Max Weber

Gesammelte Beiträge von Max Weber


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erfolgen solle. (Wir sahen, in wieviel primitiverer Weise das altbabylonische Recht die Meliorationsvergebung behandelte.) 2. kommt die Erbpacht als »Rentenkauf« (so nennt diesen Fall Mitteis nach germanischer Analogie mit Recht) vor, bei Kulturland, welches vom Tempel (oder für ihn) gekauft und dem Verkäufer gegen Zins zurückgegeben wird. Für den Tempel ist dies eine sichere Kapitalanlage, für den, der ihm das Grundstück zu Rente aufträgt, bedeutet es den Gewinn von Betriebskapital und außerdem der Rechtssicherheit, welche die Qualität des Landes als Tempelland bot. Die Frage der Veräußerlichkeit hing vom Kontraktsinhalt ab, zuweilen ist sie untersagt. Daß sie in einem (sehr späten) Kontrakt aus Thisbe nur an Gemeindebürger gestattet ist, entspricht alten hellenischen Grundsätzen.

      b) »Klassische« Epoche (speziell: Athen).

       Die Erbpacht – welche, wie schon hervorgehoben, auch in Hellas nur seitens juristischer und zwar »öffentlicher«, nicht seitens physischer Personen als Verleiher vorkam, im Privatverkehr wohl auch hier (wie in Rom) gar nicht möglich war – ist in Attika in der klassischen Zeit und wohl in allen Gebieten der gleichen radikaldemokratischen Struktur – die einzige Erscheinung eines gebundenen Bodenbesitzes in der klassischen Zeit. Die Entwicklung zur »Bürgerpolis« ist in ihrem Endpunkt generell identisch mit Entwicklung zur vollen Verkehrsfreiheit des Bodens. Nicht nur in Athen und den mit ihm verbündeten Orten (Möglichkeit des Bodenankaufs und der Bodenbelei hung in den Bundesgenossenstädten ist ja ein Hauptvorteil des Bundes für die Athener), sondern auch anderwärts, außerhalb Spartas und der spezifisch grundherrlichen Staaten vom Typus Thessaliens, ist er seiner Beschränkung durch gentile Retraktrechte in klassischer Zeit überall entkleidet. Aber auch die Schranken, welche der Hoplitenstaat in der Zeit seiner Entstehung, im Interesse der Erhaltung der ökonomischen Grundlage der Wehrfähigkeit, geschaffen hatte: gänzliches Verbot des Verkaufs des κλῆρος oder doch Verbot der Bodenakkumulation, Beschränkung der Teilung und Verschuldung usw., hielten auf die Dauer nicht stand (und fielen natürlich gänzlich dahin, wo man später zum Soldheer überging). In dem seit 471 synoikisierten Staat von Elis wurde, als ein Parteikompromiß die exulierten Aristokraten zur Heimkehr veranlassen sollte (350), ad hoc ein Verbot des Verkaufs ihrer Grundstücke erlassen, – der also an sich, und sicherlich schon seit sehr langem, zulässig war. Mit dieser Freiheit des Verkehrs wurde naturgemäß die Möglichkeit der Differenzierung des Bodenbesitzes, der selbst Sparta nicht entging, in der freien Polis erst recht wieder wirksam. Dies um so mehr, als die Sklavereiverbote oder -beschränkungen der alten Hoplitenpolis nirgends aufrechterhalten blieben, und wir demgemäß, fortschreitend bis in die hellenistische Zeit, das Vordringen der Kaufsklaverei als normale Erscheinung in immer weitere Gebiete verfolgen können. So z.B. in Phokis (s.o.) nach dem peloponnesischen Kriege (ein, damals Aufsehen erregender, Import von 1000 Sklaven auf einmal ist bekannt). Ebenso bei den Aitolern in der hellenistischen Zeit, als sie sich als erobernder Herrenstaat militärisch konstituierten, und zweifellos infolge dieser Konstitution, welche sie in die Notwendigkeit versetzte, wirtschaftlich »abkömmlich« zu sein. – Die Frage ist nun, wie wir uns die Wirkung dieser Verkehrsfreiheit in Althellas vorzustellen haben, ob sie insbesondere dem römischen Entwicklungsprozeß zum großen Landbesitz und großen Sklavenbetriebe analog verlaufen ist. Das Quellenmaterial gestattet, selbst für so hell beleuchtete Gebiete wie Attika, nur indirekte Schlüsse. Zunächst muß man sich vergegenwärtigen, daß es, außerhalb der alten Adelsburgen, »Villeggiaturen« auf dem Lande oder überhaupt größere Baulichkeiten, mit Ausnahme der lokalen Kapellen, nicht gab. Nicht nur die Sklaven, Herden, Geräte, sondern auch die Gebäude – d.h. die Bestandteile der Holzhäuser – wurden im Fall eines feindlichen Einfalles in die Stadt gebracht. Ferner brachte die Beteiligung an der Politik die Notwendigkeit des Absentismus mit sich. Also ist, neben einem gewissen Maß von Feldsklavenbesitz, Verwaltung durch Aufseher (ἐπίτροποι) unvermeidlich für den Berufspolitiker. Ebenso war für den Hopliten, wenn er auf die volle Höhe der Technik gelangen sollte, entweder Stadtsässigkeit oder doch häufiger Stadtaufenthalt zum Ueben unentbehrlich, sobald die Stadt begann, »große« Politik zu Lande zu treiben. Als Argos dies zu tun beabsichtigte, war das erste: die Spezialausbildung von 1000 »Auserlesenen«, die es mit den Spartiaten aufnehmen sollten. Ebenso in Theben die Schaffung des »heiligen Lochos«. Auf der anderen Seite zeigen die Verhältnisse, welche die attischen Redner voraussetzen, daß der Grundbesitz der »Kapitalisten« in Küstenstädten, die ihn als Gelegenheitsanlage behandelten, jedenfalls vielfach Streubesitz, nicht Großgrundbesitz war. Dieser Kapitalistengrundbesitz der klassischen Zeit wechselte, im Gegensatz zum Besitz des alten Adels, offenbar leicht die Hand (vgl. Timarchos). Gerade dem Bedürfnis, dies zu ermöglichen, kam die Entwicklung zur Verkehrsfreiheit entgegen. Der Grund und Boden in Attika ist im 5. Jahrh. und später völlig frei veräußerlich und verpfändbar und, wenigstens in Ermangelung legitimer Söhne, unbedingt testamentarisch disponibel, sonst nur in Form von Legaten, gegen die es ein gesetzliches Pflichtteilsrecht nicht gab (anders als in Gortyn). Aus einer Lysiasstelle ist mit Unrecht der Fortbestand eines gesetzlichen Unterschiedes zwischen ererbtem und erworbenem Gut gefolgert worden. Es war damals in Athen lediglich Anstandspflicht, das erstere nicht zu veräußern (anders vielleicht noch im 4. Jahrhundert z.B. in Thera). Allerdings war es offenbar üblich, bei etwaiger Nachlaßteilung zu Lebzeiten das Erbland (im Gegensatz zum gekauften) den Söhnen zu geben. (Diese letzte Sitte könnte ihrem Ursprung nach mit dem »Inkyo« der Japaner und taciteischen Notizen über Erbübertragungen bei den Germanen zu vergleichen sein: der nicht mehr wehrhafte Mann hat in der Hoplitenpolis seinen κλῆρος an den Sohn abzugeben und geht aufs Altenteil. Er verliert damit ursprünglich wohl auch seine Stimme in der Heeresversammlung und sitzt dafür im Rat der Aeltesten.) Der Vorzug der Söhne im Erbrecht besteht, dem kriegerischen Charakter der Polis entsprechend, fort. Das Erbrecht ist Parentelerbrecht mit Vorzug des Mannesstammes; ein Subsidiarerbrecht der Sippe existiert nicht, auch keines der Phratrie (Rachepflicht und Erbrecht stehen also außer Beziehung zueinander). Ausgeschlossen vom Bodenbesitz ist jeder Nicht-Vollbürger, seit Perikles also jeder, der nicht beiderseits aus Vollbürgerfamilien (also nicht von Freigelassenen oder Metöken) stammt. Eine ökonomisch bedeutsame Konsequenz ist, daß auch von der Beteiligung an dem so grundlegend wichtigen Hypothekengeschäft (welches ja teils Kauf auf Wiederkauf war, teils die eventuelle Eigentumseinweisung des Gläubigers involvierte) alle Fremden und Metöken ausgeschlossen waren, diese Art der Kapitalanlage also den besitzenden Vollbürgern vorbehalten blieb. Das erste Privileg für Fremde, auf Hypotheken im Inlande auszuleihen, ist für Athen in der Zeit des dekeleischen Krieges nachweisbar, also Produkt der Not, und die Tragweite des Ausschlusses oder der Zulassung fremder Gläubiger geht daraus hervor, daß die Athener in ihrem sogenannten »zweiten Seebund« den Bundesgenossen speziell zusichern mußten, daß kein Athener in einer Bundesgenossenstadt Boden kaufen oder auf Hypothek leihen dürfe. Der Bodenwucher war eben neben der Staatspacht nach wie vor das kapitalistische Geschäft par excellence, und der erste attische Seebund hatte zweifellos eine Art von Hypotheken-Grundherrlichkeit der vermögenden Athener in den Bundesgenossenstädten bedeutet. Dies wird auch durch die Form des Grundkredits illustriert. Die Form des Pfandrechts war entweder die πρᾶσις ἐπὶ λύσει: der Verkauf des Grundstücks an den Gläubiger unter Vorbehalt des Wiederkaufs (juristisch dem entsprechenden deutschrechtlichen Institut ähnlicher gestaltet als der römischen »fiducia«), – oder die Hypothek in unserem Sinne. Noch in klassischer Zeit funktionieren beide nebeneinander und existieren außerdem die (wohl nur noch terminologisch von der Hypothek geschiedenen) ἀποτιμήματα (Dotal- und Vormünderschafts-Pfandrechte). Erst später gewinnt die eigentliche Hypothek gänzlich die Oberhand. Es wäre wohl möglich, daß ursprünglich nur öffentliche oder quasiöffentliche Verpflichtungen durch ein Pfandrecht ohne Besitzeinweisung gesichert werden konnten (Ursprung: in der Leiturgiekonstruktion). Noch im 4. Jahrh. zeigen die attischen Hypothekensteine bei Darlehen die πρᾶσις ἐπὶ λύσει als das Normale, nicht die Hypothek. Daß die Hypothek aus der persönlichen Schuldverknechtung (nach Ausscheidung der Person des Schuldners durch die Anti-Schuldhaftsgesetze) entstanden sei, möchte Szanto auch aus einer bekannten Inschrift von Halikarnassos (Bull. IV p. 295) folgern, während er die πρᾶσις ἐπὶ λύσει (ebenso wie die römische »fiducia«) aus einem einfachen definitiven