Aber er wurde ihr nicht gewährt.
Giuna Linh kniete neben ihr nieder. »Ich wäre dir und Rohonzori sehr verbunden«, flüsterte sie ihr zu, »wenn ihr unsere richtigen Namen nicht erwähnen würdet und ausschließlich bei unseren Tarnnamen bleiben würdet.«
»Das ist doch selbstverständlich.« Sie blinzelte ihr zu. »Ehre unter Geheimdienstleuten.«
»Wir sind keine ... nein, ich erklär's dir einfach: Lanko und ich werden von den Cairanern gesucht«, sagte Giuna leise. »Wir haben unser Aussehen verändert, um nicht erkannt und verhaftet zu werden.«
»Ihr seid aber keine Terroristen wie diese Hofbesetzer?«
»Sind wir nicht.« Giuna Linh seufzte leise. »Miss uns an unseren Taten.«
Barbara nickte. Das war genau die Art Geschichte, die wahrscheinlich auch ein Geheimdienst vorbereitet hätte, aber irgendwie klang sie wahr. Und kompliziert. »Ihr könnt euch auf uns verlassen. Seid ihr also zufällig in die Sache hineingeraten und wolltet eigentlich die Cairaner ausspähen?«
Giuna Linh schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben von den Transmitter-Hasardeuren gewusst und sind ihretwegen hier.«
Die Siganesin war fast enttäuscht. »Na gut. Aber ich misstraue den Cairanern weiterhin.«
Linh runzelte die Stirn. »Warum?«
»Legat Goniwari scheint über seine Befreiung seltsam unerfreut zu sein, findest du nicht auch? Zumindest habe ich diesen Eindruck. Oder täusche ich mich?«
»Nein. Ich bin ebenfalls dieser Ansicht.«
»Weshalb? Müsste er uns nicht vor Freude und Erleichterung um den Hals fallen?«
Täuschte Barbara sich, oder ging ein leises Zittern durch den Etappenhof? In diesem Moment bedauerte sie, einen Raum ausgewählt zu haben, der über keine Fenster verfügte. Ein schöner Panoramablick nach draußen wäre wünschenswert ...
Legat Matetao Goniwari kam heran, und die Agentin, die keine war, richtete sich wieder auf. Fragend sah sie zu dem großen Cairaner hoch.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte der Legat barsch. »Ich muss zu meinen Leuten!« Kein Wort des Dankes über die gelungene Befreiung kam über seine Lippen.
Lanko Wor trat heran und griff in das Gespräch ein. »Wir müssen weiterhin alle gebotene Vorsicht walten lassen«, sagte er diplomatisch. »Oder willst du wieder den Tomopaten in die Tentakel fallen? Vielleicht sind sie so erzürnt über deine Flucht, dass sie die Ghyrds ablegen und kurzen Prozess mit dir machen.«
Barbara schaute auf die vierfingrigen Handpaare des Legaten. Sowohl über die Außen- wie auch die feingliedrigeren Innenhände hatte er Handschuhe gestreift. Die beiden Innenfinger und die äußeren Daumen der Gespürhände bewegten sich leicht in einem komplizierten Muster.
Die Siganesin wusste, dass die Cairaner mit Gesten der Gespürhände Gefühlszustände vermittelten, kannte sich mit dieser Spezies aber bei Weitem nicht gut genug aus, um die Bewegungen zuverlässig deuten zu können.
»Ich bin sicher, dass meine Truppen mittlerweile eingegriffen und die Station besetzt haben«, sagte der Cairaner schließlich. »Aber du hast natürlich recht. Ich möchte den ... Freischärlern nicht wieder in die Hände fallen.«
»Freischärler? – Das sind Banditen, nichts weiter«, sagte Barbara scharf.
»Gut«, sagte Wor. »Ihr wartet hier, haltet euch weiterhin versteckt. Cayca und ich sehen uns draußen um. Sobald wir uns einen Überblick verschafft haben, informieren wir euch.«
»Wie war noch gleich dein Name?«, erkundigte sich der Legat.
»Atryon Limbach.«
»Ich begleite dich und deine Lebensgefährtin.«
»Auf keinen Fall!«, sagte Giuna scharf.
»Das kommt nicht infrage«, pflichtete Lanko ihr bei. »Du bist eine hochgestellte Persönlichkeit und das ideale Druckmittel für die Banditen. Wenn sie dich in die Finger kriegen, ist dein Leben keinen Galax mehr wert.«
Die Finger des Cairaners bewegten sich heftiger. Offensichtlich wusste er nicht, wie er reagieren sollte.
»Na schön«, sagte er schließlich. »Eure Argumentation ist stichhaltig.«
Hochrat Benert von Bass-Thet atmete auf. HyPer ließ sich nicht anmerken, wie er den Verlauf der Diskussion beurteilte.
»Damit wäre das geklärt. Barbara, kannst du unsere wertvollen neuen Freunde unter Kontrolle halten?«
Die Siganesin grinste. »Nur ich habe den Codegeber, mit dem man die Tür öffnen kann. Das dürfte also kein Problem sein.«
Lanko sah Giuna an. »Dann stürzen wir uns mal ins Getümmel!«
*
Von Getümmel konnte nicht die Rede sein, als Lanko Wor und Giuna Linh den verborgenen Raum verließen. Der Gang vor ihnen war menschenleer.
Aber in einiger Entfernung erklangen Stimmen. Lanko hörte, wie scharfe Befehle gebellt wurden und ein vereinzelter Schuss aus einem Thermostrahler fauchte. Dort fanden Kampfhandlungen statt.
»Wer kämpft gegen wen?«, murmelte er. Sollte der Legat tatsächlich recht behalten haben, und die Cairaner griffen den Etappenhof an? Oder die Cheborparner oder wer auch immer?
Vorsichtig ging er weiter. Schon bald stieg ihm ein seltsamer Geruch in die Nase, den er in viel schwächerer Form schon seit geraumer Zeit wahrgenommen hatte. Ein leicht rauchiger Geruch, ähnlich wie Feuer.
Waren vor ihnen Teile der Station in Brand geraten?
Nein. Er kannte diesen Geruch. So rochen männliche Cairaner.
Giuna nickte, ohne dass er etwas gesagt hatte. »Ich rieche sie auch.«
Am liebsten hätte er sich abgewandt, wäre er einfach davongelaufen. Dass er die Cairaner nicht mochte, war eine Untertreibung. Er durfte gar nicht darüber nachdenken, was sie ihm angetan hatten, als sie ihn in eine ihrer Strafanstalten gesteckt hatten.
»Dann sollten wir auf unsere eigenen Worte hören und die gebotene Vorsicht walten lassen. Legen wir die Waffen ab?«
»Warum? Wir haben sie von den Invasoren erbeutet. Sie gehören uns.«
Er bezweifelte, dass die Cairaner das genauso sahen, widersprach aber nicht.
Nach wenigen Schritten sah er vor sich einen schwer bewaffneten Trupp der zweieinhalb Meter großen Humanoiden mit der stark gefleckten goldenen Haut. Einer bemerkte ihn ebenfalls und sah desinteressiert zu ihm hinüber. »Habt ihr die Durchsagen nicht gehört? Geht zum nächsten Versammlungspunkt. Diese Sektion des Etappenhofs wird geräumt!«
Um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, streckte er beide Arme in die Luft. »Wir haben Legat Matetao Goniwari!«, rief er.
Mit einem Mal reagierten die Cairaner hektisch. Sie wirbelten zu ihm herum und richteten die Waffen auf Giuna und ihn.
»Wir haben ihn gerettet!«, versuchte er zu erklären. »Wir haben ihn aus der Geiselhaft befreit und in einem sicheren Versteck untergebracht!«
Einer der Cairaner trat zu ihm. »Wo ist dieses Versteck?«
»Nicht weit entfernt. Ich führe euch dorthin.«
Wor konnte auf den fremdartigen Gesichtszügen einen Anflug von Skepsis ausmachen. »Wenn das eine Falle ist ...« Der Cairaner richtete das Gewehr auf seine Brust.
»Keine Falle. Den ehrenwerten Hochrat und HyPer haben wir ebenfalls befreit.«
Mit einem bellenden Befehl alarmierte der Cairaner die Soldaten seiner Einheit. Fast im Stechschritt eilten sie herbei.
Lanko überlegte, ob er die Hände wieder herunternehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Er hatte nie etwas von solchen Allgemeinplätzen gehalten, doch