Michaela Hanauer

Rulantica (Bd. 1)


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die nur für ihn da sind und ihm zuhören. Nicht wie Carla und Ignatz, die ihre Aufmerksamkeit auf alle verteilen müssen und eigentlich immer fair, aber auch immer neutral bleiben. Wie es tatsächlich mit echten Eltern wäre, kann Mats sich bloß ausmalen – kennengelernt hat er seine Mutter und seinen Vater nämlich nie. Er wurde als Baby am Strand gefunden. Ob das etwas mit seiner Angst vorm Meer zu tun hat? Das kann ihm niemand sagen, auch in seinen Albträumen hat er darauf bisher keine Antwort gefunden. Es gibt also keinen Ausweg, heute muss er in Frau Grenlinds Schwimmunterricht …

      »MATS!«, brüllt Rayk. »Ich hole jetzt den Eimer!«

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       GROTTENARREST

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      Skyrn, der Lehrer für Wassermagie, beweist einmal mehr, dass ihm für Zuspätkommen jegliches Verständnis fehlt. Als Aquina versucht, sich heimlich von hinten auf die Korallenbank zu mogeln, fährt er herum.

      »Euer Hochwohlgeboren Prinzessin Aquina gibt uns höchstselbst die Ehre. Wie ausgesprochen reizend von ihr!« Mit einer einzigen zackigen Bewegung seines Fischschwanzes, auf dem die gelben Streifen wie Blitze am schwarzen Nachthimmel wirken, ist er bei ihr und deutet eine Verbeugung an, die so gar nichts mit einer unterwürfigen Geste zu tun hat. »Dürften wir alle erfahren, was dich bisher davon abgehalten hat, an unserer kleinen, unbedeutenden Veranstaltung teilzunehmen? Wichtige Regierungsgeschäfte nehme ich an?«

      Aquina senkt den Kopf und schüttelt ihn wortlos.

      »Nicht?«, fährt Skyrn spitz fort. »Es ist doch nicht etwa deine liebe Mutter erkrankt und bedurfte deiner Pflege?«

      Aquina schüttelt erneut den Kopf.

      »Auch nicht? Würdest du mir dann freundlicherweise verraten, wieso du erst kurz vor Ende des Unterrichts erscheinst?« Jetzt ist die Verachtung in seiner Stimme unverhohlen. »Oder beherrschst du den Wasserwirbel inzwischen und glaubst, dir deshalb weitere Anleitung sparen zu können? Das wollen wir doch sehr gerne sehen!«

      Aquina regt sich nicht, obwohl sie genau weiß, dass sie dieser Vorführung nicht entgehen wird.

      »Bitte schön, Aquina! Wir sind alle gespannt.«

      Was soll’s, dann wird sie es eben versuchen. Sie strafft den Rücken, bevor sie sich erhebt. Vorhin hat es auch geklappt, immerhin ein bisschen. Vielleicht lässt Skyrn sie danach in Ruhe. Sie streckt den Zeigefinger aus. »Va…a…t galdu…r…ch.«

      Nur ein kratziges Flüstern kommt aus ihrer Kehle. Das Wasser um Aquinas Finger bleibt, wie es ist, nicht einmal der Mückentanz, den sie Snorri gezeigt hat, findet statt.

      Skyrn zieht spöttisch eine Augenbraue nach oben. »Nicht schlechter, als ich es erwartet habe.« Sein Finger schnellt auf Aquina zu, augenblicklich fängt das Wasser um sie herum zu wirbeln an, ihre weißblonden langen Haare wickeln sich um ihren Kopf wie ein dichtes Netz, sie versucht, es mit den Händen zu bändigen, kommt aber gegen die Strömung nicht an. Sie verliert komplett den Halt und dreht sich immer schneller um die eigene Achse. So muss sich ein Sandkorn fühlen, das vom Meeresboden aufgewühlt durch das Wasser fliegt, ohne beeinflussen zu können, wohin es treibt. Jade, Orchid, Larima, Ruby und alle anderen Schüler auf der Korallenbank sausen wie bruchstückhafte Schemen an Aquina vorbei. Sie richtet den Blick nach unten, bemüht sich, mit ihrem Fischschwanz gegenzusteuern, um sich nicht auch noch zu überschlagen. Jetzt werden aus den Gesichtern Farben. Die Farben ihrer Schwanzschuppen drehen und vermischen sich, aus Blau wird Silber, aus Silber wird Türkis, immer schneller, immer verschwommener. Aquina gibt auf, es hat überhaupt keinen Sinn, sich dagegenzustemmen. Entfernt dringt eine Stimme an ihr Ohr, die an Manati erinnert.

      »Skyrn, bei allen Göttern! Was treibst du da? Du kannst doch nicht den magischen Wasserwirbel an Schülern testen!«

      Skyrn lacht höhnisch. »Gibt es eine bessere Methode, gleichzeitig Wirkung und Pünktlichkeit zu lehren?«

      »Ich kenne die Probleme«, entgegnet Manati. »Trotzdem geht das zu weit. Und sie ist immerhin Kailanis Tochter!«

      Widerwillig senkt Skyrn den Finger. »Das sollte ein zusätzlicher Ansporn und keine Ausrede sein!«

      Der Strudel legt sich und hinterlässt eine blasse Aquina, die es nicht wagt, etwas zu sagen. Ein peinliches Ereignis am Tag ist schon schlimm genug, aber gleich zwei, das nagt an ihr. Am schlimmsten ist, dass nicht nur Jade mitleidig guckt, sondern sogar Larima! Sie könnte Skyrn erwürgen und würde sich selbst am liebsten in einer Muschel verkriechen, wo niemand sie sieht und sie niemanden sehen muss. Wenigstens beinahe geht dieser Wunsch in Erfüllung.

      »Ihr könnt jetzt gehen«, meint Skyrn. »Morgen sind hoffentlich alle auf die Lektion Wasserklinge vorbereitet …« Ein Seitenblick zu Aquina. »… und pünktlich anwesend!«

      So schnell sie kann, paddelt Aquina los, aber nicht schnell genug.

      »Das war echt fies!«, sagt Jade und schließt zu ihr auf.

      »Oberfies!«, bekräftigt Ruby und schlägt entrüstet ihren feuerroten Schwanz ins Wasser, während sie die runden Wangen aufbläst. So sieht sie fast aus wie ein Kugelfisch.

      »Das kann er doch nicht bringen, ausgerechnet bei dir!«, empört sich Orchid und sein eigentlich weißer Fischschwanz leuchtet gelb auf vor Wut.

      »Hätte er lieber einen von euch verzaubern sollen?«, fragt Aquina matt. »Das wäre doch genauso fies gewesen! Ihr wart immerhin pünktlich.«

      »Na, hör mal, deine Mutter ist unsere Königin!«

      »Meine Mutter ist keine Königin, sondern bloß unsere Anführerin«, korrigiert Aquina.

      »Das ist doch dasselbe«, meint Jade.

      »Ist es nicht! Sonst wäre ich nämlich eine Prinzessin und dürfte wahrscheinlich noch weniger als jetzt«, seufzt Aquina.

      »Trotzdem ist sie eine der Unsterblichen, ihr hat Frigg die Prophezeiung hinterlassen. Das kann Skyrn doch nicht einfach ignorieren!«, schimpft Jade weiter.

      Sie merken nicht, dass sie Aquina damit noch mehr zusetzen, als Skyrn es mit seinem magischen Wasserwirbel getan hat. So lieb ihre Freunde es auch meinen, aber sie verstehen einfach nicht, wie es ist, immer bloß die Tochter von Kailani zu sein. So gut wie jeder nimmt Rücksicht. Außerdem bewundern sie Kailani alle und haben keine Ahnung, wie sie als Mutter ist. Manchmal wäre Aquina lieber die Tochter von niemandem.

      »Du solltest es deiner Mutter sagen!«, beharrt Orchid.

      »Nein! Dann bekomme ich bloß noch mehr Ärger!«, sagt Aquina.

      »Wieso du?«, wundert sich Orchid. »Skyrn hat doch dich verzaubert, nicht du ihn!«

      Aquina zuckt mit den Schultern. »Das wird meine Mutter aber sehr viel weniger interessieren als die Tatsache, dass ich zu spät war!«

      »Wo warst du überhaupt so lange?«, fragt Jade neugierig dazwischen.

      »Siehst du«, sagt Aquina zu Orchid. »Exakt so würde meine Mutter auch reagieren. Deshalb halte ich besser meinen Mund.«

      »Wieso? Wo …?«, fragt Orchid, bis Ruby ihn unterbricht: »Merkt ihr nicht, dass Aquina uns das nicht sagen will?«

      Jade zuckt zusammen. »Du warst nicht wirklich oben, oder? Das hast du doch nicht ernst gemeint vorhin?«

      »Nein, natürlich nicht«, schwindelt Aquina, »die Sonne trocknet doch unsere Schuppen aus, das weiß schließlich jedes Kind!«

      Die anderen drei nicken einhellig, aber Aquina rollt innerlich mit den Augen. Gibt es denn außer Snorri niemanden, der neugierig ist, ob diese ollen Märchen überhaupt stimmen? Jemanden, der mit ihr die Nase über Aquamaris hinausstrecken würde? Es muss doch