Miene ins Zimmer trat, und nun die Vorstellung erfolgte.
Gleich darauf erschien auch Margarete, ein brünettes junges Mädchen, mit etwas bürgerlichen Zügen, aber schönen, sogar blendenden Farben, vollendetem Wuchs, und mit einer angenehm wirkenden freimütigen Lebendigkeit.
Nach kurzem Plaudern traten sie in den Speisesalon, in dem ein blitzend sauberer Frühstückstisch mit äußerst einladenden Gerichten gedeckt war.
Neben Portwein, Thee und kräftigen Bieren, präsentierte das Hausmädchen auch Champagner, dem Baron Klamm kräftig zusprach, während sich Herr Knoop auf ein sehr kleines Quantum beschränkte, und die Damen überhaupt auf Wein verzichteten.
„Auf Ihr und auf das Wohl Ihres Fräulein Braut,“ begann Herr Knoop, ergriff das Glas, und stieß mit dem Baron an.
Er sah wohl, daß Margarete aufmerkte, und daß auch seine Frau überrascht wurde.
Nach Aufhebung der Tafel, und nach allerlei anregenden Gesprächen, die
Klamm mit Margarete führte, für die er ein lebhaftes Interesse an den
Tag legte, begleitete Herr Knoop den Gast auf die Straße. Er machte
ohnehin stets um diese Zeit einen Spaziergang und besuchte eine
Weinstube.
Dies letzte Zusammensein benutzte Herr Knoop, um Herrn von Klamm mit den für ihn in Betracht gezogenen Plänen bekannt zu machen.
„Ueberlegen Sie,“ warf er hin, „ob Sie Lust und Neigung haben würden, in die Redaktion einzutreten, um für eine von mir neu zu errichtende Rubrik: „Hof und Gesellschaft“ Thätigkeit und Verantwortung zu übernehmen.
„Sie müßten — ich würde Sie dazu in den Stand setzen — an all
dergleichen Veranstaltungen teilnehmen, in Klubs eintreten,
Festlichkeiten besuchen, Personalien über besonders hervorragende
Persönlichkeiten zu erlangen suchen, und das alles in einer anziehenden
Form in die Täglichen Nachrichten bringen.“
Zu Herrn Knoops Enttäuschung stimmte Baron Klamm nicht so lebhaft zu, wie er erwartet hatte.
„Sehr vortrefflich — sehr dankbar, Herr Knoop. Ich verkenne Ihre gütigen
Absichten für mich keineswegs. Ich bin Ihnen außerordentlich verbunden.
„Aber wenn ich ganz offen sein darf: — ich möchte am liebsten eine Kontorthätigkeit ausüben, in der mir die Aufgabe würde, für die immer noch größere Ausdehnung des Geschäftes zu wirken, die Auflage der Zeitung und die Anzeigen zu vermehren, Verbindungen anknüpfen, die der Druckerei Aufträge zuführen, und insofern auch der Redaktion in die Hand arbeiten, als ich ihr die Thüren zu den Ministerien und höheren Behörden öffnen helfe.
„Einblicke in das Getriebe eines Geschäfts, wie das Ihrige, habe ich nämlich schon empfangen. Eben daraus ist der Wunsch in mir rege geworden, mich in Zukunft vorzugsweise auf diesem Gebiet zu versuchen.“
So sprach Herr von Klamm, und Herr Knoop, für den dieses Mitglied des Adels plötzlich in ein völlig anderes Licht gerückt wurde, erhob nicht ohne starke Beifälligkeit das Haupt.
„Hm — hm — so — so! Das sind Ihre Pläne, Herr von Klamm. Gewiß, auch das läßt sich hören. Freilich, etwas drängt sich mir dabei auf. Sie glauben, daß Sie sich in all diese, Ihnen doch in der Praxis noch fremden Dinge würden hineinarbeiten können?
„Gewiß, gewiß! Das ist ja auch zu machen, und wenn die Saat gut war, weshalb sollte nicht kräftiger Weizen aufgehen? Es ist aber noch ein Umstand da! Mein Sohn ist draußen, um sich noch in unserm Geschäft weiter zu bilden. Nach übersehbarer Frist wird er zurückkehren. Dann sollte ihm eben das obliegen, was Sie im Auge haben. — Ich bin also grade bezüglich einer solchen Thätigkeit, wie Sie sie planen, in Zukunft versehen!
„Sie verstehen. — Hier liegt eine Schwierigkeit, Ihren Absichten
Vorschub zu leisten, schon von vorneherein!“
„Ich glaube nicht, Herr Knoop,“ fiel Klamm mit imponierender Entschiedenheit ein. „In einem Geschäft, wie das Ihrige, können Sie ein halbes Dutzend Leute gebrauchen, wie Ihr Herr Sohn einer ist, und wie ich es hoffentlich mit Ihrer Unterstützung sein werde! Warum wollen Sie nicht ein Geschäft in allergrößtem Stil aufbauen? Sie wollen doch nicht stehen bleiben! Für jede Abteilung denke ich mir, müßte eine Persönlichkeit thätig sein, die, mit einem besonderen Maß von Intelligenz und Machtvollkommenheit ausgerüstet, sich eben diesem Geschäftszweig mit besonderer Energie widmet! Die Mehrkosten würden sich nicht gleich, aber mit der Zeit sicher einbringen.“
„Den Wert Ihrer Ausführungen verkenne ich nicht,“ entgegnete Herr Knoop. „Aber Sie urteilen und ziehen Ihre Schlüsse zu sehr auf Grund von Vorstellungen. Alle Geschäfte setzen sich mehr oder minder aus Kleinwerk zusammen. Für jeden Erfolg sind ausnahmslos Abgaben zu entrichten. Geschäftsausdehnungen müssen sich langsam vollziehen! Man muß die Betriebskapitalien prüfen, man hat in Kreditgewährung mit Vorsicht zu verfahren! Ohne solche giebt's keine Kundschaft. — Man darf nichts beginnen, wobei man Gefahr läuft, die Kräfte und den Ueberblick zu verlieren.
„Langsam, bedächtig nimmt der Gebirgsbote täglich seine Tagestouren.
Wollte er sie laufen, würde er bald zusammenbrechen!“
Die Herren waren bei ihrem Gespräch vom Wege ganz abgekommen. Sie befanden sich, ohne darauf geachtet zu haben, im Tiergarten und hielten nun, aufschauend, still, und wanderten, auch ferner denselben Gegenstand erörternd, auf dem nämlichen Pfade in die innere Stadt zurück. Erst beim Wrangelbrunnen trennten sie sich, nachdem vorher noch für einen der nächsten Tage eine neue Zusammenkunft verabredet worden war, mit warmem Händedruck. Herr Knoop begab sich in die Behrenstraße, in eine von ihm täglich besuchte Weinstube, und Herr von Klamm fuhr mit der Pferdebahn nach der Bellealliancestraße.
Hier befand sich ein alter, hochstöckiger Bau, der von mehreren Parteien bewohnt wurde, und diesen betrat Herr von Klamm.
Zur Rechten, im Flügel, drei Treppen hoch, zog er an einer Klingel, und nach kurzen Worten wurde ihm von einer gebückten, trotz einfacher Kleidung sehr vornehm aussehenden Dame geöffnet.
„Ach du, mein lieber Junge,“ stieß sie in glücklich gehobenem Ton heraus und schritt ihm in ein zweifenstriges, mit sauberen Mietmöbeln besetztes Wohnzimmer voran.
Nachdem Klamm seiner Mutter Wange sanft gestreichelt hatte, und sie sich beide gesetzt hatten, sagte er auf ihre stark belebte Frage:
„Nun? Nun? Wie ist's ausgefallen, Alfred? Du kommet doch von Herrn
Koop?“
„Knoop, Mama — nicht Koop,“ berichtigte Klamm.
„Es verlief alles gut, aber ich bin doch mit mir sehr unzufrieden. Ich habe eine Unwahrheit gesagt, die ich vielleicht — hätte vermeiden können. Ich schäme mich, daß es geschehen ist. Was bleibt von dem Menschen, wenn er sich zur Erreichung seiner Zwecke inkorrekter Mittel bedient!“
„Was ist's denn, Alfred! Lasse mich alles wissen! Vielleicht kannst du noch wieder gut machen,“ fiel die alte Dame, liebevoll sprechend, ein.
„Ich tastete hin, ob nicht auch Herr Knoop möglicherweise den üblichen
Verleumdungsbrief von Frau von Krätz erhalten habe.“
„Es war der Fall! Sie hat ihn geschrieben! Er ließ mich das immer gleichlautende Schriftstück lesen.
„Und gleich entging mir nicht, daß sich ein starkes Vorurteil gegen meine Person in ihm bereits festgesetzt hatte.“
„Er nahm an, daß ich ein bloßer Abenteurer sei, der sich in sein Haus eindrängen wolle, um seine Tochter zu heiraten. Da griff ich zu dem Mittel, das ihn von vornherein eines anderen belehrte, warf hin, daß ich verlobt wäre, und gab ihm auch