Perry Rhodan

Perry Rhodan-Paket 62: Mythos (Teil2)


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an einem Ort zu leben, an dem die Geschichte keine Rätsel stellte, sondern aus Fakten bestand?

      Was Farye Sepheroa erlebte

      Skiaparelli, Hauptstadt und Regierungssitz des Planeten, der nicht der Mars war, obwohl ihn alle so bezeichneten, bot einen atemberaubenden Anblick.

      Farye war sich des Klischees durchaus bewusst. Aber warum nicht auch einmal ein Klischee bemühen, wenn es zutraf?

      Es begann mit der Landung auf dem Raumhafen im Westen der Stadt. Dort stiegen sie in einen Gleiter um, der sie zu der geheimen Anlage bringen würde, in der Homer G. Adams in die Suspension zurückkehren sollte.

      Oder musste.

      Es hätte Farye gewundert, wäre die Maurits-Vingaden-Klinik der einzig mögliche Ort dafür gewesen. Jeder vernünftige Stratege entwarf mindestens einen Alternativplan, falls der Ursprungsplan schiefging.

      Und wo sollte man vernünftige Strategen erwarten, wenn nicht beim TLD?

      Auf dem Weg zum Gleiter fiel Farye das gewaltige kugelförmige Gebäude auf, in dessen makelloser Verglasung sich die wenigen Wolken und die Sonne spiegelten.

      »Beeindruckend, nicht wahr?«, sagte Sloud Silverman, der neben ihr ging. »Der Fanther-Globus. Das Verwaltungs- und Forschungsgebäude der Rog-Fanther-Werft. Zwei Kilometer Durchmesser, komplett aus schmutzabweisendem Material. Egal ob es regnet, ob Blütenstaub durch die Luft weht oder ob Vögel sich mit ihren Hinterlassenschaften darauf verewigen wollen, die Kugel sieht immer aus wie frisch poliert.«

      Ammun-Si schien keinen Blick für das beeindruckende Bauwerk erübrigen zu können. Er eilte geradewegs auf den Gleiter zu, der 50 Meter entfernt bereitstand.

      Verständlich. Zum einen drängte die Zeit, weil jede Minute seiner verfrühten wiederverkörperlichten Existenz Homer G. Adams schadete. Außerdem hatte der Ara den Globus vermutlich bereits so oft gesehen, dass dessen Faszination für ihn gegen null tendierte.

      Farye und Silverman folgten ihm, stiegen in den Gleiter, hoben ab und fädelten sich in eine der Flugverkehrstrassen. Erst aus der Höhe, mit dem Blick aus dem Fenster, konnte sie den Zauber von Skiaparelli vollständig erfassen.

      Wie ein Netz aus dicken Adern und feinen Kapillaren durchflossen Kanäle die Stadt.

      An manchen Ufern saßen Kinder und ließen die nackten Beine vom Wasser umspülen. Menschengroße, siebenarmige Kopffüßer wateten auf drei Tentakeln durch die Kanäle, schaufelten gelegentlich mit einem der anderen Arme Flüssigkeit in die Höhe und genossen es sichtlich, wenn die Tropfen über ihre Körper perlten. Oder sie bespritzten die Kinder, die lachend aufsprangen.

      Der Gleiter überquerte beeindruckende Gebäude, die dem Fanther-Globus in nichts nachstanden und eine faszinierende Skyline formten. Aber auch großflächige, natürlich wirkende Wiesen- und Waldflächen und kunstvoll angelegte Parks zogen unter ihnen hinweg, deren farbige Blütenpracht Farye sogar im Gleiter zu erschnuppern glaubte.

      Auf einem See, der zwanzig Kilometer durchmessen mochte, glitten Segelschiffe über das spiegelglatte Wasser. Dazwischen tauchten die Leiber von Lebewesen auf, die Delphinen ähnelten, wenngleich sie zwei Schwanzflossen hatten und ihre feuchte Haut in der Sonne in allen Farben des Regenbogens schillerte. Sie sprangen in die Höhe, drehten Pirouetten oder schlugen einen Salto.

      Viel zu schnell ging der Flug vorüber. Gerne hätte Farye mehr von diesem Idyll gesehen.

      Idyll.

      Bei diesem Begriff schoben sich plötzlich der Stelen-Springbrunnen in ihre Gedanken, der Blutregen und der tote Arkonide mit dem fehlenden Schuh – und der Zauber von Skiaparelli verpuffte.

      Während sie im Hof eines halbringförmigen Gebäudes landeten, dachte sie an Joel Poletta, den Sohn des Verräters.

      Ammun-Sis Worte nahm sie nur am Rande wahr. »Willkommen im Skiaparelli Nautikmuseum. Unser Ziel liegt in den offiziell nicht vorhandenen Untergeschossen.«

      Stattdessen erklang in ihr erneut Joel Palottas Stimme. Nach der Rettung der Menschen aus der Klinikkantine und der Desaktivierung der Roboter war er zusammengebrochen und hatte sich der Tränen nicht länger erwehren können. Sämtliche Versuche, ihn zu trösten – teils genährt von Faryes schlechtem Gewissen, weil sie ihm misstraut hatte –, waren ergebnislos versandet. Er hatte ins Leere gestarrt und nur zwei Sätze gesagt. »Er war TLD-Agent! Wie kann ein TLD-Agent einen so menschenverachtenden Plan entwerfen?«

      Warum bekam sie diese Worte plötzlich nicht mehr aus dem Kopf?

      »Das Museum scheint dich nicht so zu beeindrucken wie der Globus«, drang Silvermans Stimme in ihr Bewusstsein.

      »Wie bitte?« Sie sah auf und bemerkte, dass sie wie ferngesteuert auf den Innenbogen des Gebäudes zuging. Wann waren sie aus dem Gleiter gestiegen? Sie konnte sich nicht erinnern.

      »Dabei stammt es vom selben Architekten«, fuhr der TLD-Direktor fort. »Dir wird auffallen, dass er bei seinen Projekten stets viel Wert auf die Fassaden legte.«

      Tatsächlich schien das Museum aus nach oben fließendem Wasser zu bestehen, aus dem Fenster und Türen wie kleine Inseln hervorragten.

      »Faszinierender Effekt«, sagte sie ohne große Begeisterung und dachte: Wie kann ein TLD-Agent einen so menschenverachtenden Plan entwerfen?

      Im Inneren des Gebäudes erwartete sie eine schlanke Terranerin, vielleicht neunzig oder hundert Jahre alt. Sie trug ein bläulich schimmerndes Kostüm, das den Wasserfluss-Effekt der Fassade im Kleinen nachbildete. Dazu passte ihre ebenfalls blau-silberne, verschlungen geflochtene Turmfrisur. Sie mochte einen Meter siebzig groß sein. Zwei Meter mit Haaren.

      »Ammun-Si«, begrüßte sie den Ara und warf seinen beiden Begleitern nur einen raschen Blick zu. »Die Lieferung ist bereits eingetroffen.«

      »Das ist Hilka Groym«, stellte der Ara vor. »TLD-Agentin. Und im Nebenberuf Museumsleiterin.«

      Groym geleitete sie zum Skelett eines riesigen Fischs, in dem zum Vergleich ein Zwei-Personen-Gleiter montiert worden war, und weiter zu einem Antigravschacht. Farye, Silverman und Ammun-Si traten hinein.

      »Ihr könnt mich jederzeit erreichen, wenn ihr etwas braucht«, sagte die Museumsleiterin, ehe sie aus dem Blickfeld der nach unten schwebenden Farye verschwand.

      Etwa fünf Meter über dem Schachtboden drang ein gelblicher Lichtstrahl aus der Wand und fächerte auf. Die Passagiere glitten durch die Lichtbarriere. Für einen Augenblick wurde die geringe Schwerkraft komplett aufgehoben, und Farye und ihre Begleiter blieben in der Luft hängen.

      Der Lichtfächer bewegte sich mehrmals nach oben und unten, tastete Ammun-Sis Gesicht ab, bis der Ara eine vielstellige Ziffernfolge nannte. Farye gab sich keine Mühe, sie sich zu merken.

      Das Licht erlosch, und sie schwebten weiter in die Tiefe. Kurz bevor sie den Boden berührten, glitt er zur Seite und gab den Blick auf das letzte geheime Segment des Antigravschachts frei.

      Sie verließen den Schacht und folgten dem Ara einen gekachelten Gang entlang, der vor einer Schleuse endete. Der anschließende Hochsicherheitsbereich glich dem in der Maurits-Vingaden-Klinik. Auch dort erwarteten sie zwei TARA-C-Modelle, und ein ungutes Gefühl keimte in Farye auf.

      Hilka Groym, dachte sie. TLD-Agentin.

      Allerdings war auch Gorin Palotta TLD-Agent gewesen. Das allein bewies also keine unverbrüchliche Zuverlässigkeit.

      Und wieder hallten ihr Joels Worte durch den Sinn.

      Farye schüttelte den Kopf. Sie musste sich zusammennehmen und durfte nicht damit anfangen, jedem TLD-Agenten zu misstrauen. Verfolgungswahn war das Letzte, das sie gebrauchen konnte.

      Dennoch, etwas zupfte in ihrem Unterbewusstsein. Etwas, das sie beunruhigte. Das sie übersah. Vielleicht ein Gedanke, den sie begonnen, aber nicht zu Ende gedacht hatte. Oder etwas, das sie gesehen hatte, ohne ihm Beachtung zu schenken.

      »Warum ist Adams nicht betäubt?«, riss Ammun-Sis Stimme sie aus den Überlegungen.

      »Das