Эдгар Аллан По

50 Meisterwerke Musst Du Lesen, Bevor Du Stirbst: Vol. 2


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Kapitel verlesen wie noch nie, aber nicht mit gutem Gewissen, Ihr und ich, wir sind verantwortlich für ihn und sein Thun. – Ihr von lange her – ich, seit ich ihm gestattet habe, daß er mit George Lemmy gehe. – Im übrigen giebt es eine Änderung im Leben Josi Blatters – ladet auf den nächsten passenden Tag den Gemeinderat ein. – George Lemmy, der Ingenieur, will ihn mit nach Indien nehmen. Wie ich den Burschen so recht in die Zange gefaßt habe, hat mich der Engländer lachend unterbrochen: ›Unnötige Mühe!‹ eine Lobrede auf Josi gehalten und bestimmt erklärt: ›Ich nehme ihn mit mir!‹«

      »Nach Indien!« Der Presi schoß auf. Hundert Gedanken kreuzten sich in seinem Kopf, am vernehmlichsten der: »Endlich von einem Alpdruck erlöst!

      Er beruhigte sich aber und sagte: »Das will doch erwogen sein!«

      »Lemmy hat mir versprochen, daß er einen rechtschaffenen Mann aus ihm mache – einen Ingenieur, so weit es Josis geringe Schulbildung erlaubt – und, ich weiß nicht warum, ich habe ein seltsames Zutrauen zu dem Manne. Ich reise übrigens morgen eigens nach Bräggen, um mit Felix Indergand zu reden, der auch mit Lemmy über das große Wasser geht. Schlaflos legt mich die Geschichte, aber nach allem, was geschehen ist, kann Josi nicht in St. Peter bleiben.«

      »Das stimmt, das stimmt!« erwiderte der Presi kühl, »es ist ein verdammter Streich, den uns die beiden gespielt haben. Im übrigen, wie sind die Bedingungen? Muß die Gemeinde etwas für ihn zahlen?«

      »Nichts! Es ist freie Hin- und Rückfahrt verabredet, Josi muß wenigstens drei Jahre bleiben und wird von Lemmy gehalten wie jeder andere, der unter seiner Führung steht.« –

      »So – sonst hätte ich vielleicht einen Beitrag dran gethan!«–

      Der Garde sah ihn mit einem Blick an, der ungefähr sagte: »So steht es also um dein Gewissen, Presi!«

      Als er gegangen war, schritt der Presi schwer auf und ab: »Heimkommen, Binia! – Die Luft ist rein. – Seppi Blatter, wir wollen dafür sorgen, daß dein Spiel verloren ist!« – Dann stutzte er: »Dieser Josi Blatter – der stirbt in Indien nicht. – Der kommt eines Tages wieder heim – und dann ist die Not um Binia größer als jetzt. – Das Kind muß jung heiraten.«

      Nicht lange, und die Nachricht, daß Josi mit seinem Engländer in ein fernes Land gehe, flog durchs Dorf. Man kränkte sich sonst in St. Peter, wenn, was bei Jahrzehnten nicht vorkam, ein junger Bürger in die Fremde zog. Nach der Meinung der Dörfler war es doch nirgends auf der Welt so schön, lebte es sich so gut wie zu St. Peter. Und man betrachtete jeden als einen Verlorenen, der sich außer Landes begab. Josi Blatter, den Rebellen, aber ließ man gern ziehen. Die Kunde von seiner bevorstehenden Abreise beruhigte die Leute, und die Gäste des Bären, die genußfreudige, vom schlichten frommen Sinn der Dörfler durch eine Welt anderer Anschauungen geschiedene Gesellschaft falterte unangefochten wie sonst durch Dorf und Feld, auf dem bereits die Herbstblumen zu blühen begannen.

      Von dem Sturm, der bei der ersten Besteigung der Krone das eingeborene St. Peter bewegt hatte, hatten sie kaum Kenntnis erlangt.

      Aus dem großen Thal kamen ein paar junge Bergsteiger, die von der überraschenden Besteigung der Krone gehört hatten, und wollten sie mit Josi Blatter wiederholen. Er aber wies sie ab. Thöni indessen, der an dem Tag, wo die beiden den Gipfel der Krone erstiegen hatten, in Hospel gewesen war und nach seiner Rückkehr mehr vom Ruhm der Gäste als von der drohenden Haltung der Bauern reden gehört hatte, wurmte die Eifersucht auf den Rebellen bis ins Mark.

      Er ließ sich heimlich von den jungen Steigern als Führer mieten. Als ob er mit den Ehrgeizigen nur einen größeren Spaziergang auf den Gletscher, aus dem die Glotter fließt, unternehmen wollte, ging er mit ihnen in der Morgenfrühe weg. Erst am Nachmittag sah man erstaunt eine kleine Kolonne auf dem unteren Firn der Krone. »Die Wahnsinnigen gehen auf einem überhängenden Schneeflügel!« riefen plötzlich Stimmen, und man hatte es kaum bemerkt, so brachen die fünf durch die Wächte. Zum Glück kollerten sie nicht sehr tief einer Wand entlang, aber nun saßen sie auf einer Felsenplanke, von der kein Ausweg zu sehen war. Sie schwenkten Tücher, daß man sie holen möge.

      Und sicher war eins: Mußte das arme Fünfblatt dort über Nacht bleiben, so erfror es.

      Der Presi wütete über Thöni, er sammelte dann eine Hilfskarawane, und die von St. Peter ließen sich, obgleich sie sich über den neuen Frevel wie über den ersten empörten und ihre Schadenfreude nicht verbargen, sofort herbei, die Rettung der Gesellschaft zu versuchen. Denn wo Menschenleben in Gefahr schwebten, waren sie, wie alle Leute der Berge sind: sie kannten nur die Pflicht der Hilfe.

      Josi war in fiebernder Erregung: »Darf ich sie holen? Sie erfrieren, bis die Mannschaft oben ist,« fragte er den Ingenieur.»Well, hole die Unglückseligen, Boy.« Und George Lemmy war, indem er die Hände in die Hosentaschen steckte und ein Liedchen pfiff, selber neugierig, wie der Bursche nun vorgehen würde.

      Eine – zwei – drei Stunden! – Man sieht ihn! Wo scheinbar nur glatte Wände sind, klettert der ehemalige Wildheuerbub wie ein Kaminfeger durch Felsenrisse, eilt über schmale Kanten, ist wieder in einem Riß und klettert aufwärts!

      Ein Dutzend Fernrohre folgen ihm. – Noch eine Stunde – die Hilfskarawane ist erst auf den oberen Alpen – da schwingt sich Josi auf das Band, wo die fünf armen Knaben sitzen.

      Er hört die Jubelrufe aus dem Thale nicht, er weiß nur, daß er eilen muß, die Leute zu bergen, denn St. Peter liegt schon im tiefen blauen Schatten, nur noch an den Spitzen glänzt die Sonne.

      »Du lausiger Rebell, dich haben wir nicht gerufen,« empfängt ihn Thöni.

      »Grieg, seid artig, sonst lass' ich Euch beim Eid über Nacht da oben hocken,« erwidert Josi.

      Die von Thöni Schlechtgeführten danken ihm überschwenglich, einer weint vor Freude. Josi mahnt: »Nur Mut! – gangbarer Fels und Schutt ist nicht weit, aber ein Umweg ist nötig.«

      Er kennt die Gegend genau, er hat über der Planke manchen Tautropfen gebrochen, er löst auch jetzt einen, den sein geübter Blick in einer kleinen Höhle entdeckt hat, und steckt ihn wie zum Andenken in die Westentasche.

      »Aufpassen!« ruft er. Die Lotserei beginnt, sie geht im Bogen und Zickzack bergauf, bergab, den greifbaren Vorsprüngen entlang. Er würde den halsbrecherischen Weg in einer Viertelstunde machen, aber er muß den Ermüdeten und von jedem Selbstvertrauen Verlassenen die Füße einstellen, die Handgriffe zeigen, die mutlos werdenden Zurückgebliebenen nachholen, einen um den anderen am Seil herunterlassen, eine Stunde fieberhafter Anstrengung vergeht, und sie sind noch nicht am Ziel – die Nacht ist gesunken – – aber jetzt! – endlich! – endlich hat die Gesellschaft ein sanftes Geröllfeld erreicht – Josi will jauchzen, er kann es nicht vor Erschöpfung. Heiser nur sagt er: »Ihr seid auch da, Grieg!«

      Thöni spürt aber kaum den sicheren Boden, so fährt er Josi an: »Du hättest uns nicht zu holen brauchen, du Laushund, ich wäre schon losgekommen. Den Schimpf machen wir einmal handgreiflich aus!«

      »Gut, Ihr könnt Euch nur melden!«

      Um drei Uhr des Morgens kamen Josi, die Geretteten und die Hilfskolonne im Dorfe an. Einheimische und Fremde wachten. Unter der Thüre des Bären, wo ihm der Presi mit einem Ausdruck aufrichtiger herzlicher Achtung entgegentrat und beide Hände reichte, brach er, den Jubel der Glückwünschenden in den Ohren, zusammen.

      Kaum hatte er sich am Morgen erholt, als ihn der Presi in jene Stube rufen ließ, wo sie sich nach dem Tod der Mutter gegenüber gestanden hatten. Als der mißtrauisch dreinblickende Bursche eintrat, empfing ihn der Bärenwirt fast feierlich. Er stand auf, stützte die Linke auf das Pult und reichte ihm die Rechte: »Setzen wir uns! Ich bekenne, daß ich Euch eine Weile unterschätzt habe, Blatter, sonst hätte ich Euch nicht zu Bälzi gethan. Zunächst danke ich Euch, daß Ihr die fünf geholt habt. Die Rettung ist ein Ehrenblatt für Euch.«

      Josi wurde feuerrot und verlegen, er stand bei dem Lob des Presi wie auf Nadeln. Der Mann, der so mit Wärme und Achtung zu ihm sprach, war der, der ihm die Peitsche ins Gesicht geschlagen. Er war aber auch Binias Vater. Die Gedanken spannen sich ineinander und verwirrten ihn.

      »Ihr