Fleisch. Grade richtig. Einen Mundvoll Tee. Dann schnitt er Brotwürfel, stippte einen in den Fleischsaft und steckte ihn in den Mund. Was war das noch mit dem jungen Studenten und dem Picknick? Er glättete den Brief neben sich, las ihn langsam während er kaute, stippte wieder einen Brotwürfel in den Fleischsaft und hob ihn an den Mund.
«Liebster Papli,
Vielen herzlichen Dank für das nette Geburtstagsgeschenk. Es steht mir ganz ausgezeichnet. Jeder sagt, ich sähe schöner aus als alle andern in meiner neuen Mütze. Mammis nette Schachtel mit den Rahmbonbons auch erhalten und ich kann nur schreiben: sie sind ganz herrlich. Ich komme in dem Photogeschäft jetzt famos voran. Herr Coghlan hat mich photographiert, und die Frau schickt sie, wenn sie entwickelt ist. Gestern hatten wir alle Hände voll zu tun. Markttag, alle Mädels kamen rein, prima Fleisch. Montag wollen wir mit einigen Freunden an den Loch Owel, wo wir sozusagen ein Picknick machen. Grüsse Mammi, dir sende ich einen Kuss und vielen Dank. Ich höre sie unten am Klavier. Samstag ist im Greville Arms Konzert. Manchmal kommt abends ein junger Student er heisst Bannon seine Vettern oder so sind dicke Gents er singt Boylans (verflixt noch mal, hätte beinahe geschrieben Blazes Boylans) Lied von den Mädel vom Strande. Bestelle ihm die besten Grüsse von der liebi Milly.
Muss jetzt schliessen. Alles Gute. Deine dich liebende Tochter
Milly.
P. S. Entschuldige schlechte Schrift, hab’s eilig. Wiedersehen.
M.
Fünfzehn gestern. Seltsam, auch der fünfzehnte des Monats. Ihr erster Geburtstag in der Fremde. Trennung. Erinnere mich des Sommermorgens, an dem sie geboren wurde, lief zu Frau Thornton in der Denzille Street, trommelte sie raus. Eine liebe alte Seele. Hat sicher einen ganzen Haufen Babies auf die Welt befördert. Sie wusste gleich, dass der arme kleine Rudy nicht leben würde. Nun, was Gott tut, das ist wohl getan, Herr. Sie wusste das gleich. Wäre jetzt elf, wenn er am Leben geblieben wäre.
Mit leerem Gesicht starrte er traurig auf das Postscriptum. Entschuldige schlechte Schrift. Eilig. Klavier unten. Entmuschelt sich. Krach mit ihr im XL Café wegen des Armbands. Wollte ihre Kuchen nicht essen, nicht sprechen, mich nicht ansehen. Schnippische Person. Er stippte wieder Brotwürfel in den Fleischsaft und ass die Niere, ein Stück nach dem andern. Zwölf und sechs wöchentlich. Nicht viel. Könnte aber noch weniger sein. Statistin in der Music Hall. Junger Student. Er trank einen Schluck kühleren Tee, um seine Mahlzeit herunterzuspülen. Dann las er den Brief wieder: zweimal. Schon gut: sie weiss, was sie zu tun hat. Wenn aber nicht? Nein, passiert ist noch nichts. Wäre aber sehr leicht möglich. Bis dahin wollen wir mal abwarten. Tolles Weib. Ihre schlanken Beine eilen die Treppe hinauf. Geschick. Reift jetzt. Eitel: sehr.
Er lächelte beunruhigt zärtlich das Küchenfenster an. Als ich sie auf der Strasse erwischte, wie sie sich in die Backen kniff, damit sie rot würden. Ein bisschen blutarm. Hat zu lange Milch bekommen. Damals auf dem Erin’s King rund um den Kish. Verdammter, alter Wackelkasten. Von Angst keine Spur. Ihre blassblaue Schärpe, ihr Haar flatterten im Wind.
Grübchen in Wangen und Locken dazu,
Mir wird dabei ganz schwindlig.
Mädel vom Strande. Aufgerissener Briefumschlag. Hände steckten in seinen Hosentaschen, Droschkenkutscher auf Urlaub, der singt. Familienfreund. Schwündlig, sagt er. Pier mit Lampen, Sommerabend, Musik.
Die Mädel, die Mädel,
Die reizenden Mädel vom Strande.
Milly auch. Junge Küsse: der erste. In weiter Ferne jetzt vergangen. Frau Marion. Liest jetzt liegend, trennt ihre Haarsträhne, lächelt, flicht sie.
Ein leichtes unbehagliches Gefühl lief ihm über den Rücken, wurde stärker. Passiert ja doch. Verhindern. Hat keinen Zweck: kann nichts dran machen. Süsse leuchtende Mädchenlippen. Kommt ganz von selbst. Das unbehagliche Gefühl füllte ihn fast ganz. Keinen Zweck: kann nichts mehr dran machen. Geküsste, küssende geküsste Lippen. Volle, klebende Frauenlippen.
Gut, dass sie da unten ist: fort. Muss ihr Beschäftigung verschaffen. Einen Hund als Zeitvertreib wollte sie. Möchte doch mal hin. August-Bankferien, nur 2/6 retour. Noch sechs Wochen bis dahin. Vielleicht als Reporter auf Freifahrtschein. Oder durch M’Coy.
Die Katze, die sich geputzt hatte, ging wieder an das blutige Papier, schnüffelte dran und stakte dann an die Tür. Sie miaute und sah sich nach ihm um. Will raus. Warte vor der Tür, geht manchmal auf. Kann warten. Kann nicht still sitzen. Elektrisch. Gewitter in der Luft. Putzte sich das Ohr und drehte dem Feuer den Rücken zu.
Er fühlte sich schwer, voll: dann ein leichtes Lösen in den Eingeweiden. Er stand auf, löste den Hosengurt. Die Katze miaute ihn an.
«Miau», antwortete er. «Warte, bis ich fertig bin.»
Schwüle: wird ein heisser Tag. Nicht so einfach, die Treppe bis zum Podest hinaufzuklettern.
Eine Zeitung. Er las gerne beim Stuhlgang. Hoffentlich kommt nicht so ein Affe und klopft, wenn ich grade.
In der Tischschublade fand er eine alte Nummer der Titbits. Er klemmte sie in die Achselhöhle, ging an die Tür und öffnete sie. In leichten Sprüngen eilte die Katze hinauf. Sieh da, wollte nach oben, sich zusammengerollt aufs Bett legen.
Er lauschte, hörte ihre Stimme:
«Pussy, komm, Pussy, komm.»
Er ging durch die Hintertür in den Garten: blieb stehen, lauschte hinüber nach dem Nachbargarten. Kein Laut. Hängt vielleicht Wäsche auf zum Trocknen. Das Mädchen war im Garten. Herrlicher Morgen.
Er bückte sich und betrachtete eine spärliche Reihe grüner Minze, die an der Mauer wuchs. Sollte sich hier eine Laube bauen.
Türkische Feuerbohnen. Wilden Wein. Der ganze Platz müsste gedüngt werden, der Boden taugt nicht. Eine Schicht Schwefelleber. Jeder ungedüngte Boden ist so. Küchenabfälle. Lehm, was ist das eigentlich? Die Hühner aus dem Nachbargarten: ihr Mist ist sehr gut für Oberdüngung. Den besten liefert das Vieh, besonders wenn es mit Ölkuchen gefüttert wird. Strohmist. Vorzügliches Reinigungsmittel für lederne Damenhandschuhe. Dreck reinigt. Asche desgleichen. Ganzen Platz umgraben. In die Ecke pflanze ich Erbsen. Salat. Haben dann immer frisches Gemüse. Gärten haben aber auch ihre Schattenseiten. Die Biene oder Schmeissfliege damals Pfingstmontag.
Er ging weiter. Wo ist denn mein Hut? Hab ihn sicher wieder auf den Haken gehängt. Vielleicht hängt er auch am Boden. Seltsam, erinnere mich doch gar nicht. Flurgarderobe zu voll. Vier Regenschirme, ihr Regenmantel. Hob die Briefe auf. Dragos Ladenglocke läutete. Seltsam, dachte grade dran. Braunes, pomadisiertes Haar über seinem Kragen. War eben beim Friseur. Ob ich heute morgen wohl noch zum Baden komme? Tara Street. Der Mann an der Kasse soll James Stephens fortgeholfen haben. O’Brien.
Hat ’ne tiefe Stimme, dieser Dlugacz. Agenda wie weiter. So, Fräulein. Verehrer.
Er stiess die baufällige Tür des Abtritts auf. Will mich in acht nehmen, dass die Hose nicht dreckig wird, muss für die Beerdigung sauber sein. Er ging hinein, beugte den Kopf unter dem niedrigen Oberbalken. Er liess die Tür halb auf und knöpfte inmitten des Gestanks von modrigem Kalk und alten Spinnweben die Hosenträger los. Bevor er sich niedersetzte, blickte er durch eine Spalte hinauf zum Fenster nebenan. Er war allein in seiner Kammer. Niemand.
Als er auf dem Kackstuhl hockte, entfaltete er die Zeitung, schlug auf den entblössten Knien die Seiten um. Was Neues und Leichtes. Zeit genug. Will’s noch ein wenig anhalten. Unser Preisausschreiben. Matchams Meisterstreich. Verfasser Philip Beaufoy, Playgoers’ Club, London. Verfasser hat eine Guinea pro Spalte bekommen. Drei einhalb. Drei Pfund drei. Drei Pfund dreizehn und sechs.
In aller Ruhe las er, seinen Drang beherrschend, die erste Spalte, gab dann widerstrebend nach und begann die zweite. Als er bis zur Hälfte gelesen hatte, gab er seinen letzten Widerstand auf und liess seine Eingeweide sich erleichtern, während er geduldig weiter las, bis alles, was gestern nicht hatte raus wollen, draussen war. Hoffentlich nicht zu dick, krieg sonst wieder Hämorrhoiden. Nein, grade recht. So. Ah! Bei Verstopfung eine Tablette cascara sagrada. Leben könnte so sein. Die Geschichte