Hermann Heiberg

Charaktere und Schicksale


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      „Ja, den allergrößten Dank schulden wir Ihnen, Herr Knoop, daß Sie selbst meiner Nichte zur Erlangung einer Stellung die Hand bieten wollen.

      „Lassen Sie mich denn hoffen, daß sich alles nach gegenseitigen Wünschen vollziehen möge, und empfehlen Sie mich, ich bitte, einstweilen Ihren verehrten Damen!“

      Nach diesen in einem zwar gezwungenen, aber vollendet höflichen Tone gesprochenen Worten, reichte sie Herrn Knoop die Hand, drückte sodann Ileisa die Rechte und entfernte sich.

      Ileisa aber sagte, nachdem die alte Dame gegangen war:

      „Meine Tante ist etwas empfindlich, Herr Knoop. Sehen Sie es ihr, ich bitte, nach. Sie lebte früher in so reichlichen Verhältnissen, daß ihr die Einfügung in andere, leider jetzt sehr beschränkte, außerordentlich schwer wird. Im Grunde ist sie eine vornehme, wahrhaft edeldenkende Natur.“

      „Habe ich auch so aufgefaßt!“ bestätigte Herr Knoop in einem derb gemütlichen Ton, und von Ileisas Wesen angenehm berührt. Auch bat er sie dann gleich, mit ihm in die Wohnung zu treten, und machte sie dort mit seinen Damen bekannt.

      * * * * *

      Sechs Monate waren vergangen. Fräulein von Oderkranz befand sich als Gesellschafterin im Knoopschen Hause. Aber auch Herr von Klamm war ein Mitglied des Knoopschen Geschäftes geworden. Er schrieb Zeitungsartikel, für die er die Fähigkeit in sich fühlte, und übte nach anderer Richtung eine Thätigkeit au, die dem Unternehmen nutzbringend war. — Der Kontrakt, der zwischen ihm und Herrn Knoop abgeschlossen, besaß nur zwei Paragraphen:

      „Herr von Klamm tritt vom heutigen Tage mit einem Monatsgehalt von 450 Mark und unter gegenseitiger vierteljährlicher Kündigung zunächst probeweise in das Geschäft des Herrn Friedrich Knoop in Berlin, ein.

      Genannter übernimmt fortan einen zwischen ihnen festgestellten Teil der

       Theater-, Konzert- und Kunstkritiken, und wird eventuell auch unter der

       Zustimmung des Herrn Chefredakteurs, Doktor Strantz, andere in den

       Rahmen der Täglichen Nachrichten passende Beiträge liefern.

      Zur Vorbereitung einer gleichzeitig in Aussicht genommenen

       geschäftlichen Thätigkeit wird sich Herr von Klamm mit den übrigen

       Zweigen des Unternehmens bekannt machen und schon jetzt bemüht sein, der

       Firma Verbindungen zuzuführen.“

      Außerordentlich überrascht war Herr Knoop von dem Ideenreichtum seines Mitarbeiters, nachdem sich dieser in das Geschäft eingearbeitet hatte. Bald regte er an, daß man sich um eine Druckarbeit in den Ministerien, bald um eine solche bei großen Instituten und angesehenen Geschäften bewerbe. Auch wies er auf auswärtige Firmen hin, denen man feste Kontrakte bezüglich der Aufnahme von ständigen Inseraten für die Täglichen Nachrichten anbieten solle.

      Wenn irgendwo ein neues Unternehmen ins Leben trat, sann er sofort darüber nach, ob dieses nicht irgend einen von der Druckerei zu befriedigenden Bedarf haben könne. Auch trieb er die Redaktion an, Fühlung mit den bedeutenden Tagespersönlichkeiten zu suchen, um durch eine Verbindung mit ihnen den Täglichen Nachrichten fortdauernd interessanten Stoff zuzuführen.

      Arbeitskraft und unermüdliche Regsamkeit reichten sich die Hand. Er war gegenwärtig die Triebfeder im Geschäft. Bald hier, bald dort hielt er Rücksprache, und immer wußte er bisher die ihm weniger Wohlgesinnten durch sein gewandtes Wesen gefügiger zu machen.

      Weniger ihm Wohlgesinnte waren bereits recht viele vorhanden.

      Teils wirkte der Aerger, daß ein bisher so gering Eingeweihter und Erfahrener so Tüchtiges leistete, bald machte sich ein sehr starker Neid geltend.

      Es stieg die unruhige Befürchtung in dem Personal auf, daß Klamm bald da sitzen oder dort ein anderer sitzen werde, wo der Betreffende selbst bisher sein unbeschränktes Herrschertum ausgeübt hatte. Der Chefredakteur, Doktor Strantz, sowie der erste Disponent im Hauptkontor und der Geschäftsführer in der Expeditionsabteilung waren schon, ohne daß sie noch die Maske gelüstet hatten, seine erklärten Gegner.

      Immer wieder regte sich bei ihnen die Ueberlegung, wie es eigentlich möglich sei, daß ein früherer Offizier, daß dieses in der Welt hin und her verschlagene Mitglied der Gesellschaft, daß dieser mit geschäftlichen Dingen doch bisher nur sehr oberflächlich vertraute Lebemann eine solche intelligente Regsamkeit, solche Umsicht, und überdies eine solche Gleichgültigkeit gegen seine bisherigen gesellschaftlichen Beziehungen zum Ausdruck brachte.

      Aber sie zogen aus diesen Umständen nicht den Schluß, daß es eben Ausnahmen giebt, daß tüchtige Menschen sich energisch aufzuraffen vermögen, daß sie das kräftig abthun, was sich ihnen nur durch die Verhältnisse aufgedrängt hat, sondern sie suchten nach irgend einem unlauteren Grunde.

      Bei Gelegenheit einer monatlich einmal stattfindenden Zusammenkunft der Redaktions- und Geschäftsmitglieder wußte der Chefredakteur, Doktor Strantz, ein Mann mit einem ungewöhnlich hageren Gesicht und langem Vollbart, bereits das Allerneueste zu berichten, daß nämlich schon ein fester Kontrakt zwischen Herrn Knoop und Klamm zu stande gekommen sei. Demzufolge solle Klamm nicht nur Stellvertreter des Chefs werden, sondern auch die Hauptzügel in der Redaktion in die Hand bekommen. Ihrer aller Stellung sei gefährdet, seitdem dieser Herr in das Geschäft eingetreten sei.

      In dem Hinterzimmer eines mit alten, guten Bildern geschmückten Bierlokals in der Kronenstraße saßen sie beisammen, und von kaum etwas anderem wurde geredet, als über Herrn von Klamm.

      „Was er wohl sonst treibe?“ warf einer der Herren, ein Herr Krammhöver, nach solchen längeren, stark mißfälligen und abfälligen Aeußerungen hin.

      „Er wäre ihm,“ bemerkte er, „schon zweimal abends nachgegangen. Da sei er in ein Haus in der Kurfürstenstraße eingetreten. Er, Krammhöver, habe durch die großen Spiegelscheiben der Haus- und Hinterthür beobachtet, daß Klamm in eine Gartenwohnung hinaufgestiegen sei. Ob er aber dort logiere oder eine ‚Freundin‘ besitze, wisse er nicht.“

      Darauf hatte keiner etwas zu sagen, aber die Rede gefiel. Niemandem war bekannt, wo Klamm wohnte. Ueberhaupt hielt er sich nicht mit Reden, und noch weniger mit Offenherzigkeiten auf. Er kam, griff gleich ein, arbeitete oder machte Besuche, und blieb als letzter abends im Geschäft.

      „Ob er wohl bei Knoops im Hause verkehre?“

      Darauf konnte Doktor Strantz antworten.

      „Und ob! Es sei in den nächsten Tagen beim Chef wieder ein Ball, und er, Strantz, habe von Adolf gehört, daß Klamm den Tanz leiten und überhaupt dort alles in die Hand nehmen solle.“

      „Und Sie sind nicht eingeladen?“

      Strantz zog abfällig die Lippen.

      „Ja, natürlich! Habe aber abgelehnt; bin kein Freund von derartigen großen Abfütterungen!“ warf er hin, und weckte durch diese, seiner Eitelkeit entspringende Antwort (er hatte keine Aufforderung erhalten) einen natürlichen Neid bei den fünf übrigen Mitgliedern der Redaktion.

      Die Geschäfts-Disponenten wurden überhaupt zu solchen Vergnügungen nicht geladen. Sie erhielten Aufforderungen zu kleinen Mittagessen, woselbst sie Gleichgestellte fanden, und bei denen es dann sehr gemütlich herging. —

      Während in solcher Weise über Klamm in dem Wirtshaus „Zur gemütlichen

       Ecke“ verhandelt wurde, saßen die Knoopschen Familienmitglieder beim

       Abendbrot und unterhielten sich gleichfalls über dieselbe

       Persönlichkeit.

      Wie immer erging sich Herr Knoop in ein uneingeschränktes Lob über ihn. Er habe am vorgestrigen Tage der Buchdruckerei einen Auftrag von über 50000 Mark zugeführt. Eines der großen Versandgeschäfte habe einen illustrierten Katalog in einer ganz beträchtlichen Höhe bestellt. Auch habe er durch eine besondere Einrichtung in der Inseratenabteilung den Anzeigespalten der Täglichen