dienen soll. Große Dampfer müssen nach wie vor auf Reede gehen. Gehässige Zungen behaupten sogar, der Hafen diene vor allem den persönlichen Bedürfnissen des Präsidenten, seiner Farm und seiner Luxusyacht. Tubman besitzt zwei Riesenyachten, von denen eine nur ihm selbst zur Verfügung steht, während die andere als liberische Marine anzusehen ist. Eine dieser Yachten traf ich schon in Las Palmas auf den Kanarischen Inseln. Der junge spanische Kapitän ließ sie dort gerade überholen.
Mit dem Faltboot, das ich inzwischen repariert hatte – es war ja in der Sturmboe vor der Saharaküste in der Mitte durchgebrochen –, paddelte ich durch die gefährliche Furt und landete dort, wo vor Jahren der Einbaum vom Stapel gelaufen war. Binnen Sekunden war das Boot von Neugierigen umringt, jeder wollte mich mit liberischem Handschlag – ein mehrmaliges Fingerknipsen – begrüßen. Fragen stürzten auf mich ein, Ausrufe der Überraschung und Freude wurden laut.
Dann kam Jule, der Fischer, der mir damals den Einbaum besorgt hatte: „Doktor, ich wußte immer, daß Sie noch mal zurückkommen würden! Herzlich willkommen bei ihren alten Freunden!“
Harper, das kleine Städtchen auf Kap Palmas mit seiner reizvollen Lage zwischen Meer und Fluß, bietet ein ausgesprochen tropisches Bild: primitive Lehmhütten stehen neben selbstgebauten Bungalows, gegenüber vom Palast des Präsidenten wackelt eine altersschwache Bretterbude im Wind, und in Kloakengewässern wühlen hungrige Schweine grunzend nach Futter.
Am Stadtausgang ragten mitten aus einem verwahrlosten Feld ein paar funkelnagelneue Gebäude hervor, doch weit und breit war keine einzige Menschenseele zu sehen, denn die Häuser sind unbewohnt! Sie sind das neue Hospital, dessen Inneneinrichtung angeblich in Kisten verpackt bereits eingetroffen – indessen noch nicht bezahlt ist.
Dieser Fall erinnerte mich lebhaft an die Klage eines indischen Lehrers, der dem Spital gegenüber wohnte. Seine Schule sollte aus Monrovia Lehrmittel für den Physikunterricht erhalten, große Freude! Doch was kam an: nichts als ein paar Reagenzgläser! Die Bunsenbrenner waren offensichtlich anderswo gelandet, die Glaskolben wieder woanders etc.
Als einmal in Harper ein Haus zusammenbrach und etwa zehn Personen verletzt wurden, konnte der europäische Arzt ihnen nicht helfen, weil er keine Medikamente und Verbandstoffe mehr hatte. Er kabelte um Soforthilfe nach Monrovia, und in der Tat, man half: ein Sonderflugzeug traf in Harper ein und überbrachte – acht Mullbinden!
Wie wird man reich?
Ein Libanese, Besitzer mehrerer Geschäfte und Häuser, fuhr mich zur Plantage. Auf der Fahrt erzählte er mir seinen Werdegang, der typisch für Karriere der Syrer und Libanesen ist, die in Westafrika einen großen Teil des Handels an sich gerissen haben.
Joseph Kashouh war als kaufmännischer Angestellter aus dem Libanon nach Liberia gekommen. Die ganze Familie hatte zusammengelegt und unter großen Opfern seine Fahrt finanziert. Nach seiner Ankunft in Liberia arbeitete er drei Jahre lang bei einem anderen Libanesen und machte sich danach mit seinem Bruder in dem Flecken Pleebo in der Nähe von Harper selbständig. Das war zu der Zeit, da ich auf der Plantage arbeitete und ihn und seine Bekannten, Kaufleute aus seiner Heimat, behandelte. Damals besaß Joseph nichts als sein liebenswürdiges Lächeln.
Aber er scheute sich nicht, wie alle seine Landsleute auch, ganz einfach, beinahe afrikanisch, anzufangen. Was er seinen afrikanischen Kollegen voraus hatte, waren sein Bienenfleiß und seihe Aktivität, und was ihm gegenüber den europäischen Kaufleuten Vorteile verschaffte, war seine Anspruchslosigkeit. Zusätzlich half ihm der Umstand, daß Afrikaner häufig lieber bei Weißen kaufen, weil sie ihnen – meist mit Recht – mehr vertrauen.
Kurz und gut: Joseph wurde in kurzer Zeit reich. Aber noch heute wohnt und ißt er sehr bescheiden, hat keine Interessen außer seinem Geschäft und leistet sich als einzigen Luxus nur Kaffee und eine kleine Afrikanerin, an der er sehr hängt und die ihm bereits drei Kinder geschenkt hat.
Ausländische Kaufleute haben es in einigen Gebieten Westafrikas nicht ganz so leicht. Wie sollen sie zum Beispiel einen Minister dazu bewegen, die Schulden zu bezahlen, die seine Frau bei ihnen macht? Denn zum Privileg hoher Beamter gehört es, Schulden zu machen, und der Kaufmann, der keine Unannehmlichkeiten haben will, treibt sie am besten nicht ein.
Ein andermal lud mich ein liberischer Ingenieur ein. Er hatte in Amerika studiert und leitete jetzt den Straßenbau in der Provinz, besaß aber auch eine eigene Reparaturwerkstatt, in der die Straßenbaumaschinen wieder hergerichtet wurden. Als ich ihm erzählte, daß ich als nächsten Hafen Abidjan besuchen wollte, fragte er mich: „Auf dem Cavally nach Abidjan?“ Das wäre ungefähr so, als wenn ein Hamburger fragen würde, ob ich auf der EIbe nach Rotterdam segeln wollte. Später klärte man mich auf, daß der „Ingenieur“ nur ein Mechaniker sei, aber im übrigen das Gehalt eines ausländischen Arztes empfange.
Die Liberianer sind im allgemeinen hilfsbereit, sehr gastfreundlich, immer zu Späßen aufgelegt. Kein Weißer wird jemals von ihnen verletzt oder unfreundlich behandelt werden – solange er sie respektiert. Wer jedoch arrogant auftritt, stößt auf Abneigung und tief verborgene Ressentiments. Die Frage “Wann reist du ab, weißer Mann?“ gilt für Kolonialsysteme, jedoch niemals für den Europäer im einzelnen. Im Gegenteil: überall bemühen sich die westafrikanischen Regierungen verzweifelt darum, neue europäische Fachkräfte für ihr Land zu verpflichten. Die Zeit des Europäers ist noch lange nicht zu Ende, der Weiße muß jedoch als Freund kommen, als Helfer und nicht als Ausbeuter und Besserwisser.
Nachdem ich mit meinen alten Freunden ein anstrengendes Neujahrsfest im „Club“ der Plantage verleben durfte, verließ ich schweren Herzens Liberia, dessen Einwohner ich immer sehr geschätzt habe. Aber die Zeit drängte, Nifia und ich hatten einen festen Fahrplan vereinbart, den ich einhalten mußte.
Wieder einmal waren meine Eindrücke von Liberia gegensätzlich; dem guten Willen des Präsidenten steht das selbstgefällige und verständnislose Gebaren einiger seiner Mitarbeiter entgegen.
In Haiti und Liberia hatten Afrikaner Gelegenheit, zu kolonisieren. Sie haben es nur bedingt vermocht. Erst als Liberia das Vorbild der großen „kapitalistischen Firmen“ im eigenen Lande aus nächster Nähe beobachten konnte, erst als Präsident Tubman mit seiner Politik die engen Tore seines Landes öffnete, zeigte es sich, daß auch Afrikaner ihr eigenes Land zum Besten der Allgemeinheit erschließen können.
1 Wind, der von seitlich-hinten einfällt.
SECHSTES KAPITEL
DER WEISSE „JU – JU – MANN“
Im Städtchen Harper in Südliberia hatte ich eine aufgeregte Liberianerin kennengelernt, die nach Abidjan fliegen wollte, um ihren Mann zurückzuholen. Das „Paris Westafrikas“ nannte sie diese Stadt an der Elfenbeinküste, in der ihr Mann Urlaub machte, all sein Geld ausgab und um neues kabelte.
„Nehmen Sie sich in acht vor Abidjan“, meinte sie, als sie hörte, daß die sündige Stadt als nächstes Ziel auf meinem Fahrplan stand. Sie konnte sich beruhigen: ich fand Abidjan, das ich von früher her kannte, nicht mehr und nicht weniger sündig als alle größeren Orte Afrikas – und zudem kümmere ich mich nicht um die Sünden anderer.
Von der Pfeffer- zur Elfenbeinküste
Von Kap Palmas, dem südöstlichsten Felsvorsprung Liberias, nach Abidjan sind es etwa 250 Seemeilen. Die Elfenbeinküste unterscheidet sich in nichts von der Pfefferküste, wie man einst Liberias Küste nannte: beide sind meist flach, und hinter dem Strandwall, auf den die Brandung, die Kalema, mit großem Getöse donnert, erstrecken sich oft große Lagunen mit Mangrovensümpfen weithin ins Land.
An den Bezeichnungen Pfeffer-, Elfenbein-, Gold- und Sklavenküste erkennt man, welche Waren früher in jenen Gegenden für den Export gediehen. Von der Pfefferküste – die Engländer sagen Grain Coast, und die Seeleute vergessen dabei das „g“ und machen die Körnerküste zu einer Regenküste – stammten die Paradieskörner, der Guineapfeffer, der in Europa ebenso gerne zum Würzen von Speisen gebraucht wurde