Der winzige Roboter, den die Swoon gebaut hatte, um in ihrem Beutel nicht allein zu sein und einen elektronischen Gesprächspartner zu haben.
Mit der Infrarot- und UV-Sicht bemerkte Barbara, dass Eppnu mit den winzigen Beinchen strampelte, bis er an der Wand auftraf und sich mit den Saugnäpfen daran festhielt. Er war so winzig, dass die Tomopaten ihn gar nicht bemerkten.
»Hier bin ich!«, erklang an der Wand eine Stimme. »Ich habe euch im Visier!«
Beide Tomopaten fuhren herum, starrten zu der Wand, richteten ihre Waffen darauf. Einen Sekundenbruchteil waren sie abgelenkt.
Dieser winzige Augenblick genügte. Linh und Wor schossen, gaben Dauerfeuer, zielten zuerst auf die Tomopaten, die sich ein paar Schritte zurückziehen mussten, dann auf den Boden des Gangs, auf die Decke und die Wände, bis Metall schmolz und hinabtropfte oder Blasen schlagend in die Höhe spritzte. Gleichzeitig wirbelten sie herum und rannten los, die Waffen nach hinten richtend, unablässig den Finger auf dem Auslöser.
Dauerfeuer!
Barbara schaute nach hinten. Sogar Tomopaten schreckten offensichtlich davor zurück, durch ein solches Inferno zu stapfen, sich von dem glutheißen Metall versengen zu lassen. Auch ihrer Leidensfähigkeit oder der physischen Widerstandskraft waren offenbar Grenzen gesetzt.
Die beiden Großen liefen weiter, blieben auch nicht stehen, als hinter ihnen keine Schritte mehr ertönten, als könnten sie nicht glauben, die Tomopaten tatsächlich überlistet, ihre Attacke zurückgeschlagen zu haben.
Barbara stellte sich vor, wie die Luft in Linhs Lungen brannte, ihre Muskeln übersäuerten und jede Bewegung schmerzte. Auch sie verspürte eine gewaltige Anspannung, die ihren Blick verschwimmen und ihren Körper verkrampfen ließ, Wellen der Übelkeit durch ihn trieb. Verdammt, sie war Transmittertechnikerin, keine Superagentin! Sie hatte niemals damit gerechnet, um ihr nacktes Leben rennen zu müssen.
Oder sich tragen lassen zu müssen.
Sie verlor jedes Zeitgefühl. Linh und Wor liefen, bis sie nicht mehr konnten.
Barbara zitterte am ganzen Leib. Mühsam kletterte sie an Linh hinab, hätte fast den Halt verloren, wäre einen Meter in die Tiefe gestürzt.
»Sind sie wirklich weg?«, fragte sie, als sie wieder einigermaßen Luft bekam.
Wor nickte nur.
*
Barbara Meekala befürchtete, dass ihre Beine sie nicht mehr tragen würden, und lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Wand.
»Haben wir sie tatsächlich abgeschüttelt?«, wiederholte sie ungläubig.
»Ich glaube schon«, erwiderte Giuna, ebenfalls schwer atmend.
»Ihr müsst hier weg«, warf Rohonzori ruhig und überlegt ein, als hätte die Hetzjagd ihr nicht das Geringste ausgemacht. »Ihr seid zwar nicht aufgeflogen, aber die Cairaner suchen euch. Wenn sie euch finden und verhören, werden sie ganz schnell herausfinden, wer ihr wirklich seid, und dann seid ihr geliefert.«
»Und wie?« Wor war noch immer blass. Er hatte die Tomopaten in Aktion gesehen und wollte sich jede weitere Begegnung mit ihnen ersparen.
»Per Transmitter«, antwortete Barbara. »Ich kenne zahlreiche geheime Stationen, und die Cairaner haben die beiden Transmittermasten wieder in Betrieb genommen. Sie versuchen, so schnell wie möglich wieder normale Zustände herzustellen.«
»Der HÜ-Schirm?«, fragte Wor.
»Ist durch den Angriff der Cairaner ausgefallen. Die neuen Herren des Etappenhofs haben ihn noch nicht wieder in Betrieb nehmen können. Sogar sie können nicht alles gleichzeitig tun. Die Frage ist nur, wohin ihr fliehen könnt.«
»Zur TREU UND GLAUBEN«, sagte Wor. »Das Schiff des Barniters ist in Reichweite.«
»Und wie wollt ihr es von eurer bevorstehenden Ankunft informieren?«
»Ich kann dir Codes geben, mit denen du einen Transmitter des Schiffs aktivieren kannst.«
»Dann wäre das geklärt.«
»Flieht mit uns zusammen«, sagte Giuna Linh. »An Bord der TREU UND GLAUBEN seid ihr in Sicherheit.«
Barbara Meekala schüttelte den Kopf. »Die Cairaner haben etwas mit dem Etappenhof vor. Ich würde liebend gern wissen, was das wohl sein mag.«
»Dazu müsstest du herausfinden, wohin sie den Etappenhof bringen.«
»Genau deswegen möchte ich Kesk-Kemi nicht verlassen.«
Die Frau dachte kurz nach. »Wir haben einen leistungsfähigen Hyperfunksender dabei«, sagte sie dann. »Wenn man den aktivieren würde, sobald die Cairaner mit dem Etappenhof ihr Ziel erreicht haben, wäre man einen großen Schritt weiter.«
»Und ihr würdet ihn uns überlassen?«
»Klar«, sagte Wor. »Wir arbeiten für dasselbe Ziel. Wir wollen wissen, was für eine Schweinerei die Cairaner vorhaben. Wenn wir es in Erfahrung brächten, könnte die ganze freie Galaxis davon profitieren. Aber wollt ihr es euch wirklich nicht anders überlegen?«
Barbara Meekala dachte nicht einmal über die Frage nach. Sie war beileibe keine Heldin, und Rohonzori auch nicht, auch wenn sie sich in den letzten Stunden gut geschlagen hatten.
»Wir sind keine Agenten«, sagte sie schelmisch lächelnd. »Aber wir müssen etwas tun. Waren das nicht deine Worte?«
»Gut gesprochen«, sagte Blauauge.
»Wir kennen uns an Bord gut aus. Sie werden uns nicht aufspüren«, beruhigte die Swoon die beiden Menschen. »Wir übernehmen den Hyperfunksender und bleiben an Bord.«
»Und wohin jetzt? Wir werden uns nicht mehr lange frei bewegen können. Die Cairaner evakuieren den Etappenhof Zug um Zug und setzen ihn wieder instand, und irgendwann werden sie imstande sein, die wenigen Lebewesen darin mit Bordmitteln aufzuspüren und zu verfolgen.«
»Dann sollten wir keine Zeit verschwenden.« Barbara versuchte zu lächeln, aber es geriet ein wenig schief.
Der nächste Transmitterraum, den sie mit ihrem Codegeber öffnen konnte, befand sich nicht weit entfernt. Wor und Linh gingen mit ihren schweren Waffen voraus, sicherten die Umgebung, doch sie hatten Glück, stießen auf keine Cairaner.
Die Siganesin öffnete den Zugang. Leer und verlassen lag der Raum vor ihnen, diesmal ein größerer mit einer Plattform, die für den Personennahverkehr innerhalb des Etappenhofs gedacht und konstruiert war. Aber es spielte keine Rolle, ob zwei oder zwanzig Personen befördert wurden.
Meekala schaltete den Transmitter ein. Das Feld leuchtete auf, die Anzeige sprang von Rot auf Grün, Linh und Wor traten auf die Plattform.
»Seid ihr sicher, dass ihr nicht mitkommen wollt?«, fragte Wor noch einmal.
»Gute Reise«, sagte die Siganesin, gab den Code ein und beobachtete, wie die beiden Geheimagenten entmaterialisierten.
Barbara löschte sofort die Koordinaten des Transports und schaltete das Gerät aus.
10.
Unliebsame Überraschungen
13. April 2046 NGZ
»Die Cairaner haben die Flucht der beiden geortet«, sagte Barbara. »Zumindest haben sie festgestellt, dass ein nicht genehmigter Transmitterdurchgang stattgefunden hat.«
»Vielleicht glauben sie, dass wir den Etappenhof verlassen haben.«
»Möglich wär's.« Sie hatten darauf verzichtet, die Deflektorschirme zu aktivieren. So gering ihre Streuenergie auch sein mochte, dieser Teil der Station war mittlerweile geräumt worden, und wenn sie die Einzigen waren, die solche Geräte einsetzten, würden sie unweigerlich auffallen.
Die ungewohnt leeren Gänge kamen Barbara unheimlich vor. Immer wieder schaute sie über die Schulter zurück,