der Mikroebene der alltäglichen Intervention stellt sich diese Allzuständigkeit als Schwierigkeit dar, die eigene Zuständigkeit einzugrenzen.
Ein Beispiel: In der Beratung einer jungen Frau, die Sozialhilfe bezieht, lautet der organisationsinterne Auftrag, die Erwerbsintegration zu thematisieren; dabei geht es hauptsächlich um die Themen Finanzbedarf der Familie, Arbeitssuche bzw. Ausbildung sowie um die extrafamiliale Betreuung der beiden kleinen Kinder und die Schulprobleme des ältesten Sohnes. Sind nun die ehelichen Schwierigkeiten, welche die Frau neu auch anspricht, ebenfalls Thema der sozialarbeiterischen Unterstützung? Ab welchem Intensitätsgrad sollte die Klientin diesbezüglich an eine andere Beratungsstelle verwiesen werden?
In Bezug auf Zuständigkeit und Spezialisierung unterscheidet sich die Soziale Arbeit also deutlich von anderen Professionen. Anders als beispielsweise eine Ärztin habe der Sozialpädagoge nur einen schwach ausgeprägten thematischen Filter, mit denen er Probleme aussteuern könne, konstatiert Galuske (2013:41), und er fährt fort: »Der Begriff Allzuständigkeit impliziert nicht, dass alles ein sozialpädagogisches Problem ist, sondern dass es eine enorme und diffuse Bandbreite von Problemen gibt, die prinzipiell zum Gegenstand Sozialer Arbeit werden können. Was faktisch Gegenstand der Bearbeitung wird, konkretisiert sich im situativen und institutionellen Kontext der Fallbearbeitung und ist nicht zuletzt ein Produkt der Aushandlung zwischen SozialpädagogInnen und KlientInnen.« (ebd.:42, Hervorh. Original). Was in einem Fall ›der Fall ist‹, muss also immer zunächst eingeschätzt und diskursiv ausgehandelt werden.
Müller verweist auf die Gefahr dieser diffusen Allzuständigkeit. Weil Soziale Arbeit den Anspruch verfolgt, sich um die Alltagsprobleme des ›ganzen Menschen‹ in seiner jeweiligen Lebenssituation zu kümmern, gerate sie »in die Gefahr eines totalitären, weil prinzipiell grenzenlosen Zugriffs auf den Alltag ihrer Klienten zu kommen« (1991:112). Das ganzheitliche und alltagsnahe Handlungsverständnis der Sozialen Arbeit habe für die Klientenseite notwendigerweise ein Doppelgesicht: Es ermögliche zunächst, dass die Komplexität der belastenden Lebenslagen überhaupt sichtbar werden kann. Die Kehrseite sei, dass die Kontrollmöglichkeit des Klienten, welche Leistungen er konkret erwarten kann und welche nicht, ebenfalls diffus wird (vgl. ebd.:113). Das Aushandeln der Grenze der Intervention mit der Klientin ist für Müller deshalb ein wesentliches Strukturmerkmal der Intervention selbst (vgl. ebd.:114).
Fokus der Problembearbeitung
Wir haben festgestellt, dass die grundsätzlich umfassende Zuständigkeit für alle Aspekte der komplexen Problemlagen von Klientinnen ein Kennzeichen Sozialer Arbeit ist. Der Problembearbeitungsfokus ist dabei immer ein doppelter oder sogar dreifacher (
Geringe gesellschaftliche Anerkennung
Eine weitere Schwierigkeit in Zusammenhang mit der diffusen Allzuständigkeit ist das teilweise unklare gesellschaftliche Mandat (
Geringe Spezialisierung, fehlende Monopolisierung, eine systematisch unklare und nicht eingrenzbare Zuständigkeit sowie die Bewältigung von Ungewissheit sind konstitutiv für die Soziale Arbeit. Damit ist eine erste Strukturbedingung professionellen Handelns benannt. Diese gilt es bei den Ausführungen zu kooperativer Prozessgestaltung in Teil II zu berücksichtigen. So folgt aus dem Strukturmerkmal diffuser Allzuständigkeit u. a., dass in jedem Fall die Thematik zunächst eingeschätzt und ausgehandelt, dass die Frage der eigenen Zuständigkeit geklärt und die Grenzen der Intervention gemeinsam mit einer Klientin oder einem Klientensystem ausgehandelt werden muss, und dass die professionelle Unterstützung eines Klienten oft in Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften realisiert wird.
3.2.2 Doppelte Loyalitätsverpflichtung
Eine der Klassikerinnen der Sozialen Arbeit, Gertrud Bäumer, hat den Professionalitätsanspruch Sozialer Arbeit aus der Entwicklung von Institutionen abgeleitet (
Widersprüchliche Handlungslogiken
Soziale Arbeit ist gekennzeichnet durch eine starke Abhängigkeit von staatlicher Steuerung und direkter Einbindung in bürokratische Organisationen. Sie agiert im Rahmen eines weit verzweigten, komplizierten Sozialrechts (