Andreas Bonnet

Kooperatives Lernen im Englischunterricht


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im Winter des ersten Jahres ein vierwöchiger Probelauf im Englischunterricht der Klasse 5 durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt fand auch jeweils das berufsbiographische Eingangsinterview statt, die Testinstrumente wurden pilotiert. Neben dem C-Test wurden zunächst noch Tests des Hörverstehens und Leseverstehens, sowie ein Test der mündlichen Kommunikationsfähigkeit mittels videographierter Gespräche von Lernerpaaren pilotiert. Für diese weiteren Sprachtests ist leider über den gesamten Untersuchungszeitraum die gemeinsame Stichprobe derart klein geworden, dass eine aussagekräftige Auswertung nicht mehr möglich war. Am Ende des ersten Jahres (Klasse 5) wurden dann die Erhebungen des eigentlichen Ausgangszustands des zweijährigen Untersuchungszeitraums durchgeführt: episodisches Interview mit den Lehrer*innen, Videographie und teilnehmende Beobachtung des Unterrichts, C-Test zur Ermittlung des Eingangsniveaus der Sprachkompetenz. Diese Erhebungen wurden am Ende von Klasse 6 und am Ende von Klasse 7 jeweils identisch wiederholt. Über die Schuljahre hinweg wurden außerdem teilnehmende Beobachtungen des Unterrichts durchgeführt. Wenn dies notwendig war, erfolgten auch zusätzliche Interviews.

Zeit Unterrichtsaktivität Forschung
Winter 2007 Pilot Unit Berufsbiographisches Interview, teilnehmende Beobachtung, Baseline Sprachtests (C-Tests)
Sommer 2007 Drei kooperative Units von Lehrpersonen entwickelt Begleitinterview, C-Tests Schüler*innen, Videographie und teilnehmende Beobachtung Unterricht
Winter 2008 Drei kooperative Units gemeinsam entwickelt Videographie und teilnehmende Beobachtung Unterricht
Sommer 2008 Drei kooperative Units gemeinsam entwickelt Begleitinterview, C-Tests Schüler*innen, Videographie und teilnehmende Beobachtung Unterricht
Winter 2009 Drei kooperative Units gemeinsam entwickelt Videographie und teilnehmende Beobachtung Unterricht
Sommer 2009 Drei kooperative Units gemeinsam entwickelt Begleitinterview, C-Tests Schüler*innen, Videographie und teilnehmende Beobachtung Unterricht
Winter 2010 Abschlussinterview Lehrer*innen

      Tab. 2.3:

      Ablauf der Untersuchung.

      Der Englischunterricht der Klassenstufen 6 und 7 erfolgte in Form von KL. Die Unterrichts- und Materialentwicklung wurde von Lehrer*innen und Forscher*innen gemeinsam in drei Schritten vorgenommen. Als erster Schritt wurde zu Beginn des zweiten Halbjahres der Klassenstufe 5 ein Planungsgespräch durchgeführt, in dem die Lehrer*innen ihre Vorstellungen für den Unterricht der Klassenstufe 6 darlegten. Diese Vorstellungen wurden diskutiert und in eine grobe Skizze des Unterrichts umgesetzt. Darin wurden zu behandelnde Inhalte aus Lehrbuch und Workbook, sowie die Progression der zu verwendenden und einzuführenden kooperativen Methoden festgehalten. Im Laufe des folgenden Sommersemesters wurden diese Vorstellungen in einem Seminar zu KL in Unterrichtsmaterialien für das erste Halbjahr der Klasse 6 umgesetzt. Dazu wurde für jede Unit des Lehrbuchs Green Line 2 (Klassenstufe 6) ein sogenanntes Unit-Book erstellt. Darin wurden alle zu verwendenden Inhalte und Materialien des Lehrbuchs kooperativ aufbereitet und mit kooperativen Methoden umgestaltet. Außerdem wurde für jede neu einzuführende kooperative Methode ein Methodenarbeitsblatt erstellt. Die Entwürfe der Unit-Books wurden den Lehrer*innen vor Beginn des Halbjahres übergeben, und sie konnten Korrekturwünsche und Änderungswünsche zurückmelden. Zu jedem Material wurde außerdem ein Vorschlag für einen Stundenablaufplan erstellt. Analog wurde der Unterricht für das zweite Halbjahr der Klassenstufe 6 geplant. Das Unit-Book wurde den Lehrer*innen jetzt allerdings elektronisch zugänglich gemacht, damit sie flexibler Änderungen vornehmen konnten.

      Da sich auch dies noch als zu unflexibel erwies, wurde die Planung des Unterrichts für die Klassenstufe 7 nochmals modifiziert. Wieder fand das gemeinsame Planungsgespräch statt, und auch die Materialien wurden im Seminar erarbeitet. Allerdings wurden nun nicht mehr ganze Stunden geplant, sondern die Lehrer*innen erhielten auf eigenen Wunsch nur noch die jeweilige zentrale Aktivität als Kombination aus einem Material und einer Aufgabe: 20–25 Minuten lang für eine Einzelstunde, 40–50 Minuten lang für eine Doppelstunde. Diese Blöcke konnten sie dann flexibel mit anderen Unterrichtsaktivitäten kombinieren: als Klassenlehrer*innen mussten sie immer wieder Klassengeschäfte im Englischunterricht erledigen, und die Vorbereitung von Klassen- oder Vergleichsarbeiten erforderte immer wieder nicht langfristig planbare Aktivitäten. Als zweite Änderung wurden Texte und Übungen aus Lehr- und Workbook nicht mehr in die zu erstellenden Arbeitsmaterialien übernommen, sondern es wurde auf die entsprechenden Materialien nur noch verwiesen. Dies reduzierte die Menge an zusätzlichen Arbeitsblättern für die Schüler*innen erheblich.

      Die Untersuchung wurde an zwei Schulen, einem Gymnasium und einer Hauptschule mit jeweils zwei teilnehmenden Lehrer*innen durchgeführt. Nach dem ersten Projektjahr (Ende Klasse 6) kristallisierte sich heraus, dass die beiden Lehrer*innen am Gymnasium hinsichtlich ihres Umgangs mit KL als maximal kontrastierende Fälle des Samples zu betrachten sind. Während die Kooperativität des Unterrichts bei Yvonne Kuse sich nur sehr langsam entwickelt, unterrichtet Silke Borg bereits sehr schnell mit hoher Kooperativität (vgl. Kap. 3). Gleichzeitig erwiesen sie sich auch in der Professionsstudie (vgl. Kap. 6) als deutlich kontrastierend, da sich u.a. ihre Vorstellungen von KL und ihr Umgang mit den durch KL vergrößerten Ungewissheiten deutlich unterschied. Im dritten Projektjahr konzentrierte sich das Projekt daher auf diese beiden Fälle, die auch in den folgenden Teilstudien ausschließlich dargestellt werden.

      3. Unterrichtsstudie

      Im vorangegangenen Kapitel wurden das Zustandekommen und der Verlauf des Projekts dargestellt und auf der Basis der Forschungsdiskussion zum KL das Erkenntnisinteresse und die Fragestellung des Projekts erläutert. Ziel der hier anschließenden Unterrichtsstudie ist es, wesentliche Merkmale des Unterrichts in den Projektklassen zu rekonstruieren und deren Entwicklung über die Dauer des Projekts nachzuzeichnen. Dadurch ergibt sich ein Blick in das jeweilige Klassenzimmer und damit ein Bild des jeweiligen Unterrichts. Dies ist die Grundlage dafür, die in den dann folgenden Kapiteln rekonstruierten Wirkungen dieses Unterrichts auf die Schüler*innen (Kap. 4) sowie dessen Professionalisierungseffekte bzw. -voraussetzungen seitens der Lehrer*innen (Kap. 5) mit dem Geschehen im Klassenzimmer in Verbindung zu bringen.

      Das Ziel dieses Kapitels ist es daher, die Struktur des Unterrichts sowohl in Hinblick auf die Konstitution seiner Fachlichkeit, als auch in Bezug auf KL und weitere relevante Merkmale, wie z. B. die etablierten Machtkonstellationen, zu rekonstruieren. Dazu gehen wir in folgenden Schritten vor. Im ersten Teil des Kapitels wird der unterrichtstheoretische und methodologische Rahmen entfaltet, in dem sich die Studie nachfolgend bewegt. Dabei werden zuerst die zentralen Begriffe geklärt (Kap. 3.1) und anschließend in zwei Fallstudien die longitudinalen Entwicklungen der Unterrichtsstruktur in den beteiligten Klassen rekonstruiert (Kap. 3.2 und Kap. 3.3). Abschließend werden diese im Fallvergleich unter Verwendung des eingangs erarbeiteten theoretischen Rahmens unterrichtstheoretisch gedeutet (Kap. 3.4).

      3.1 Theorierahmen: Unterrichtsforschung1

      Einen begrifflichen Rahmen für eine Unterrichtsstudie zu konstruieren, ist kein einfaches Unterfangen. So konstatiert Matthias Proske in seinem Sammelband zu Ansätzen der Unterrichtstheorie mit Verweis auf Shulman: „Die Abwesenheit von wissenschaftlichen Theorien über Unterricht […] ist kein Phänomen der deutschsprachigen Erziehungswissenschaft (Shulman 1986),