Hannes Lindemann

Maritime E-Bibliothek: Sammelband Abenteuer und Segeln


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Was kostet Sie die Fahrt?“ bin ich auf meiner Reise mit der LIBERIA IV immer wieder gefragt worden.

      Auf den ersten Blick könnte man glauben, das Leben an Bord sei sehr billig. Aber dieser Eindruck täuscht. Es gibt unzählige Ausgaben, an die der Laie nicht denkt: hohe Unterhaltungskosten für Segel, Boot und Motor, Liegegeld im Hafen, Fahrgeld, um zum Boot zu gelangen etc. Selbst wenn man für Essen und Wäsche wenig ausgibt und alle Arbeiten an Bord selbst verrichtet, kommt das Leben auf See nicht billiger als an Land. Man müßte schon sich selbst und sein Boot sehr vernachlässigen, wollte man die notwendigen Ausgaben einschränken.

      Meine Frau und ich haben auf unserer Fahrt gegen Schimmel auf Schuhen und Kleidern kämpfen müssen, gegen Rost, der unsere Kleidung befleckte, gegen den muffigen Geruch, der unsere gesamten Sachen durchdrang, gegen die fliegenden Kakerlaken. Diesen Biestern entgeht in den Tropen kein Boot, man räuchert sie aus, und in der nächsten Nacht kommen sie wieder vom Hafengelände her angeflogen, spätestens bei der nächsten Verpflegungsübernahme sind sie an Bord.

      Alle diese und unzählige andere Offensiv- und Defensiv-Maßnahmen kosten Geld.

      Die Baukosten für ein kleines Boot von acht bis zehn Meter Länge entsprechen denen eines kleinen Einfamilienhauses, selbst die Unterhaltungskosten sind ungefähr die gleichen.

      Soviel über Geld.

      ZWÖLFTES KAPITEL

      BOOT UND AUSRÜSTUNG

      Ich habe in den vorigen Kapiteln ganz bewußt wenige technische Daten gebracht, weil sie meiner Ansicht nach in einem Reisebuch, das sich an keinen speziellen Leserkreis richtet, störend wirken. Zudem stütze ich meine Erfahrungen zur See mehr auf Kleinstboote als auf Yachten.

      Für die Yachtsegler will ich jedoch in diesem Kapitel gesondert und ausführlich Boot und Ausrüstung beschreiben.

      Die LIBERIA IV kann nicht als mustergültiges Vorbild, sondern höchstens als Anregung für die Planung ähnlicher Unternehmen dienen, denn ihre Konstruktion und ihre Ausrüstung mußten sich nach meinen beschränkten Mitteln richten.

      Die Abmessungen des Spitzgatters LIBERIA IV:

Länge über Alles: 8,98 m
Länge in der Wasserlinie: 7,90 m
Größte Breite: 3,20 m
Tiefgang: 1,65 m
Wasserverdrängung: 7,50 t

      Klüver, Fock und Großsegel ergaben zusammen eine Segelfläche von 46 qm.

      Der Konstruktionsplan stammte von der Yacht- und Bootswerft Matthiessen und Paulsen in Amis an der Schlei. Die Yacht- und Bootswerft Heinrich Hatecke in Freiburg an der Niederelbe führte den Bau durch und unternahm einige Anderungen. Sie brachte zum Beispiel einen Klüverbaum an, erhöhte mittschiffs den Freibord, weil ich den Sprung übertrieben fand, und nahm vom 2,9 Tonnen schweren Eisenkiel achtern etwa 400 kg ab, da ich einen stärkeren Motor und Tanks mit einem größeren Fassungsvermögen als vorhergesehen gewählt hatte.

      Durch diese Änderungen, auf denen ich aus Gründen der Schnelligkeit und Sicherheit bestand, mußte ich damit rechnen, daß das Boot weniger ausgeglichen segelte. Es lief danach höchstens auf Am-Wind-Kursen allein. An einer Trimmung meiner vollbeladenen Yacht war ich weniger interessiert, als andere Segler es sein mögen, weil ich durch die Beherrschung des Autogenen Trainings und seiner Entspannungsübungen mit viel weniger Schlaf auskam und keinen Wert darauf legte, daß das Boot allein lief. Ich nehme jedoch nicht an, daß die LIBERIA IV jemals bei raumem Winde allein segeln wird, solange die achtern gelegenen Tanks mit ihrem riesigen Fassungsvermögen von beinahe einer Tonne Treibstoff und Wasser nicht in die Bilge verlegt werden.

      Wenn mir auch ausreichende Vergleichsmöglichkeiten fehlen, so glaube ich doch, daß die LIBERIA IV kein langsames Boot war, wie ihre Linien vermuten lassen könnten. Natürlich, flaue Winde liebte sie nicht, aber sobald das Meer zu schäumen begann, zeigte sie, daß sie es eilig hatte. Am dankbarsten war sie für steife Winde, bei denen andere Yachten ihr erstes Reff eindrehten. Dann rauschte ihr Kielwasser wie bei einem Dampfer.

      Bei halbem Winde nahm ich bei Windstärke sechs den Klüver weg, bei sieben steckte ich das erste Reff ein. Obwohl das Großsegel mit einem Bindereff versehen war, habe ich immer das Drehreff benutzt, weil es für einen Einhandsegler leichter zu handhaben ist. Daß man im Beginn einer Fahrt aus Vorsichts- und Sicherheitsgründen besonders schnell refft, ist klar.

      Bei achterlichen Winden kürzte ich bei sieben bis acht Windstärken die Doppelfock auf die normale Fock oder nahm von vornherein raumen Kurs. Nur ein Anfänger wird sich pedantisch an den Kurs klammem; bei größeren Distanzen kann man besser einen neuen Kurs absetzen als unbequeme Kurse in Kauf nehmen, selbst wenn dabei einige Meilen mehr gelaufen werden müssen.

      Ein Sechstel der Fahrtstrecke hat die LIBERIA IV hoch am Wind segeln müssen, und das war nicht ihre Stärke.

      Die Bewegungen der LIBERIA IV auf hoher See waren ausgesprochen sanft und harmonisch; das Rollen des Bootes bei achterlichen Winden habe ich niemals als unangenehm empfunden; das Dümpeln bei Flaute in der hohen Dünung hingegen sehr, aber das ist auf allen Booten so.

      Näherte ich mich nachts besonders gefährlichen oder schwierigen Ankerplätzen, wie es zum Beispiel vor der Sahara der Fall war, drehte ich bei mäßigen Windstärken unter Doppelfock bei und wartete den Morgen ab.

      Daß die Geräusche an Bord den Schlaf erheblich stören können, weiß jeder Segler. Vor allem halbleere Tanks, die über der Wasserlinie liegen und keine Querschotts besitzen, setzen einem Schlafenden manchmal mehr zu als die Bewegungen des Bootes. Am unangenehmsten empfanden wir jedoch die bei der Fahrt entstehenden Geräusche an Dedi:, zum Beispiel das Gleiten eines Blockes auf dem Leitwagen oder das Flappen der Segel in der Dünung. Da muß man schnell Abhilfe schaffen, sonst bekommt die Freiwache zu wenig Schlaf. Ich hatte alle Segel – selbst den Klüver – mit Bullentaljen versehen, beziehungsweise einfach festgesetzt, so daß sie wenig schlagen konnten.

      Das Großsegel und die Fock waren aus Blue Dytex Diolen, 480 g pro qm, der Klüver war leichter, 240 g pro qm. (Vereinigte Glanzstoff-Fabriken). An Bord waren ein doppelter Satz Segel, dazu noch ein Satz Sturmsegel aus dem stärksten Segeltuch (Segelmacher Bohn). Die Sturmsegel hätte ich mir jedoch sparen können; ich habe sie nie gebraucht, sondern mich immer der Diolensegel bedient, die selbst ausgewachsenen Stürmen standhielten. Daher auch die guten Etmale1 der LIBERIA IV im stürmischen Passat vor der südamerikanischen Küste; gewöhnliche Baumwollsegel hätten eine derartige Dauer-Beanspruchung nicht ausgehalten.

      So war es kein Wunder, daß in den stürmischen Winden weder die Segel zerrissen, noch die Nähte platzten, sondern daß vielmehr die Messingschäkel der Rutscher für die Mastschiene als schwächster Punkt wie Bleidrähte zerschnitten wurden. Messing ist für diese Zwecke zu weich und unterliegt zu sdmellem Verschleiß. Rostfreier Stahl wäre das richtige Material gewesen. –

      Wie soll sich eine Yacht im Sturm verhalten? Darüber ist viel geschrieben worden; jeder Yachtbesitzer hat seine eigenen Erfahrungen gesammelt und seine eigenen Leitsätze aufgestellt, die meist für jedes Boot verschieden sind. Selbst die Verhaltungsmaßnahmen für Einbaum und Faltboot waren äußerst unterschiedlich.

      Auf der LIBERIA IV habe ich selten einen Wind erlebt, der neun Windstärken überschritt – die Tornados vor der westafrikanischen Küste nicht mitgerechnet. In der Nordsee und in der Biskaya gab es Windstärken, die in Böen acht erreichten, und da ich das Boot noch nicht richtig kannte, versuchte ich schon dort herauszufinden, wie es im Sturm behandelt werden wollte.

      Unter Motor ließ sich die LIBERIA IV gerade noch im Wind halten, sobald aber der Wind mit mehr als acht Stärken blies, war der Motor zu schwach, um sie im Wind zu halten. Legte ich das Boot bei Sturm nur mit der Fock an den Wind und gab ihm festes Luvruder,