Hannes Lindemann

Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln


Скачать книгу

ersetzen.

      Lambarene war nichts ohne Albert Smweitzer, und es wird vielleimt nichts als eine historische Gedenkstätte sein, wenn der große Alte einmal nicht mehr ist.

      Luxuspreise und Krokodile

      In nur zwölf Stunden fuhren wir auf dem Ogowe von Lambarene nach Port Gentil zurück; das war die Hälfte der Zeit, die wir für die Fahrt flußaufwärts gebraucht hatten, als wir gegen die starke Strömung ankämpfen mußten.

      Völlig durchnäßt von den Sturzbächen eines Tornados langten wir bei der LIBERIA IV an; sie lag zwar immer noch an ihrer Boje, hatte aber während meiner Abwesenheit auch ein paar Tornados über sich ergehen lassen müssen. Ihr Schanzkleid war aus den Fugen gerissen, und die Außenhaut hatte einige Kratzer abbekommen, aber das kann man nicht vermeiden, wenn die Strömung aus einer anderen Rimtung als der Wind kommt, das Boot gegen die Boje gesetzt wird und niemand an Bord ist, der es schützt. Auf alle Fälle war die LIBERIA nicht abgetrieben worden und an Land zersmellt – das war die Hauptsache!

      Ich blieb noch ein paar Tage in Gabon, um mich auf meine dritte Atlantiküberquerung vorzubereiten. Aber ich litt – nicht etwa unter den Tornados, die weiterhin über mein Boot und mich hinwegbrausten, sondern unter den sündhaft hohen Preisen, die in Port Gentil verlangt wurden. Dieser Ort smien den zweifelhaften Ruhm zu genießen, das teuerste Pflaster Afrikas zu sein, allein das Haarschneiden kostete umgerechnet 8,50 DM! Trotz dieser Preise wächst die langweilige, brütend heiße kleine Stadt zusehends; sie schwimmt auf Öl, erzählten meine Bekannten, und dadurm entstehen natürlich ständig neue Arbeitsplätze.

      Gabon ist eines der wenigen Gebiete Afrikas, in denen es noch von Großwild wimmelt: von Schimpansen, Gorillas, Elefanten, Flußpferden und Krokodilen. Albert Schweitzer erzählte mir, seine Obstplantagen seien früher häufig von Schimpansen geplündert oder von Elefanten niedergetrampelt worden.

      Nicht selten hört man auch von überfällen durch Krokodile. So wurde ein 25 jähriger Europäer vor kurzem plötzlich von einer solchen Bestie erfaßt als er im Ogowe an seinem Boot arbeitete und bis zum Gürtel im Wasser stand. Er versuchte mit aller Kraft, dem Tier die Gurgel zuzudrücken – und tatsächlich: nach einer Weile ließ das Krokodil von ihm ab. Ein paar Stunden später konnte man den Schwerverletzten mit dem Privatflugzeug eines europäischen Holzfällers – diese Flugzeuge sind kein Luxus, sondern absolute Notwendigkeit in diesem unwegsamen Gelände – in ein Hospital bringen, wo es den Ärzten nach langen Bemühungen gelang, ihn zu retten.

      Schlimmer erging es einem Seemann, der bei Außenbordarbeiten im Hafen von Port Gentil die Füße ins Wasser hängen ließ. Er wurde von einem Krokodil ins Wasser gerissen, und niemand konnte ihm mehr helfen.

      Natürlich hielt ich stets Ausschau nach Krokodilen, wenn ich an Land paddelte, aber es ließ sich kein einziges blicken.

      ACHTES KAPITEL

      ZUM DRITTEN MAL ALLEIN ÜBER DEN ATLANTIK

      Bevor ich Port Gentil verließ, verholte ich die LIBERIA IV noch einmal an die Mole, verstaute Proviant, tankte Wasser und Dieselöl und erhielt von André einen – Graupapagei.

      Dieses Abschiedsgeschenk kam vollkommen überraschend. Zwar habe ich Tiere, besonders Vögel, sehr gern, aber an Bord hatte ich sie bisher noch nie genommen, das hielt ich für Tierquälerei.

      Das einzige Tier, das mich vorher je eine Strecke auf hoher See begleitet hatte, war „Jim“, eine Heuschrecke, gewesen. Am siebten Tag meiner Überquerung im Faltboot saß „Jim“ plötzlich im Besanmast; wahrscheinlich hatte ihn der Passat von Afrika aufs Meer getrieben. Er blieb zwei Tage Gast an Bord, dann war er auf ebenso geheimnisvolle Weise wieder verschwunden – vielleicht vom Winde verweht, vielleicht entkräftet ins Wasser gefallen.

      Unter großem Hallo der Segelfreunde vom „Yachtclub Ogowe“ legte ich mittags ab. Der Papagei war in einem Pappkarton recht notdürftig untergebracht, darin konnte er unmöglich über den Atlantik segeln. Also baute ich ihm zunächst einmal ein Vogelbauer aus einer Kiste, und da saß er nun, vollkommen verstört.

      Inzwischen zerbrach ich mir den Kopf nach einem Namen. Schließlich taufte ich das Tier „Amigo“, denn um seine Freundschaft mußte ich jetzt werben: es war voller Angst, gab keinen Ton von sich und biß wütend in alles, was ich ihm vorsetzte. Verständlich! Wer wird schon gerne „zwangsverschleppt“? Jedoch am Abend schien Amigo es sich anders überlegt zu haben. Seine größte Wut war verflogen, er fing zu pfeifen an und fügte sich als geborener Philosoph und Optimist in das Unvermeidliche. Nur störte mich ein wenig, daß er ausgesprochen großzügig aß: das halbe Essen ließ er fallen.

      Am zweiten Tag war Amigo wie umgewandelt, er pfiff mir freundlich zu, verriet mir seinen früheren Namen „Jacko“ und versuchte nicht mehr, in meine Finger zu beißen. Sobald ich mit ihm sprach, hielt er seinen Kopf hin, um gestreichelt zu werden. Ich hatte Hoffnung, daß wir beide ein gutes Team werden würden.

      In den frühen Morgenstunden des zweiten Tages stand ich vor der winzigen spanischen Insel Annobón, die von Fernando Póo aus verwaltet wird. Nur alle acht Wochen einmal läßt sich ein Dampfer auf der Insel sehen – außer dem Funk die einzige Verbindung mit der Außenwelt. überraschend war es daher, daß ausgerechnet zur gleichen Zeit wie ich ein Flugzeugträger unbekannter Nationalität auftauchte. Er war übrigens genau so erstaunt wie ich und kam neugierig zur Nordseite der Insel, wo ich gerade vor dem Eingeborenendorf Anker warf.

      Genau wie die anderen drei vulkanischen Inseln im Golf von Guinea, Fernando Póo, Principe und São Tomé erweckt auch Annobón den Eindruck einer Südseeinsel: aus einer Fülle tropischen Grüns, das ins kobaltblaue Meer eingebettet ist, ragen prächtige graublaue Felssilhouetten hervor. Vor den Strohhütten des Dorfes San Antonio erstreckt sich der grellgelbe Strand, an dem sich türkisfarbene Wellen zu weißem Schaum schlagen. Die grauen Dächer des idyllischen Dorfes werden von einer weißen Kirche und den Verwaltungsgebäuden überragt.

      Während ich versunken dieses paradiesische Bild betrachtete, war ein großer Einbaum mit etwa zehn Afrikanern und zwei Spaniern längsseits gekommen, die ihre Dienstmiene aufgesetzt hatten. Als ich sie spanisch ansprach, verschwand die Dienstmiene auf der Stelle, und sie luden mich ein, an Land zu kommen und solange zu bleiben, wie ich nur wollte.

      Muy bien – blieb nur das eine Problem, was ich mit Amigo machen sollte. Mitnehmen? Nein, ich würde ihn ja zur Nacht wiedersehen. Also stellte ich ihn in die Plicht; in der Kajüte hätte er sich allzu sehr geängstigt.

      Die beiden Spanier hießen Rudolfo und Ricardo. Rudolfo war schwer bewaffnet, vielleicht wollte er einer eventuellen feindlichen Invasion seitens des Flugzeugträgers Widerstand leisten; „man kann ja nie wissen“, verteidigte er sich. Er war der „Gouverneur“ der Insel und vereinigte außerdem in seiner Person die Ämter eines Kantinenwirtes, Postmeisters, Polizeihauptmanns, Schiedsrichters bei Eingeborenenpalavern, Lotsen und Lagerverwalters. Ricardo dagegen war nur Krankenpfleger, Doktor und Hebamme; er richtete gerade ein neues Revier ein; wie ich war er nur Gast auf der Insel.

      Lediglich alle zwei Monate – wenn der Dampfer kam – wurde den beiden etwas auf die Finger geschaut. Ansonsten war Rudolfo für zwei Jahre ungekrönter König in diesem Inselparadies; etwa 1500 Krausköpfe erwiesen ihm alleruntertänigste Ehre.

      Allem Anschein nach war ich sein erster Gast. Grund genug, ein kleines Fest zu feiern. Rudolfo ließ ein Schwein schlachten, ein Huhn und eine Ziege. Während wir stundenlang speisten und mehrere Weinsorten probierten, heulte plötzlich der Wind durch die Fenster, begann es zu blitzen und zu donnern und in Strömen zu gießen. Man konnte keine 20 Meter weit sehen.

      Nach einer Stunde schien wie üblich wieder die Sonne – man hätte nie geglaubt, daß in der Zwischenzeit ein Tornado über die Insel gebraust war. Mich beunruhigte das Schicksal Amigos. Mit meinem Schlauchboot pullte ich zur LIBERIA. Schon von weitem rief ich seinen Namen, aber kein Freund antwortete. Als ich in die Plicht kletterte, sah ich sogleich die aufgebrochenen Gitterstäbe. Amigo war durch den Tornado in Panik geraten, hatte in seiner