Hannes Lindemann

Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln


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gesegelt, auch die Einhandsegler machen dabei keine Ausnahme; eine Selbststeuerungsvorrichtung, die sie häufig an ihrem Boot anbringen, hilft ihnen zuweilen.

      „Wie stand es denn mit dem Schlaf?“ fragte ein anderer.

      Im Einbaum litt ich unter Schlafmangel, ich habe in einem der vorigen Kapitel bereits darüber berichtet; im Faltboot konnte ich mit Hilfe des Autogenen Trainings aus wenigen Minuten der Entspannung Kraft und Ruhe schöpfen.

      Auf einer Yacht wie auf unserer LIBERIA IV hingegen war das Schlafproblem leicht zu lösen. Ich habe nie verstehen können, wie Yachten mit mehrköpfiger Besatzung über Schlafmangel klagen können, übermüdung und Erschöpfung. Was sollen da die Einhandsegler sagen? Auch Niña und ich haben häufig harte Tage gehabt, aber unsere Wachzeiten hielten wir dennoch ein.

      Von 19.00 bis 24.00 Uhr saß Niña an der Pinne, bei gutem Wetter oft noch bis 01.00 oder 02.00 Uhr. Anschließend übernahm ich die Wache bis 8.00 Uhr, weckte meine Frau, die wieder bis mittags ins Cockpit stieg und mich dann zu den Mittagsbeobachtungen rief. Um ein Uhr hatte ich erneut Ruderwache, meine Frau bereitete indessen das Essen zu und löste mich zuweilen für kurze Zeit ab, wenn ich navigatorische Eintragungen machte.

      Erst wenn ein Segler ausfällt und den andern „Überstunden“ machen läßt, gerät das Schlafsystem durcheinander – und damit meist auch das gute Einvernehmen an Bord.

      Selbstverständlich schläft man auf hoher See nicht so gut wie im Hafen, im Sturm nicht so gut wie bei Flaute, aber deswegen ist noch lange nicht einzusehen, warum Sportsegler aus übermüdung ihre Wache nicht schieben können. Je unerfahrener die Besatzung, desto mehr Klagen über Schlafmangel und zu lange Wachen.

      „ Was haben Sie getan, um Bewegung zu bekommen und um körperlich fit zu bleiben? Auf einem Boot hat man doch keinen Auslauf und muß dauernd im Cockpit hocken?“

      Für Einbaum und Faltboot hatte diese Frage ihre Berechtigung. Der Mangel an Bewegung konnte natürlich durch gelegentliche Schwimmausflüge in die nähere Umgebung des Bootes nicht wettgemacht werden. Im Faltboot verstand ich es – nach vorhergehendem sechsmonatigem Training, das Blut in meine Füße zu dirigieren, die 72 Tage lang zumeist in der gleichen Stellung verharren mußten und dabei nicht absterben durften. Aber auf einer Yacht braucht man wirklich nicht über Bewegungsmangel zu klagen. Wie tanzt sie auf dem Meere herum, wie muß man sich gegen Wanten, Reling und Cockpitverkleidung stemmen, um im Gleichgewicht zu bleiben! Mit Füßen und Händen, mit Oberschenkeln und Schultern! Allein die unbewußten Reaktionen auf die Bewegung der Wellen, die unwillkürlichen Ausgleichsversuche des Körpers, ermüden mehr, als man ahnt.

      Und was gibt es vor allem an Bord nicht alles zu tun! Nicht Gymnastik ist es, was da betrieben wird, sondern schwerste, manchmal sogar blutige Knochenarbeit! Haben Sie schon mal bei Windstärke sieben den Klüver weggenommen? Man kann dabei bis zu den Hüften ins Wasser tauchen, und es hagelt blaue Flecken und Hautabschürfungen! Oder bei Windstärke neun das Großsegel geborgen? Wenn einem das dicke Segeltuch um die Ohren knallt und die Fingernägel brennen, als werde man einer mittelalterlichen Folterkur unterworfen?

      Da ich keine taugliche Ankerwinsch an Bord hatte, war auch das Ankerlichten jedesmal harte körperliche Arbeit. Hatte ich bei mäßig bewegter See den Anker eingehievt und die Segel gesetzt, mußte ich mich im Cockpit schweißgebadet von dieser Prozedur erholen.

      „Was geschieht, wenn Sie krank werden?“ wurde ich häufig gefragt.

      Ich habe schon erwähnt, daß man in einem Segelboot sehr selten eine Krankheit bekommt. Die Meeresluft ist so keimarm wie die Luft in einem Waldkurort, außerdem sind die Besatzungen von Yachten meist jung, gesund, voller Elan und von vornherein keine Typen, die leicht krank werden. Dagegen kommt es häufiger einmal zu Unfällen – von Verstauchungen der großen Zehe bis zu Gehirnerschütterungen durch einen Schlag mit dem Großbaum.

      Auf Ozeandampfern sieht die Sache ganz anders aus. Aber schließlich ist solch ein Luxusdampfer ja nichts anderes als ein schwimmendes Hotel, das von einer Großstadt in die andere fährt und von dem man auch auf das Meer schauen kann. Infektionsquellen sind also mehr als genug vorhanden.

      „Haben Sie überhaupt gekocht?“ Und: „Wovon lebten sie all die Tage auf dem Meer?“

      Kalte Konserven und rohe Fische, die ich angelte, mit Dreizack und Harpune speerte, mit dem Unterwassergewehr schoß oder mit der Hand fing, waren auf den beiden ersten Fahrten meine Hauptnahrung. Wie mein Speisezettel auf der LIBERIA IV aussah, habe ich teilweise schon erzählt. Allzu großen Wert auf warme Mahlzeiten legten weder Niña noch ich, manchmal öffneten wir schnell eine Konservendose und aßen den Inhalt kalt. Die Auswahl an Konserven ist heute so ungeheuer groß, daß selbst auf Langfahrten der Speisezettel an Bord durchaus nicht unter einem Mangel an Abwechslung zu leiden braucht.

      Da eine Yacht selten länger als zwei Wochen ununterbrochen auf dem Meer segelt, kann sie sich außerdem an Land stets mit frischen Lebensmitteln versorgen. Es gibt natürlich Tage, die ausschließlich im Zeichen eines einzigen Nahrungsmittels stehen: zum Beispiel einer Bananenstaude, die man im Hafen gekauft hat und deren Früchte unglücklicherweise alle auf einmal reifen. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als gekochte, gebratene, rohe und zu Muß verarbeitete Bananen zu essen, bis der Segen ein Ende hat. Wie mit den Bananen, ist es uns auch schon mit Ananas, tropischen Apfelsinen und mit einer Ladung Sardinen ergangen, die uns portugiesische Fischer aufs Deck schütteten. Fehlt Frischobst, wie es auf Ozeanüberquerungen oft der Fall ist, so sind Trockenobst, Trockengemüse und Nußkerne willkommene und gesunde Lückenbüßer.

      Nuß- und Sonnenblumenkerne helfen auch lange Nachtwachen verkürzen. Sitzt man vier Stunden und mehr an der Pinne, empfindet man es als eine Wohltat, wenn man etwas zu knabbern hat. Gleich gute Dienste leisten Schoka-kola oder Dextroenergen und ein Schluck gesüßter Tee. Auf der LIBERIA bekam der Rudergänger jeden Abend eine Thermosflasche voll heißen Tee mit, wenn er auf Wache ging.

      Einen Eisschrank, wie ihn so viele Amerikaner in ihren Yachten installieren, hatten wir nicht an Bord. Er ist selbst in den Tropen nicht unbedingt nötig so sehr ein kühler Trunk hin und wieder erfrischt. Auf einige Grad tiefer als die umgebende Temperatur kann man ein Getränk immer bringen, wenn man, wie ich es auf dem Einbaum tat, nach altem Rezept eine Feldflasche ins Wasser steckt und sie danach mit dem nassen Futter dem Wind aussetzt. Durch die entstehende Verdunstungs kälte wird die Flüssigkeit in der Flasche unterkühlt. Ähnlich arbeitet eine spanische Botija, ein Tonkrug, den wir seit Las Palmas mit uns führten.

      „Haben Sie sich richtig waschen können?“ Auch diese Frage wurde meist von Frauen gestellt.

      Wir hatten reichlich Süßwasser an Bord der LIBERIA IV, .aber als vorsichtiger Hausvater mußte ich natürlich mit unvorhergesehenen Zwischenfällen rechnen und zur Sparsamkeit anhalten. So klagte Niña mehr als einmal, sie müßte sich in „einer Tasse Wasser“ baden. Das stimmte nicht ganz: eine Waschschüssel voll Wasser stand ihr immer zur Verfügung – aber ich gebe zu, daß selbst das in den Tropen für eine Frau nicht hin und nicht her reicht.

      Männer haben es einfacher: ein Eimer Salzwasser leistet ihnen genau die gleichen Dienste. Bei ruhigem Wetter sprang ich regelmäßig über Bord und gönnte mir ein ausgiebiges Bad. Allerdings nie ohne Unterwasserbrille und Flossen. Diese Ausrüstung war ein kleines Zugeständnis an allzu neugierige Haie, die ich auf die Weise unter Wasser leichter sehen und denen ich gegebenenfalls schneller entfliehen konnte.

      „Was für sanitäre Anlagen hatten Sie an Bord Ihrer Yacht?“

      Die LIBERIA IV besaß ein ganz einfaches – Verzeihung – Eimer-Klosett, das meiner Frau zwar ausgesprochen unsympathisch war, das ich jedoch trotzdem wieder in ein Boot einbauen würde. Wie gut ich daran getan hatte, einen schlichten Eimer statt eines modernen Wc’s zu wählen, stellten wir in St. Thomas fest, als wir eine Yacht trafen, die eines Nachts beinahe untergegangen war, weil ein Besucher vergessen hatte, die Sperre des Beckens zum Meerwasser zu betätigen. Glücklicherweise mußte der Eigner den verschwiegenen Ort in der gleichen Nacht ebenfalls aufsuchen; als er aus der Koje sprang, landete er in knietiefem Wasser und entdeckte auf diese wenig angenehme Weise die Bescherung. Mit vereinten Kräften öste die Besatzung das Wasser wieder aus, doch eine überholung des