der Angewandten Linguistik zu weltweit anerkannter Reputation bringen sollten. So 1968 mit Albert Raasch, Dr. Korbinian Braun (München), Prof. Dr. Broder Carstensen (Anglistischer Linguist, Universität Hamburg), Dr. Ulrich Engel (Mannheim – Institut für Deutsche Sprache, IDS), Dr. Hubert Flitner (Hannover), Dr. Reinhold Freudenstein (Marburg; Vorreiter des sprachlabor-unterstützten Fremdsprachenlernens), Gerhard Kaufmann (München), Dr. Rolf-Dietrich Keil (Euskirchen), Helmut Keiner (Berenbostel), Dr. Gerhard Müller (Berlin), Dietrich Nehls (Wiss. Mitarbeiter Anglistik, Universität Kiel; fertigte das Protokoll eben dieser Sitzung, unterzeichnet von den drei in eben dieser Sitzung bereits als GAL-Vorstand Gewählten), Prof. Dr. Gerhard Nickel (Englische Sprachwissenschaft, Universität Kiel), Norbert Nowacek (Kaufbeuren), Hans-Eberhard Piepho (Schulrektor Hannover, später Professor für Didaktik des Englischen, Universität Gießen), Elfriede Roeske (Göttingen; später langjährige Vorsitzende des GAL-Nominierungsausschusses), Josef Rohrer (Euskirchen), Dr. Alexander Schüssler (Gießen), Artur Weber (Heidelberg), Prof. Dr. Wolfram Wilß (Leiter des Institutes für Übersetzen und Dolmetschen der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.)

      Und nicht unwichtig für das Gedeihen der jungen Gesellschaft: Grüße / Wünsche hatten entsandt, da zwar bei der o.a. Vorbesprechung in Hannover auf nationaler Ebene nicht zugegen und vor allem nicht beschränkt auf ‚Fremdsprachen für deutsch-sprechende Muttersprachler‘, sondern fachlich weiträumig ausgreifend: Hans Eggers, Hans-Wilhelm Klein und Hugo Steger.

      Indes war für die risikoreiche Zukunft der GAL die Begrüßung internationaler Gäste ungemein bedeutsamer, so Prof. Dr. S. Pit Corder (Edinburgh), Prof. Max Gorosch (Stockholm), Sven Nord (vom Europarat Straßburg), und gerade für den Jubilar dieser Festschrift als angewandter Kollege besonders bedeutsam: Prof. Bernard Pottier (Paris).

      Ein Vorstand musste her, um handlungsfähig zu werden. Also wurden gewählt: als 1. Vorsitzender Gerhard Nickel (Anglist Kiel), als 2. Vorsitzender Albert Raasch (Romanist Kiel) und als Schatzmeister Hans-Eberhard Piepho (Hannover, schulpraktische Welt).

      Zwei Fragen bleiben aus heutiger Sicht:

      1 weshalb diese Reihenfolge und

      2 weshalb beide Vorsitzenden aus Kiel – waren doch alle Landesteile der damaligen Bundesrepublik Deutschland in der Versammlung vertreten?

      Zu (a): Im Jahre 1968, d.h. wenig länger als 20 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, während dessen – sowie zudem noch zwölf Jahre vorher – Deutschland – und mithin auch dessen Wissenschaft – von den einschlägigen Entwicklungen auf Weltebene weitgehend abgeschottet war. Nach 1945 fand dann eine allmähliche Öffnung des damaligen Westdeutschland – besonders hin zu den angelsächsischen Ländern, besonders eben zu den Vereinigten Staaten als den Befreiern von der Diktatur – statt, und dies auf allen (nicht) nur sprachlichen Ebenen – vom Unterrock, der zum Petticoat wurde, bis zur Absorbierung (und bald auch Weiterentwicklung) neuerer (sprach)wissenschaftlicher Theorien- und Methodeninstrumentarien vorwiegend angelsächsischer Provenienz.

      Dies mag eine Rolle gespielt haben für die im Jahre 1968 gewählte Stufung (Anglist Nr. 1: Nickel; Romanist als Nr. 2: Raasch). Indes: Aus der frühesten Aufzeichnung dieser ersten Versammlung von 1968 geht zweifelsfrei hervor, dass nach diesbezüglicher Diskussion die Reihenfolge 1. versus 2. Vorsitzender keine Abstufung bedeute (à la 2. Vorsitzender = Führung der Geschäftsstelle), sondern dass der 2. Vorsitzende stets die Funktion des 1. Vorsitzenden ausüben könne. Und eben dies hat die GAL bei etlichen späteren Mitgliederversammlungen qua gelegentlichen Ausfalls des 1. Vorsitzenden für die Versammlungsleitung auch so erlebt. Dies mag einer der Gründe sein, die Albert Raasch dazu bewegten, diese Vorstandsfunktion zusammen mit seinem ersten Co-Vorsitzenden sowie eben auch mit folgenden GAL-Co-Vorständen länger ausgeübt zu haben als u.W. irgendein anderes Vorstandmitglied jemals.

      Zu (b): Beide Vorsitzenden von der Christian-Albrechts-Universität KIEL! Auch dies erklärt nur ein kurzer Rückblick – hier nicht auf die übergreifende politische Lage 1968, sondern beschränkt auf unsere sprachwissenschaftliche Historie, wie sie damals bestand.

      Für die meisten Universitäten galt: Die Beschäftigung mit dem Prüfungsgeschehen im Teil-Prüfungsfach Sprachwissenschaft in den Einzelphilologien konzentrierte sich auf die Mediävistik, mithin außer Literatur auf die Herleitung der betreffenden heutigen Sprache aus deren Vorgängerstadien, also dem Altfranzösischen, dem Althochdeutschen und dem Altenglischen über das Mittelalter bis heute – und dies oft fast ausschließlich bezogen auf die Lautentwicklung; kaum Syntax, geschweige denn Semantik. Genauer: isolativ und nicht qua System und übergreifender Struktur, um ein einzelnes Phänomen qua seines Stellenwertes (valeur) einordnen zu können.

      Dagegen agierte damals bald die Universität Kiel: Sie wagte es, vergleichsweise junge Professoren auf Lehrstühle zu berufen (damals noch Ordinarien genannt), von denen bekannt war, dass sie sich neueren und bislang eben noch wenig bekannten, geschweige denn vorherrschenden Strömungen der Sprachwissenschaft öffneten. In Kiel waren sich da offenbar mehrere Philologien einig (mit Ausnahme vermutlich der damaligen Nordistik). Somit kamen an EINEM Ort zusammen: