Andreas Bonnet

Kooperatives Lernen im Englischunterricht


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Motivation Dörnyei 1997; Law 2011 Mehrere emp. Studien Emotionen erweisen sich selbst als soziale Konstruktionen Imai 2010 Argumentative Begründung Verstärkte Reflexivität Haitink/Haenen 2002; Rankes 1999 Mind. 1 emp. Studie

      Tab. 2.2:

      Befunde zu schülerseitigen Effekten von KL im Bereich des Fremdsprachenlernens.

      Der zweite Bereich umfasst positive Auswirkungen von KL auf sprachliche (Teil-)Fertigkeiten und damit unmittelbare Effekte im Bereich des Fremdspracherwerbs. Diese Effekte sind jeweils durch eine empirische Untersuchung und damit schwach belegt. So wird zum einen eine gegenüber nicht-kooperativen Inszenierungen erhöhte Förderung der Lesekompetenz durch virtuelle, hier: untutoriertes Schreiben von Wikis (Platten 2008), und reale Kooperation, hier: Lesen im Gruppenpuzzle (Law 2011), festgestellt. Zum anderen scheint es in kooperativen Inszenierungen zur Erweiterung der Schreibkompetenzen und einer Förderung des individuellen Schreibprozesses zu kommen (Faistauer 1997). Eine generelle Zunahme der Englischleistung durch KL misst Sharan (1984).

      Der dritte Bereich schließlich umfasst die emotionalen und metakognitiven Effekte, die wiederum mittelbar auf den Fremdspracherwerb einwirken. Relativ gut durch mehrere empirische Untersuchungen, die von Dörnyei (1997) referiert werden, ist belegt, dass KL den Gruppenzusammenhalt (cohesion) erhöht und damit motivationale Faktoren wie die Motivation selbst aber auch andere Faktoren wie z. B. Selbstwirksamkeit fördert. Diese Faktoren wiederum stehen in engem Zusammenhang mit der Fachkompetenz, die hier als Sprachkompetenz aufzufassen ist. Eine weitere Studie berichtet, dass mit Mitteln der Dramapädagogik (z. B. Standbild) arbeitende Methoden des KL die autonome Motivation der Lernenden erhöhen, die wiederum in hohem Zusammenhang mit dem Erwerb sprachlicher Kompetenz gesehen wird (Law 2011). Einen sehr interessanten Befund fördert eine aktuelle Studie aus Japan zu Tage. Während die emotionalen Effekte des KL bis vor kurzem immer in Bezug auf die Auswirkungen auf die Individuen beforscht wurden (s.o.), kann eine sehr innovative Studie (Imai 2010) mit großem empirischen Aufwand – neben Fragebögen und Interviews kommt auch die Videographie privater Treffen der Arbeitsgruppen zum Einsatz – rekonstruieren, wie Emotionen sich im Verlauf der gemeinsamen Arbeit verändern und wie sie im Sinne gemeinsamer emotionaler Aushandlungen sozial konstruiert werden. Damit findet sich im Bereich der Emotionen ein ähnliches Phänomen der Ko-Konstruktion, wie es insbesondere im Rahmen von Kollaboration für die kognitive Wissenskonstruktion angenommen wird. Im metakognitiven Bereich finden sich ebenfalls schwache, aber immerhin vorhandene empirische Belege dafür, dass es in kooperativen Inszenierungen zu verstärkter Reflexivität kommt.

      Im Lichte dieser Zusammenschau lässt sich insgesamt resümieren, dass es zwar keinesfalls abschließende, aber durchaus sehr umfassende empirische Hinweise darauf gibt, dass KL den Fremdspracherwerb fördert. Dies geschieht sowohl mittelbar, nämlich einerseits über die Intensivierung der Kommunikation und die Verstärkung von sprachliches Lernen unterstützenden Merkmalen der Interaktion, und andererseits über die positive Beeinflussung von den Fremdspracherwerb steigernden emotionalen Faktoren, wie z. B. Motivation. Darüber hinaus sind auch unmittelbare Wirkungen belegt, nämlich eine gegenüber nicht-kooperativen Inszenierungen erhöhte direkte Verbesserung sprachlicher Teilfertigkeiten wie Lese- oder Schreibkompetenz.

      2.4.4 Befunde der Lehrerforschung

      Damit ist die Frage der schülerseitigen Effekte umfassend diskutiert. Wie sieht es also mit der Forschung zu Lehrer*innen im KL aus? Aber muss man sich überhaupt mit ihnen beschäftigen, denn schließlich sollen sie sich ja gerade überflüssig machen? Ja, man muss. Dies zu begründen bedarf gar nicht mehr der – ohnehin arg dekonstruierten (Herzog 2014) – Hattie-Studie, sondern ein Blick in die Forschung zu KL selbst genügt. Wie bereits ausgeführt wurde (vgl. Kap. 2.2.2), ist es nicht die Sozialform, sondern die unterrichtliche Interaktionspraxis, die die Kooperativität des Unterrichts und damit dessen Wirkungen hervorbringt. Diese Praxis, so die oben bereits zitierte Studie (Tesch 2010) weiter, wird wiederum stark durch die von den Lehrer*innen in den Unterricht hineingetragenen Orientierungen bestimmt. Der Zusammenhang zwischen KL und der Professionalisierung von Lehrer*innen, auf den dieser Befund verweist, ist allerdings ein bis auf Praxis bezogene Veröffentlichungen (z. B. Green/Green 2005) weitgehend unbestelltes Feld.

      Vorläufig lässt sich sagen, dass der Zusammenhang zwischen KL und der Professionalität und Professionalisierung von Lehrer*innen in zwei Richtungen wirkt. Zum einen stellt sich die Frage, ob und wenn ja auf welche Weise Lehrer*innen das Zustandekommen von Kooperativität durch Vorgaben und begleitendes Handeln beeinflussen können und wie dieses Handeln zustande kommt. Anders gefragt: Wie schlagen sich die Orientierungen der Lehrenden im Unterricht nieder und woher kommen sie? Zum anderen stellt sich die Frage, wie die Inszenierung von KL auf die Lehrenden zurückwirkt. Anders gefragt: Wie werden die Orientierungen von Lehrer*innen durch kooperativen Unterricht verändert? Wurde bislang – sowohl in der Forschung als auch v. a. in der Praxisliteratur – gefragt, was Lehrer*innen mit KL machen, so fragt diese Studie nun darüber hinaus, warum sie das machen und was KL mit den Lehrer*innen macht. Diese Teilfragen werden durch das Zusammenspiel der Teilstudien zum Unterricht und zur Professionalisierung der Lehrer*innen bearbeitet.

      Was lässt sich zum Stand der Lehrerforschung im Bereich des KL sagen? Zum einen finden sich Veröffentlichungen sowohl im deutschen (z. B. Pauli/Reusser 2000), als auch im englischen Sprachraum (z. B. Gillies 2007; Gillies/Boyle 2010), die den Forschungsstand der Lehrerforschung zu KL resümieren und die Veränderung der Lehrerrolle beim KL betonen. Unter der Überschrift „teachers’ responsibilities in establishing cooperative learning“ fasst Gillies (2007, 193–217) die Befunde zahlreicher Untersuchungen zusammen. Unter Berufung auf drei Studien (Ayres/Sawyer/Dinham 2004; Dolezal et al. 2003; Walker 2000) bestimmt sie zunächst Eigenschaften von Lehrer*innen, in deren Unterricht besonders erfolgreich gelernt wird. Diese Lehrer*innen besitzen demnach emotionale (Freundlichkeit, Zugänglichkeit, menschliche Wärme, Begeisterung für das Fach) und kognitive (Stellung und Durchsetzung hoher inhaltlicher Anforderungen, hohes Fachwissen, großes Methodenrepertoire) Charakteristika, die dazu führen, dass ihre Schüler*innen inhaltlich herausgefordert werden, Risiken eingehen, große kognitive Verarbeitungstiefe der Inhalte erreichen, miteinander kooperativ arbeiten und Verantwortung übernehmen. Um diese Ziele im Rahmen von KL zu erreichen, müssten Lehrer*innen laut Gillies v. a. vier Dinge gelingen: das Setzen von Erwartungen für die kooperative Gruppenarbeit, die Förderung von dem Kompetenzerwerb dienenden (kommunikativen) Handlungsmustern der Schüler*innen, die Aufgabenstellung, die Bereitstellung von Feedback zu den beobachteten Lernfortschritten der Schüler*innen. Diese vier Bereiche, die man auch als aufeinander folgende Schritte bei Einführung von KL auffassen kann, werden im Folgenden nacheinander kurz diskutiert.

      Das Setzen der Erwartungen beginnt laut Gillies (2007, 198ff.) damit, den Schüler*innen zu verdeutlichen, dass es der Lehrperson ernst damit sei, dass die Schüler*innen zusammenarbeiten, Ideen und Lernmittel teilen, sich gegenseitig unterstützen und Konflikte demokratisch lösen. Unter Bezugnahme auf mehrere empirische Untersuchungen (u.a. Gillies/Ashman 1998; Mercer 1996; Webb/Farivar, 1994) schließt sie, dass es in dieser ersten Phase neben dem Aufbau von Vertrauen und gegenseitigem Verständnis v. a. darum gehe, gemeinsam mit den Schüler*innen soziale Normen der Zusammenarbeit auszuhandeln und das Ergebnis in geeigneter Form (z. B. als Aushänge im Klassenraum) als Merkposten für alle bereitzustellen.

      Im nächsten Schritt sei es erforderlich, dass die Lernenden geeignete Handlungsmuster erwerben. Unter Bezugnahme auf weitere Studien begründet Gillies zunächst, dass dazu sinnvollerweise die Verwendung von Kooperationsskripts wie z. B. die wechselseitige Übernahme der Rolle von Lehrer*in und Lerner*in im reziproken Lehren (O’Donnell/Dansereau 2000), die Ko-Konstruktion von Wissen durch Erstellung gemeinsamer Produkte wie z. B. einer Mind-Map (Boxtel et al. 2002) oder die Verpflichtung auf das Begründen von Aussagen (Chinn/O’Donnell/Jinks 2000) dienen könne. Um von diesem grundlegenden Niveau des reinen Verstehens zu höheren