zu den anderen.
»Wohin jetzt?«, fragte Wor.
»Da bin ich genauso ratlos wie du.« Barbara ging nach links; die meisten Menschen wären nach rechts gegangen, aber ihr Bauchgefühl riet ihr davon ab.
Nach wenigen Metern mündete der Gang in einen größeren, breiteren. Barbara rief sich die Baupläne der Station in Erinnerung. »Wir müssten ganz oben in der Spitze des Masts sein«, murmelte sie. »Über uns befinden sich keine Räume mehr. Wir müssen also nach unten.«
»Gibt es einen Antigravschacht?«, fragte Wor.
»In den Plänen war keiner verzeichnet. Außerdem ist es in unserer Lage nicht sinnvoll, einen zu benutzen, oder?«
»Da können die Geiselnehmer ein Tontaubenschießen veranstalten«, gab Wor ihr recht.
So denken Geheimagenten eben, dachte Barbara zufrieden und ging weiter, bis sie auf eine konventionelle Treppe stieß. Es war eher ein schmaler Steg, auf dem maximal zwei Personen nebeneinander gehen konnte. Sie wollte auf die Brüstung treten, doch Wor streckte die Hand aus und hielt sie zurück. »Ich gehe voran!«
Vorsichtig stieg er die Stufen hinab. Sie und Rohonzori folgten ihm, Giuna bildete die Nachhut.
Die Treppe endete; sie waren auf der nächsttieferen Etage angelangt.
Wor schlich vorsichtig zur Gangbiegung weiter. Er hatte sie noch nicht erreichte, als ihm zwei Personen entgegenkamen.
Verbrecher arkonidischer Herkunft, wie die hellen, ungepflegten Haare und die roten Augen verrieten.
Beide hielten Waffen in den Händen. Wor paralysierte den ersten, doch der zweite riss den Thermostrahler hoch und schoss gezielt.
Der NDE-Agent, der angeblich keiner war, hätte nicht schnell genug reagieren können, um dem Schuss auszuweichen. Doch er hatte sich schon fallen lassen, als er den Paralysator auslöste, und der Thermostrahl surrte über ihn hinweg.
Und traf Barbara mitten in die Brust.
*
Das Holo, das ihren Körper scheinbar auf 1,70 Meter vergrößerte, flackerte leicht, und der Strahl traf weit über ihr in die Wand. Trotzdem sprang sie vor, um nicht von den glutheißen Tropfen verflüssigter Materie getroffen zu werden, die durch die Luft spritzten.
Ihr Gegenüber riss überrascht die Augen auf und richtete die Waffe tiefer.
Abdrücken konnte der Arkonide nicht mehr. Wor hatte längst einen zweiten Schuss abgegeben. Der Gegner sackte gelähmt zusammen.
Wor stieg achtlos über ihn hinweg und ging weiter; Barbara folgte ihm schnell.
An beiden Seiten des vor ihnen liegenden Ganges waren jeweils drei Türen in die Wände eingelassen. Wor schaut hilflos von rechts nach links.
»Ist da jemand?«, erklang eine hohe, meckernde Stimme hinter einer der Türen. Barbara konnte nicht sagen, welche es war.
»HyPer?«, rief Wor. »Bist du das?«
»Wer ist da?«, erklang die tiefe Stimme eines Cairaners, und sofort darauf die höhere eines Akonen: »Wir sind hier!«
»Toll!«, brauste Wor auf. »Das hilft mir weiter! Welche Tür?«
»Die mittlere links!«
»Welches links?« Fluchend zog Wor einen erbeuteten Thermostrahler aus dem Hosenbund, richtete ihn auf den Verschlussmechanismus und schoss. Dann trat er gegen die Tür.
Sie schwang zurück.
Der Raum dahinter war leer, ein kleiner Lagerraum. Die Regale an den Wänden hatte man notdürftig zu Pritschen umgebaut, auf denen Gefangene sich niederlassen konnten. Er diente zweifellos als Zelle.
»Na toll! Das andere links!« Wor stürzte hinaus auf den Gang.
Giuna Linh hatte bereits das Schloss der anderen Zelle mit einem erbeuteten Desintegrator verdampft. Sie trat zurück, als ein lautes Scheppern erklang. HyPer trat hinaus, gefolgt vom akonischen Hochrat. Als Letzter folgte Legat Matetao Goniwari.
Der Cairaner bewegte sich fast zögernd, hatte Barbara den Eindruck. Ein wenig ängstlich und fast widerwillig sah er sich um.
»Wem verdanken wir unsere Befreiung?«, fragte Benert von Bass-Thet.
»Später!« Wor schaute an dem riesenhaften Cairaner hoch. »Matetao Goniwari, vermute ich?«
Der Legat für die Sicherheit öffentlich-interstellarer Transportsysteme würdigte Wor keiner Antwort.
»Wir sollten uns beeilen!«, sagte der Cheborparner meckernd. »Wir seid ihr überhaupt an den Wachen vorbeigekommen?«
»Es waren nur zwei.«
»Hier wimmelt es von bewaffneten Posten!«, antwortete der Cheborparner verwundert. »Sie haben praktisch die gesamte Etage unter uns abgeriegelt.«
Wor grinste. »Eben. Wir müssen nach oben!«
»Nach oben?«
Barbara aktivierte den Antigrav ihrer Montur, und folgte Rohonzori, die vor ihr flog. Jetzt gab es kein Holo mehr, mit dem sie die Geiselnehmer verwirren konnte. Sie schaltete den Prallschirm und den Deflektor zu. Ein wenig Schutz war besser als gar keiner.
Der Mensch, der angeblich nicht zum Geheimdienst gehörte, drängte die drei Geiseln zur Treppe. Von Bass-Thet lief so schnell, dass er fast über die eigenen Beine gestolpert wäre, HyPer bemühte sich um eine gewisse Gelassenheit und Würde, und Goniwari schaute sich immer wieder um, als befürchtete er, von einem Thermostrahl in den Rücken getroffen zu werden. Wor war es schließlich leid und stieß ihn die Treppe hinauf.
Plötzlich geriet der schmale Steg in Schwingungen – ausgelöst nicht etwa von ihren Schritten, sondern von anderen.
Die Verbrecher folgten ihnen nach oben!
Giuna Linh hatte den Kopf der Treppe erreicht, packte den Cheborparner am Arm, zerrte ihn weiter. Bei dem Akonen war das nicht nötig. Er lief so schnell wie wohl nie zuvor in seinem Leben, erinnerte Barbara eher an einen Leistungssportler als an einen Hochrat. Nur Goniwari schien Schwierigkeiten mit dem Tempo zu haben.
Sie hetzten durch den kurzen Gang, erreichten die verborgene Tür, die noch geöffnet war, stürmten in den kleinen Raum mit dem Transmitter. Barbara aktivierte das Feld.
Giuna stieß HyPer hinein. Benert von Bass-Thet machte einen Hechtsprung, Rohonzori folgte ihm. Schwer atmend wankte der Cairaner zum Transmitter. Giuna packte ihn an den Schultern und trat gleichzeitig mit ihm hindurch.
Barbara sah sich nach Lanko Wor um. Er war an der Tür zum Transmitterraum stehen geblieben, lauschte. Die Schritte, die ihnen folgten, wurden lauter.
Wor wartete bis zum letzten Augenblick, dann schlug er die Tür zu.
Ein lauter Schrei erklang.
Wor fuhr grinsend herum. »Wenn das kein schlagkräftiges Argument war, weiß ich es nicht.« Er lief zum Transmitter und sprang ins Feld.
Barbara folgte ihm, trat hinein und an der Gegenstation wieder hinaus. Sie aktivierte ihr Armbandgerät und tippte konzentriert auf das Display ein.
Das Transmitterfeld erlosch.
»Umschaltung vorgenommen!«, sagte sie und schaltete das Armbandgerät wieder aus.
»Und wo kommen die Verfolger heraus, wenn sie durch den Transmitter gehen?«
»In der am weitesten entfernten Gegenstation«, antwortete die Siganesin grinsend, »auf die ich Zugriff bekam.«
9.
Sicherheitstechnische Lücken
Barbara Meekala atmete tief durch und sah sich in dem kleinen Transmitterraum um, in dem sie die Geiselbefreiung begonnen und erfolgreich beendet hatten. Er war ebenfalls nicht öffentlich zugänglich und befand sich am Rand des Hofs,