Kindes und mit großen, gleichfalls kindlichen Augen, jedoch mit den Runzeln und Falten eines Greises. Das Gesicht glich dem eines Menschen, jedoch wirkte es ungewöhnlich flach. Auch die Kleidung der beiden Blitzers war identisch, ein dunkelblau glänzender Einteiler mit steifem, hellblauem Kragen.
Mit welchem von beiden hatte er gesprochen?
»Das war die Zukunft«, antwortete der linke Blitzer ohne erkennbare Gemütsregung.
»Die Zukunft?«, verlangte Rhodan zu wissen. »Oder eine mögliche Zukunft?«
»Eine mögliche«, bekam er zu hören. »Vielleicht sogar die einzig mögliche. Sicher können wir es nur sagen, wenn sie nicht eintritt. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn du die neue Mission annimmst.«
Rhodan resignierte. »Also gut«, sagte er bitter. »Ich tue, was ihr wollt – bevor eintrifft, was ich gerade gesehen habe. Bist du dann zufrieden? Oder die LEUCHTKRAFT? Oder die NEUBEGINN, oder wer immer sich das ausgedacht hat?«
»Ja«, antwortete der linke Androide schlicht.
»Ich weiß nicht, wie man dieses Schiff verlässt«, merkte Rhodan an. »Die Wege führen jedes Mal an andere Orte, wenn man sie geht.«
Zum ersten Mal regte sich der rechte Blitzer. »Es gibt Millionen Möglichkeiten!« Er klang ehrlich überrascht. »Das macht es doch so einfach. Folge mir!«
Der Androide ging voraus. Rhodan blieb dicht hinter ihm, verließ die steinerne Höhle, die sich so merkwürdig deplatziert ausnahm auf einem Raumschiff, das der menschlichen Technik um Jahrzehntausende, vielleicht sogar um Jahrmillionen voraus war. Der Steingang wurde irgendwann zu einem Metallgang, dann wiederum zu einem durchscheinenden, stabilen Energiefeld im All.
Zu Fuß legten sie den Weg durch den freien Raum zurück, zwei winzige Punkte in der Unendlichkeit. Vor ihnen wurde ihr Ziel größer und größer: die goldene Hantel.
Die Kobaltblaue Walze der LEUCHTKRAFT blieb hinter ihnen zurück. Sie war Vergangenheit, zumindest für den Augenblick. Vor ihnen lag die Zukunft – die einzig mögliche.
Die SOL.
2.
Die Schlachtspitze stand unbemerkt am Rand des Skiwsystems und ortete. Der Tarnschirm des Pyramidenschiffs war undurchdringlich.
Das galt zumindest für die Truvaud, die als Geißel ins System eingefallen waren. Für die Skiw sowieso. Die Urbevölkerung hatte schon ihren Angreifern technisch nichts entgegenzusetzen. Wie hätten die plumpen Instrumente dieses Volkes ein getarntes Ritterschiff erfassen sollen?
A-Kuatond beobachtete den Verlauf des Gefechts. Die kleinen, pfeilförmigen Raumgefährte der Skiw hatten den Truvaud nichts entgegenzusetzen. Die Verteidiger kolonisierten erst seit einigen Jahrzehnten die Welten ihres Heimatsystems. Ihre Schiffe dienten dem Transport von Mannschaften und Frachtgut, waren oft Wochen ohne Kursänderung unterwegs. Bordwaffen hatten sie auf diesen Reisen nie gebraucht.
Dann waren die Truvaud gekommen, angelockt von den Energieemissionen einer knospenden Zivilisation. Sie fielen über das Skiwsystem mit ihren wendigen Sichelraumern, ihren Überlichtantrieben sowie ihren Thermo- und Impulsstrahlern her. Wenn ihnen niemand Einhalt gebot, würden sie die Skiw genauso ausrotten wie zuvor die Marrab, die Kefinga und die Kussu.
Dazu jedoch würde es nicht kommen. BARIL hatte entschieden, der Aggression ein Ende zu setzen. Die Truvaud waren zur Gefahr für Harmonie und Gleichgewicht in diesem Sektor Yahounas herangewachsen. Die Stimme BARILS hatte unter anderem A-Kuatond beauftragt, das Problem dauerhaft zu lösen.
Sie studierte die Angriffsmuster der Sichelraumer. Sie spielten ihre Überlegenheit gnadenlos aus und jagten die Skiw, wild und ohne jede Formation, die ihnen bei einer unerwarteten Wendung die Verteidigung erleichtert hätte. Auf den Gedanken, dass eine dritte, stärkere Partei eingreifen konnte, kamen sie überhaupt nicht. A-Kuatond würde leichtes Spiel haben.
»Du bist unzufrieden, Ritterin«, stellte Kalphatt Udimor neben ihr fest. Ihr Orbiter betrachtete nicht nur die taktischen Holos. Zwei seiner acht Augenfinger waren zu A-Kuatond gedreht und sahen zu ihr empor. Der Körper und die meisten anderen Augen ihres wichtigsten Helfers blieben auf das Taktikholo ausgerichtet.
So unersetzlich Udimor war, manche Dinge konnte A-Kuatond nicht dulden. »Verschwinde aus meinem Kopf!« Die Krallen ihrer Rechten blitzten kurz im Licht der Hologramme auf.
Ihr Orbiter ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich muss nicht in deinen Gedanken schnüffeln. Es reicht, deine Körpersprache zu beobachten. Du würdest am liebsten irgendetwas in winzige Splitter zerhäckseln und auf die Überbleibsel eindreschen, bis nur noch Staub übrig ist.«
»Und kann man es mir verdenken?« Anklagend deutete sie auf das Holo. »Die Truvaud sind die Geißel dieses Raumsektors. Aggressive Expansoren. Gut organisierte Mörder. Man sollte meinen, sie wüssten mehr über Kampfstrategie!«
»Du willst sie also ohne Vorwarnung vernichten«, folgerte Udimor.
»Nein, ich will sie bekämpfen«, korrigierte A-Kuatond.
»Angesichts unserer Überlegenheit läuft das auf dasselbe hinaus.«
»Und genau das ist das Problem!« A-Kuatond gierte nach einer Schlacht, einer epischen Bataille mit Opfern auf beiden Seiten. Mit Verzweiflungstaten, wechselndem Kampfglück und dem befriedigenden Gefühl eines hart erkämpften Siegs. Das allerdings war nicht zu erwarten, sofern die Truvaud nicht noch etwas Erstaunliches taten.
Zunächst jedoch waren sie selbst die Überraschten. A-Kuatonds Schlachtspitze flog zwischen die Fronten und enttarnte sich. Statt den kleinen Einheiten der Skiw sahen die Truvaud sich plötzlich einem berggroßen, gleichseitigen Tetraeder gegenüber, umgeben von einer schillernden Energieschale. Unangreifbar. Auch wenn ihnen das noch nicht bewusst sein mochte.
»Du kannst zu ihnen sprechen«, sagte der Orbiter.
Gereizt aktivierte A-Kuatond die Übertragung, die in allen feindlichen Schiffen eingehen und überall auf dem Planeten Skiw bezeugt werden sollte. Sie musste nun ihr Ultimatum stellen. Die Stimme BARILS hatte ihr eindeutige Anweisungen gegeben.
Alles in ihr sträubte sich dagegen. Wenn die Truvaud kapitulierten, wäre A-Kuatond ganz um ihre Schlacht gebracht. Aber sie hatte keine Wahl. Sie präsentierte sich in der ganzen Macht und Kraft einer Kriegerin der Zentrifaal: die Krallen der rechten Hand offen sichtbar, der Muskellappen der linken zur Faust zusammengezogen, das Haupt mit dem schwarzen Augenband hoch erhoben.
»Truvaud.« Sie sprach sachlich, ohne jedes Pathos. »Ihr werdet geerntet. Fügt euch, dann wird das Ende leicht. Kämpft, und ihr werdet das gleiche Leid erfahren, das ihr über drei Völker Yahounas gebracht habt und heute über das vierte bringen wolltet. Egal wie ihr euch entscheidet, das Ergebnis wird dasselbe sein. BARIL wird eure Schreckensherrschaft beenden, hier und heute.«
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Alle gut eintausend Schiffe der Truvaud ignorierten die wehrlosen Skiw und warfen sich auf den einen, großen Gegner.
A-Kuatond stieß einen Triumphschrei aus. Die Schlacht mochte kurz werden, aber sie fand statt!
BARILS Ritterin gab den Befehl zum Split. Ihre Schlachtspitze teilte sich: Aus dem gleichseitigen Tetraeder wurden vier Vierflächner von halber Höhe und zwei quadratische Pyramiden, die Quapyr-Spitzen. Die vier neuen Tetraeder teilten sich auf dieselbe Weise, und so wurden aus sechs Einheiten schon 26.
Bei Split-3 waren es schon 106 Schiffe, danach 426. In der folgenden Stufe hatte A-Kuatond die eine große Schlachtspitze in 682 unterschiedlich große Quapyrs und 1024 kleine Tetraeder verwandelt, von denen es jeder einzelne dem Format nach mit den Einheiten der Truvaud aufnehmen konnte – bei erheblich besserer Offensiv- und Defensivbewaffnung.
Die Truvaud waren in kürzester Zeit von Angreifern zu Verteidigern geworden. Feuerlohen strahlten auf, wenn eines ihrer Schiffe explodierte; nur einen Augenblick lang, bis der Sauerstoff der detonierenden Einheit verbraucht war. Doch das Geschehen wiederholte sich so häufig,