ohne einen Pfennig Geld in der Tasche angekommen war und sich dort seine ersten Cents verdient hatte, indem er auf Fischfang auszog. Das war anfangs kein schlechtes Geschäft, jedoch als sich einige italienische Fischereigesellschaften in Westafrika niederließen, deren Methoden weitaus rationeller waren, ging es weniger gut, und so mußte auch die Frau des Hamburgers die täglichen Brötchen mitverchenen helfen. Sie tat also das, was in Westafrika in der Regel den einheimischen Frauen vorbehalten ist: sie wurde Hökerin und „machte“ mit allem möglichen Kleinkram „Markt“. Anfangs in einer winzigen Hütte, jetzt bereits in einem annehmbaren Laden.
Zwischen Hafen und Stadt Monrovia liegt die Mündung eines kleinen Flusses, an dessen Ufer ich vor fünf Jahren einen Hamburger Tischler kennengelernt hatte, der – wie viele andere Handwerker auch – für die liberianische Regierung arbeitete. Beschattet von gewaltigen Mangobäumen grenzten sein Bungalow und seine große Werkstatt direkt an die Flußmündung. Als ich diesmal gleich nach meiner Ankunft in Monrovia zu ihm fuhr, wohnte er noch immer da; wie vor fünf Jahren war er beim Bau eines Bootes. Zehn Gleitboote hatte er in der Zwischenzeit schon selbst hergestellt, gefahren und wieder verkauft, dazu noch zwei Stufenboote. Motorbootfahren – weniger Segeln – und Jagen sind nun einmal die Hauptsportarten der Europäer in Westafrika.
Dieser Hamburger Bootsbauer war schon einmal in der Brandung vor Monrovias Küsten gekentert und hatte sich schwimmend an Land gerettet. Doch er baut weiter – Wasser und Meer stecken ihm im Blut.
In Monrovia hatte ich mich verschiedentlich nach der deutschen Gesellschaft erkundigt, die im Süden des Landes eine Konzession (240.000 ha) zur Errichtung einer Bananenplantage besitzt. Man konnte mir darüber keine nähere Auskunft geben. Schließlich lernte ich zufällig den Herrn kennen, der die Interessen der Firma in Monrovia vertritt. Aber er verwies mich nur an den Manager, den er von meiner Ankunft unterrichten wollte. So machte ich mich also auf den Weg.
Das Meer war wie immer in dieser Jahrezeit ruhig, so daß ich täglich nicht mehr als 80 – 90 Seemeilen schaffte. Der ganzen Küste sind Felsenriffe vorgelagert, die teils über, teils unter Wasser nur darauf lauern, sich einem nicht genau navigierenden Boot in den Leib rammen zu können.
Auf der Ozeanseite zieht sich der Dampfertrack parallel zur Küste hin, und zwischen beiden suchte sich die LIBERIA IV ihren Weg nach Südosten. Für mich hieß das, in der Nacht scharf zu wachen und am Tage hin und wieder ein Auge zuzudrücken.
An einem Sonntagmorgen traf ich in dem noch nicht ganz fertiggestellten Hafen von Sinoe ein. Da die Dünung längs der Mole hoch vorbeisauste, ankerte ich im Hafenbecken.
Deutsche Stimmen hallten zu mir herüber, man bot mir ein Ruderboot an, und schon stand ich mitten unter Deutschen. Einige Handwerker aus Hamburg waren damit beschäftigt, die Molenoberfläche einzuebnen, ein Lübecker Diplomlandwirt lud mich zum Frühstück in die Eßhalle ein, der ölpalmen und Mangobäume Schatten spenden.
Der Hafen von Sinoe liegt bei dem ein wenig ins Meer vorspringenden Blubarra Point auf der Südseite des Sinoe-Flusses, der für Brandungsboote leicht zu befahren ist. Auf der Nordseite des Flusses erstreckt sich ein müdes Städtchen von einigen tausend Einwohnern, deren Neugierde die Deutschen auf der Südseite wenig anficht.
Der Lübecker machte mich sofort mit dem „Kapitän“ der Plantagenboote bekannt, der uns durch Sekundär- und Regenwald 24 km flußaufwärts zum Landeplatz der Gesellschaft brachte. Vorläufig konnte man nur mit einem Boot dorthin gelangen; eine Straße sollte demnächst fertiggestellt werden.
Hübsch über dem Fluß gelegen erheben sich die ersten Häuser der Firma, die noch aus den Jahren stammen, da die Plantage in ihren Kinderschuhen steckte. Diese Jahre liegen gar nicht so weit zurück: erst 1953 schickte die Firma eine kleine Gruppe von Fachleuten ins Land; sie waren anfangs noch in Zelten untergebracht, später in diesen afrikanischen Hütten über dem Fluß, und heute hat man bereits inmitten eines gerodeten und kultivierten Gebietes moderne Bungalows errichtet.
Mit einem Jeep fuhr man mich zum Manager der Plantage. Herr Cassel empfing mich in seinem schönen, modern eingerichteten Haus, von dem aus der Blick weit über das Land schweifen kann. Cassel ist alter „Liberianer“; er war einer der Firestone-Pioniere, die schon 1926 ins Land kamen und aus dem Nichts eine Musterplantage schufen. Selbst in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise hatten die Amerikaner ihm nicht gekündigt, erst 1941 mußte er infolge der Kriegswirren das Land verlassen.
Als dann die deutsche Firma 1952 bei Firestone anfragte, ob sie mit einer Unterstützung ihrer Pläne zur Errichtung einer neuen Plantage rechnen könnte, antworteten Cassels alte Freunde: wenn Sie Cassel zum Direktor machen, geben wir Ihnen alle Hilfe, die Sie brauchen. So holte man Cassel zurück nach Liberia.
Die Schwierigkeiten, mit denen die Deutschen hier zu kämpfen haben, sind gewaltig. Das Hauptproblem stellt auch hier der Mangel an Arbeitskräften dar. Alle Regenwaldgebiete sind dünn bevölkert von rückständigen und sehr bedürfnislosen Menschen, die, sobald sie einen kleinen Sack voll Reis auf der Schulter haben, wieder in den Urwald verschwinden.
900 bis 2000 Afrikaner beschäftigt die Plantage. Genau wie bei Firestone haben hier schon kleinere Streiks Unruhe geschaffen, kurze Streiks, die von Nichtliberianern angezettelt wurden. Da die Regierung die Löhne festsetzt, hat sie natürlich großes Interesse daran, die Streiks zu unterbinden und die Anstifter außer Landes zu schicken. Einmal sollen sogar Streikfanatiker von Soldaten nackend in Einbäume verfrachtet und in ihr Heimatland zurückgebracht worden sein, nachdem sie vorher mit der Nagaika, der Lederpeitsche, Bekanntschaft geschlossen hatten.
Die Plantage ist ähnlich angelegt wie die von Firestone; die einzelnen, von je einem Pflanzer beaufsichtigten divisions werden hier „Vorwerke“ genannt, und jedem Vorwerk ist ein Dorf für die Arbeiter angegliedert, das sogar einen Fußballplatz besitzt – Ball und Dreß werden geliefert.
Als ich am anderen Morgen im Gästehaus auf dem Zentralhügel aufwachte, ertönte das morgendliche Geschrei der Arbeiter, das mir noch von früher her in den Ohren klang. Auf den gepflegten Rasenflächen stolzierten anmutig kleine weiße Reiher einher, aus einem Hibiskusbusch ließ ein Spornkuckuck sein „Du-Du“ ertönen.
Die Gesellschaft hat auf ihrem Gelände ein kleines, modernes Hospital gebaut, eine Gärtnerei mit einer Versuchsstation angelegt, eine Fabrik zum Trocknen der Bananen und einen Laden gegründet, in dem auch die etwa zwanzig deutschen Angestellten ihre Einkäufe machen. Sie beschäftigt ihre eigenen Lehrer, Friedensrichter und Polizisten für die schwarzen Arbeiter.
Rund 1000 ha Land sind bepflanzt, doch hat die Panama-Krankheit auf den Bananenfeldern nicht unerheblichen Schaden angerichtet. Zwei Fünftel des kultivierten Landes werden von Bananenstauden eingenommen und etwa drei Fünftel von Gummibäumen. Ausgeführt wurden bis jetzt nur getrocknete Bananen.
Wie immer versuchte ich die Gastfreundschaft meiner Gastgeber durch einen Lichtbildervortrag zu entlohnen. In ganz Afrika hatte ich nie wieder so begeisterte und andächtig lauschende Zuhörer wie diese kleine Schar von Landsleuten im Urwald von Liberia.
Kap Palmas – meine alte Heimat
Die Abfahrt verzögerte sich dadurch, daß ich den Anker nicht einhieven konnte. Sofort sprang der Lübecker hilfsbereit ins Wasser und tauchte mehrere Male, bis er den Anker klar bekam. Mit einem Motorboot begleitete er mich noch auf die See hinaus, bis ihn die hereinbrechende Dunkelheit zurückrief.
Mein nächstes Ziel war Kap Palmas, etwa 100 Seemeilen entfernt und im äußersten Süden von Liberia gelegen. Dort unterhält die Firestone-Gesellschaft eine kleine Plantage, auf der ich ein Jahr lang arbeitete und den Einbaum baute, der später den Atlantik überquerte.
Da die Strömung in diesen Gewässern besonders stark ist und da ich zusätzlich die Windkraft eines Tornados gut ausnutzen konnte, warf ich bereits am Mittag des folgenden Tages direkt vor der Einfahrt zum Hofman-Fluß den Anker. Obwohl ich die Furt in den Fluß genau kannte, durfte ich es selbst bei Hochwasser nicht wagen, die Barre, die Meer und Fluß voneinander trennt, zu überqueren.
Im übrigen ist man draußen auf Reede immer vor dem Angriff unzähliger Mücken sicher,