Max Weber

Gesammelte Beiträge von Max Weber


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in bezug auf die industrielle Sklavenarbeit, noch nicht konsequent genug (insofern der Begriff der Sklaven-»Fabrik« festgehalten wird), andererseits aber auch zu weitgehend, indem, jetzt namentlich im Anschluß an Francottes Buch, die Rückwirkung der Sklaverei auf die Lage der freien Arbeit zuweilen bedeutend unterschätzt wird. Dem oben schon darüber Gesagten sei daher noch einiges hinzugefügt: – Der sichtlich anschwellende Sklavenbesitz hat auch in Althellas nicht in solchem Maße, wie ich es früher annahm, durch Selbstherstellung des Bedarfs die geldwirtschaftliche Bedarfsdeckung des »Oikos« und damit die Kaufkraft des Markts geschwächt. Aber gefehlt hat diese Wirkung keineswegs, und sie war von erheblicher Bedeutung: 1. Es wird von Perikles erzählt, daß er (aus politischen Gründen) sich tunlichst »aushäusig«, also durch Kauf bzw. Beschäftigung freier Handwerker, versorgte: ein deutlicher Hinweis auf die verdiensteinschränkende Wirkung der seigneurialen Haussklaverei, welche, je größer der Sklavenbesitz eines Haushalts war, eine desto größere Anzahl spezialisierter Funktionäre im Hause züchtete und, in wenigstens annähernd entsprechendem Maße, freies »Lohnwerk« ausschaltete. 2. Kleidung und, in der Stadt, Speise des Sklaven wird im Altertum allerdings in erheblichem Umfang gekauft (wie s.Z. in den Südstaaten von Nordamerika). Allein die Konkurrenz der Sklaven, welche ihrerseits naturgemäß in der Lebenshaltung auf das Allernotwendigste beschränkt blieben, mußte auf die Lebenshaltung und Kaufkraft der besitzlosen Arbeiter überhaupt und damit auf die Entwicklung des Gütermarktes wirken. Wie prekär die Nachfrage nach Industrieprodukten bei dem Bedürfnisstand der Massen im Altertum sein mußte, läßt sich wohl u.a. aus der Notiz schließen, daß die Athener bundesgenössischen Städten infolge einer Mißernte im Pontosgebiet den Tribut stunden mußten: so sehr hing alles an den jeweiligen Preisen allein des Brotes. Die große Bauinschrift des Erechtheion ergibt für die gemieteten freien Arbeiter und für die Sklaven den gleichen Satz von 1 Drachme pro Tag, im 4. Jahrh. kommen sogar Lohnsätze (für gelernte Arbeiter allerdings) bis zu 2 Drachmen pro Tag vor, während in Eleusis (4. Jahrh.) die von dem Tempel an seine eigenen Sklaven für Nahrung berechneten Gelder nur 3 Obolen betrugen, in Delphoi 338 dem Unternehmer ebenfalls 3 Obolen σιτήριον berechnet werden, endlich für Delos, noch später, die Selbstkosten der Nahrung nur 2 Obolen betragen. Allein es ist zu bedenken, daß es in Athen die Demokratie ist, welche im 5. Jahrh. jene anständigen Löhne bei öffentlichen Arbeiten zahlen läßt, – Löhne, die dem Besitzer der Sklaven, der sie für den Bau hergab, freilich einen erheblichen Gewinn abwerfen konnten, sei es, daß er ἀποφορά von ihnen bezog, sei es daß er sie gegen Lohn vermietete, – für die freien Arbeiter aber, falls sie Familien gehabt hätten, trotz allem vielleicht nur eben ausgereicht hätten. Auch beweisen jene Zahlen schon an sich durchaus nicht (nähere Ausführung ist hier unmöglich), daß die Konkurrenz der Sklavenarbeit – soweit sie stattfand – nichtdrückend gewesen sei, wie Francotte glaubt. Die Beschränkung der Löhne (nichtländlicher!) freier Arbeiter auf die bloße Gewährung des einfachen physischen Unterhalts (in anderen Fällen: der Nahrung) in Naturalien, wie sie, nach ägyptisch-orientalischer Art, auch in Griechenland (so 282 – also in einer Zeit wesentlich entwickelterer Geldwirtschaft – in Delos) vorkommt, illustriert die Tendenz zur Beschränkung der Lohnsätze auf das »Existenzminimum«, soweit nicht Elitearbeit, starker akuter Arbeitsbedarf (speziell Qualitätsarbeitsbedarf, wie z.B. wohl bei jenen gelernten Arbeitern, die 2 Drachmen erhalten fast zur gleichen Zeit, wo ungelernte nur in natura sustentiert wurden) oder politische Gründe einwirkten. Die soziale Deklassierung der freien Arbeit durch das Zusammenarbeiten der Sklaven mit den Freien – beim Erechtheion sind promiscue Bürger, Metöken und Sklaven Mitglieder und Leiter der Akkordgruppen – konnte keinesfalls ausbleiben. Und die Entgegnung des Aristarchos in den Memorabilien auf die Bemerkung des Sokrates über den Wohlstand athenischer Bürger: daß sie von diesem ihrem Geldverdienst Barbaren kauften und arbeiten ließen, bleibt in ihrer Bedeutung voll bestehen. – Sowohl die Haussklaven wie die Arbeitssklaven schränkten also den Erwerbsspielraum für die freie Arbeit ein. Daß, angesichts der engen Bürgerrechtspolitik und der in der ganzen alten Welt wiederkehrenden Bestrebungen zur Monopolisierung von »Unternehmer«-Profitchancen zugunsten der Bürgerschaft, in der ganzen klassischen Zeit von keinem Versuch etwas bekannt ist, eine Beschränkung der Vergebung öffentlicher Arbeiten an einheimische Handwerker zu erzwingen, – während die Zeit der Tyrannis und der Gesetzgeber (s.o.) Sklavenbeschrän kungen kannte –, diese Tatsache allein schon zeigt die Ohnmacht, in welcher sich damals bereits die auf ihrer Hände Arbeit angewiesenen Freien, und doch wohl zweifellos infolge der Expansion der Sklaverei, befanden. Außerdem freilich zeigt sie auch die Unmöglichkeit einer solchen Beschränkung infolge des Fehlens einer hinlänglich zahlreichen freien »Arbeiterschaft« im heutigen Sinn. Die großen Staatsaufträge mit ihrem akuten Arbeitsbedarf fanden zweifellos überhaupt nicht die nötige Anzahl von Arbeitskräften innerhalb der freien Handwerker und Arbeiter, und (zum Teil infolge der Bürgerrechtspolitik!) erst recht nicht der Bürgerschaft allein vor, um eine derartige Beschränkung, deren Popularität – vollends wenn man sich den attischen Demos als ein Volk von in erster Linie Handwerkern vorstellt, wie es noch immer so oft geschieht – doch sehr nahe lag, auch nur in Betracht ziehen zu können. – Gewiß drangen die Sklaven, da die Herren naturgemäß die langen Lehrzeiten scheuten, vornehmlich in die gröberen Gebiete der Arbeit ein und es gab Beschäftigungen – wie z.B. das Mahlen –, zu denen sich Freie im ganzen Altertum überhaupt nur in Zeiten äußerster Not verdangen. Aber andererseits emanzipierte sich das freie Handwerk erst spät und nur teilweise von seinem Charakter als Familienarbeit und erlangte nie eine der mittelalterlichen entsprechende Struktur. Daß das Wort »σύ νεργος« (oder ähnliche) gelegentlich eine unserem »Gesellen« ähnliche Stellung bezeichnen kann, ist nicht unbedingt zu bestreiten. Ob der Apostel Paulus im Lohn seines Handwerksgenossen Aquila stand, bei dem er arbeitete (Act. Ap. 18, 2), ist aber unsicher, und von den Leuten, die der Goldschmied Demetrius außer den Genossen seines eigenen Handwerks noch gegen die götzenfeindlichen Christen mobil macht (eod. 19, 25) ist es ebenfalls wahrscheinlicher, daß selbständige Handwerker anderer Branchen, die auch an der Herstellung von Kultgegenständen interessiert waren, gemeint sind. Immerhin ist das Vorkommen gelernter, aber mittelloser, Handwerker im Dienst anderer, welche die Werkzeuge und Rohstoffe stellen, für die hellenistische Zeit sehr möglich. Aber in der klassischen Zeit ist es, alles in allem, das Wahrscheinlichste, daß, wo wir einen als »ἡγεμών« (oder ähnlich) bezeichneten oder so behandelten Handwerker in Gemeinschaft mit anderen an der Arbeit finden, es sich in der Regel um ad hoc geschaffene Assoziationen handelt, jedenfalls in all den (weit überwiegenden) Fällen, wo die Werkzeuge nicht erhebliche Wertobjekte (also: »Kapital«) waren. Zweifel bleiben oft. Die Genossen z.B., welche beim Kannellieren mit den Vorarbeitern am Erechtheion gruppenweise zusammenarbeiten und gruppenweise bezahlt worden, sind teils Sklaven des Vorarbeiters, teils (anscheinend) an dere Sklaven (von ihm gemietet? oder auf eigene Rechnung arbeitend?), teils endlich freie Metöken und Bürger. Da einer der Vorarbeiter selbst Sklave und einer seiner Mitarbeiter frei ist, kann von einem »Gesellen«-Verhältnis keine Rede sein. Die Arbeitergruppen sind offenbar von der Bauleitung eingeteilt, unter Berücksichtigung der Fähigkeiten, wie die verschieden hohen Erträgnisse der einzelnen Gruppen zu beweisen scheinen (Francotte), und vermutlich unter höherer Bezahlung des Vorarbeiters. Vor allem aber findet sich das Verhältnis des Vorarbeiters und der Mitarbeiter auch innerhalb der unfreien Ergasterien, also in der Form einer Art von unfreier Produktivgenossenschaft: so in dem des Timarchos, wo der ἡγεμών dem Herrn eine höhere ἀποφορά zahlt, als die anderen, also offenbar einfach ein besonders hochgelernter unfreier Arbeiter – denkbarerweise: ein Freigelassener – seiner Branche ist, welcher der Werkstatt vorsteht, Dritten gegenüber als Vorarbeiter auftritt und dadurch Extragewinn macht. Jedenfalls bedürften diese Ansätze zu einer inneren Gliederung des Gewerbes noch der Untersuchung, – soviel aber steht fest, daß im Vergleich zur mittelalterlichen Gliederung das antike freie Gewerbe »amorph« war. Ueber die ἐργαστήρια ist das für uns Wesentliche schon früher gesagt12. Hier sei nur hinzugefügt: Der Herr konnte seine Arbeitssklaven nützen a) indem er sie vermietete, – b) indem er sie selbst beschäftigte, sie sustentierte und, soweit es sich um »Preiswerk« handelte,