Armand Amapolas

Emma erbt


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Sie es erwähnen, glaube ich: Ja, sie muss davon gesprochen haben. Sie war ungewöhnlich aufgeregt damals. Ich glaube sogar, Sie hat gesagt, sie glaube an Mord. Ich hab das nicht ernst genommen damals. Ich hab‘s für Inselgeschwätz gehalten. Und der Name sagte mir nichts. Aber Klaus, ja, so könnte er geheißen haben, der Vermisste.«

      »Aber dem Kommissar haben Sie gesagt, Sie kennen den Namen nicht?«

      »Ja. In dem Moment sagte mir der Name auch nichts – und offengestanden – ich hatte die Nase voll. Ich wollte raus aus dem Präsidium. Nach Hause.«

      »Nach Hause? Hätte ich Sie am Flughafen absetzen sollen? Daran sind wir schon vorbei.«

      »Quatsch. Ich meine natürlich das La Palma.«

      »Da schau her: das ist Ihnen aber schnell zum zweiten Zuhause geworden. Muss ich jetzt um meinen Deal fürchten?«

      »Haben wir einen Deal? Sie haben noch nicht einmal einen Kaufpreis genannt, immer noch nicht. Vom Namen des potentiellen Käufers ganz zu schweigen.«

      »120.000 Euro. Ich kann Ihnen 120.000 Euro anbieten. Glauben Sie mir: das ist ein sehr, sehr gutes Gebot. In der Regel gehen Apartments im La Palma für deutlich unter 100.000 weg.«

      »Ich glaube nicht, Herr Hollerbeck, dass ich jetzt in der Stimmung bin, über Geschäfte zu reden. Außerdem hat der Kommissar angedeutet, er werde noch mal mit mir reden wollen.«

      »Bestimmt wird er das. Sie haben sich ja schließlich verdächtig gemacht.«

      »Verdächtig? Wieso?«

      »Sie haben ihm – übrigens anders als wir auf Ihr dringendes Bitten hin vereinbart hatten – nicht die reine, die volle Wahrheit gesagt. Mit ein bisschen bösem Willen könnte man sogar sagen: Sie haben gelogen. Ganz eindeutig besteht eine Beziehung zwischen dem Mordopfer, dem Fundort und Ihnen.«

      »Und Ihnen, oder vergessen Sie da was?«

      »Die Vergessliche, mit allem Respekt, sind Sie. Sie scheinen zu verdrängen, dass ich nur auf Ihre Bettelei hin ins Tenogebirge gefahren bin. Sie haben mich dazu überredet. Ich wollte nicht wandern. Ich wandere nicht gern. Das weiß jeder. Sie haben mich bezirzt. Verhext.«

      »Bezirzt? Verhext? Jetzt reicht es aber! Wenn wir nicht gerade auf der Autobahn wären, würde ich Sie bitten, auf der Stelle anzuhalten und mich rauszulassen, Herr Hollerbeck!«

      »Das würde meinen Ruf nachhaltig schädigen. Das kann ich mir nicht erlauben. Ich setze keine jungen Damen in der freien Wildnis schutzlos aus.«

      »Sie Held, Sie! Weiß Ihre Frau eigentlich, wo Sie stecken – und warum Sie immer noch nicht zuhause sind?«

      »Oh ja, seien Sie unbesorgt. Ich habe mit meiner Frau telefoniert, vorhin, als Sie den Kommissar beschwindelt haben. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie mir geglaubt hat.«

      »Und was haben Sie ihr gesagt?«

      »Die Wahrheit natürlich, was sonst? Heute ist doch unser Wahrheitstag. El día de la verdad. Ob das so klug war, ist eine andere Frage. Aber auch dabei haben Sie ja Ihren Willen durchgesetzt. Ich habe was gut bei Ihnen.« Hollerbeck grinste sein Walter-Matthau-Grinsen.

      »Sie haben Ihrer Frau erzählt, dass Sie mit einer Kundin wandern gegangen sind, eine Leiche gefunden haben und jetzt von der Polizei verhört werden? Einfach so?«

      »So ungefähr. Ich habe allerdings ein paar Details weggelassen. Die werde ich noch nachliefern müssen. Das wird schwer genug. Einstweilen habe ich meiner Frau nur berichtet, dass ich auf dem Präsidium in Adeje war, weil die Leiche von Klaus Kaltenbrenner gefunden worden ist, einem ehemaligen Kunden von mir. Also, einem Kunden wider Willen. An den Namen erinnerte sie sich. Hat ja auch viel in den Zeitungen gestanden damals.«

      »An wen haben Sie denn Herrn Kaltenbrenners Apartment verkauft? Auch an eine Russin?«

      »An eine Russin, in der Tat. Aber woher wollen Sie wissen, dass sich auch für Ihr Apartment eine Russin interessiert?«

      »Haben Sie das nicht gesagt?«

      »Bisher nicht. Aber ja: es ist eine Russin. Übrigens, bevor Sie danach fragen: Kaltenbrenner hatte das Apartment genau unter dem Ihren. 1011.«

       9. Kapitel

      Es schellte. Diesmal klingelte es doppelt, stereophon. Emma rieb sich die Augen. Wovon hatte sie geträumt, eben noch? Von Hubschraubern und großen Echsen mit ledrigen Häuten. Schuhe hatte die eine Echse angehabt, komisch: Wanderschuhe. Und einen Schnurrbart hatte sie gehabt, einen schwarzen. Es klingelte erneut. Wie spät mochte es sein? Emma kramte nach ihrem Smartphone. Halb elf. Das Smartphone blieb still jetzt. Offenbar sprach jemand eine Nachricht auf ihre Mailbox.

      Du liebe Güte, hatte sie lange geschlafen! Aber wie spät war es gewesen, als sie endlich auf ihre Schlafcouch gefallen war? Hollerbeck hatte sie brav bis zum La Palma gefahren und dann tatsächlich noch angeboten, einen »Absacker« zu nehmen, im Hotel nebenan, an der Bar. Die würde noch geöffnet haben, selbst jetzt, kurz vor Mitternacht, hatte Hollerbeck behauptet. Emma hatte dankend abgewunken: sie sei sehr müde jetzt, und Hollerbeck nachgeschaut, als dessen weißer Mercedes den Parkplatz vor dem La Palma hinter sich ließ, Gott sei Dank. Und dann war sie schnurstracks in die Hotelbar geeilt. Ein Absacker, das konnte nicht schaden, aber noch mehr Hollerbeck, das hätte sie nicht ertragen.

      Wie sich herausstellte, steckte die Bar des Hotels Atlántico voller Hollerbecks. Jedenfalls sahen die vier männlichen Gäste ihrem – ja was war er denn nun: ihrem Fahrer, ihrem Geschäftspartner, ihrem Makler, ihrem Mitwisser? – allesamt ziemlich ähnlich, fand sie. Lauter junge Alte, vom Alkohol Konservierte, von kanarischer Sonne Gegerbte. Vier gierige Blicke richteten sich auf Emma, als sie die schummrige Bar betrat. Nein, das mit dem Absacker war keine gute Idee gewesen! Aber jetzt wollte sie da durch. Und außerdem: sie brauchte ein Bier. Und in Omas Kühlschrank herrschte gähnende Leere. Das musste sich ändern, gleich morgen.

      Emma hockte sich an die Bar, sorgsam jeden Blickkontakt vermeidend, und bestellte ein Cerveza. »Caña? Vom Fass oder eine Flasche? Wir haben Veltins, Heineken und Stella Artois.« Der Barkeeper, deutlich jünger als seine Gäste, sprach reinstes Rheinisch.

      »Vom Fass, ein einheimisches, bitte! Kommen Sie aus Köln?«

      »Hört man das? Ich bin da aufgewachsen, in Nippes. Meine Eltern waren Gastarbeiter, wie das damals hieß.«

      »Und was bringt Sie nach Teneriffa? Sie sind doch kein Spanier?«

      »Sehe ich nicht aus wie ein Spanier? Wie sehe ich denn aus?«

      »Wie ein Rheinländer halt. Fröhlich. Gut gemischt.«

      »Gut gemischt! Das gefällt mir. Das hat mir noch keiner gesagt. Mein Vater ist Bosnier, meine Mutter war Serbin.«

      Emma klammerte sich an das Gespräch mit diesem ja durchaus netten Barkeeper. Sie hatte das Gefühl, solange sie mit dem Mann hinterm Tresen im Gespräch blieb, würde sie nicht angebaggert werden, von einem aus dem Quartett der verrenteten Herzensbrecher.

      Falsch, einer dieser Hollerbeck-Imitatoren schob sich ungeniert an sie ran und unterbrach ihr Gespräch, zum Keeper gewandt: »Wenn die junge Dame ein zweites Getränk bestellt: das geht auf meine Rechnung.«

      Der Kellner blickte von Emma zu dem Mann, der anders als Hollerbeck dunkle Haare hatte, aber genau so volle, wellige – und wieder zurück zu Emma. Der Big Spender ähnelte ein bisschen Gerhard Schröder, dem Ex-Kanzler, fand Emma, den Blickkontakt schnell wieder abbrechend: Jo Schröder.

      »Vielen Dank, aber nein, vielleicht ein andermal. Ich bleibe bei dem Bier – und eines reicht.«

      Der Schröder-Typ erwies sich als hartnäckig: »Darf ich dann dieses Bier für Sie übernehmen? Übrigens: ich heiße Gerd.« Unglaublich! Gerd! Gerd streckte ihr seine Rechte entgegen, samt dickem Siegelring.

      Das durfte doch nicht wahr sein! Emma entschloss sich, die Hand konsequent zu ignorieren: »Danke, ich zahle