gibt schon mal solche Namensgleichheiten«, sagte er barsch. »Ich kann es nicht ändern. Aber nun müssen Sie mich entschuldigen, Baronesse, die Pflichten warten auf mich.«
Ernestine setzte ihr süßestes Lächeln auf. Es machte ihr Spaß, diesen Mann ein wenig zu foppen und ihn herauszufordern, denn er konnte sich ja nicht wehren, wenn er sich hier nicht verraten wollte.
Mit einer nach außen hin sehr vertraulich wirkenden Geste legte sie dem Butler eine Hand auf den Arm.
»Sie hatten mir Blumen versprochen, Archie.«
»Ich habe Ihnen keine Blumen versprochen.«
»O doch, darum sind wir in den Garten gegangen, nicht wahr? Weil mir die Nelken, die man mir ins Zimmer gestellt hat, nicht gefallen. Ich möchte Rosen.«
»Ich werde den Gärtner benachrichtigen.«
»Nein, ich möchte die Rosen von Ihnen haben. Oder noch besser, nur eine einzige Rose möchte ich. Diesen einen Wunsch können Sie mir doch nicht abschlagen. Als Butler…«
»Als Butler muß ich höflich sein, ich weiß«, seufzte Archie, »auch wenn mir gar nicht danach zumute ist. Glauben Sie, ich hätte noch nicht gemerkt, daß Sie mich nur herausfordern wollen? Also gut, Sie sollen Ihre Rose haben.«
Er wandte sich einem Busch mit herrlichen gelben Rosen zu.
Ernestine schüttelte den Kopf und setzte ihr verführerischstes Lächeln auf.
»O nein, Archibald«, säuselte sie, »eine rote Rose möchte ich, eine blutrote Rose.«
Und sie trat noch näher an ihn heran. Von weitem mußte es so aussehen, als schmiegte sie sich an ihn, in Wirklichkeit lachte sie ihm nur übermütig und auch ein bißchen herausfordernd keß zu.
»Nervensäge!« knurrte Archie deutlich vernehmbar, aber er schnitt ihr doch eine lange rote Rose ab, die Ernestine dann demonstrativ an die Lippen führte.
»Die erste Rose, die mir ein Butler geschenkt hat!« sagte sie triumphierend.
Archie blieb ihr die Antwort schuldig. Er machte eine knappe Verbeugung und wollte zum Haus zurückgehen. Ernestine hielt sich aber dicht an seiner Seite.
»Es bleibt also dabei«, erklärte sie gönnerhaft. »Ich verrate Sie nicht, Archibald. Wenigstens vorläufig nicht.«
*
König Maximilian Peter saß in seinem Arbeitszimmer und war mit dem Studium einer Akte beschäftigt, deren Inhalt ihn über alle Maßen ärgerte.
»Das ist doch nicht zu fassen!« sagte er schimpfend. »Geht man denn ganz und gar über meine Anordnungen hinweg? Das hier ist genau das Gegenteil von dem, was ich verfügt habe. Ist man denn nicht mehr Herr im eigenen Haus? Aber die Herren sollen mich kennenlernen.«
Der König wollte schon zur Glocke greifen und seinen Sekretär herbeirufen. Aber dann besann er sich. Vielleicht war es besser, die ganze Angelegenheit noch einmal zu überdenken.
Ein wenig schwerfällig erhob er sich aus seinem lederbespannten Sessel und trat ans Fenster.
Fast immer beruhigte ihn ein Blick von hier hinaus; denn diese Aussicht liebte der König ganz besonders.
Der Rosengarten war den etwas düsteren Schloßmauern vorgelagert wie ein herrliches Schmuckband, und es war nicht nur der Stolz des Gärtners, sondern auch der Königin, daß es im Rosengarten von Norawa die herrlichsten und seltensten Blüten gab.
Dem Rosengarten schloß sich ein hübsches parkähnliches Gelände an, das sich bis zur Küste hinzog. Wie ein breites, brillantbesetztes Geschmeide funkelte dahinter die Meerstraße zwischen der Insel und dem Festland in der Morgensonne, und die Berge in der Ferne wirkten wie Wächter, die dieses paradiesisch schöne Land zu beschützen hatten.
Der König liebte dieses Fleckchen Erde, es war seine eigentliche Heimat, hier war er verwurzelt, wenn ihn auch die Umstände zwangen, den größten Teil des Jahres anderswo zu leben.
Auch diesmal glätteten sich die Unmutsfalten auf seiner Stirn. Es war doch zu dumm, sich über Nichtigkeiten zu ärgern, wenn die Welt ringsumher so schön war.
Schon wollte der König sich vom Fenster abwenden, die Akte noch einmal durchlesen, da stutzte er. Er hatte im Garten etwas gesehen, was ihm ungewöhnlich vorkam.
Der König trat noch einen Schritt näher an das Fenster heran, er beugte sich etwas vor, und dann war es schon wieder vorbei mit der Ruhe, zu der er sich gerade durchgerungen hatte, denn was er dort sah, ließ ihm die Zornesader auf der Stirn anschwellen. Nun griff er doch zu der goldenen Glocke auf seinem Schreibtisch, er läutete so heftig, daß der Sekretär ganz seine sonstige Würde vergaß und hereinstürmte, als würde es irgendwo brennen.
»Hoheit haben geläutet?« fragte er, was nicht sehr intelligent klang.
»Natürlich habe ich geläutet!« knurrte der König denn auch aufgebracht. »Meine Tochter soll zu mir kommen, und zwar sofort.«
»Sehr wohl, Hoheit! Ich werde Ihre Hoheit benachrichtigen.«
Es dauerte dann auch nicht lange, bis Prinzessin Edina bei ihrem Vater anklopfte. Sie war wieder einmal in der Bibliothek gewesen, um nach Schloß Lukorin Ausschau zu halten, und dort hatte man sie bald gefunden.
»Stimmt es, daß ich zu dir kommen soll, Vati?« fragte Edina, und ihre Stimme zitterte ein bißchen. Es geschah doch selten, daß der König seine Tochter rufen ließ, und dann auch noch zu so ungewöhnlicher Stunde, wo er im allgemeinen seinen geschäftlichen Angelegenheiten nachging.
»Ja, es stimmt, denn ich muß mit dir reden, Edina.«
Der König war wieder ans Fenster getreten und blickte hinaus, aber das, wonach er suchte, erspähte er offenbar nicht mehr. So wandte er sich wieder dem Zimmer zu und
sagte ungehalten: »Ich wünsche, daß du mit deiner Freundin redest, Edina.«
»Ich soll… Ich verstehe dich nicht, Vati.«
»Natürlich nicht, laß mich doch erst zu Ende reden. Wenn ich mit Baronesse von Wallenberg spreche, so werde ich vielleicht zu hart und zu deutlich, und immerhin ist die junge Dame unser Gast. Andererseits kann und will ich aber nicht dulden, daß sie sich… Also, um es kurz zu machen, erkläre deiner Freundin, daß es nicht angeht, sich in unserem Haus mit einem Dienstboten anzubiedern.«
»Vati, das kann doch nicht dein Ernst sein!«
»Es ist mein voller Ernst, Edina. Gerade wurde ich Zeuge einer recht beschämenden Szene. Baronesse von Wallenberg und unser Butler – jawohl, unser Butler! – ergingen sich im Rosengarten, und ich sah mit meinen eigenen Augen, wie die junge Dame sich an unseren Angestellten schmiegte, wie sie ihn offenbar bedrängte, obwohl er anscheinend lieber Zurückhaltung gewahrt hätte.
Das ist auch der Grund, warum ich Herrn Archibald nicht selbst zur Rede stelle. Er kann sich ja schlecht wehren, wenn ein Gast unseres Hauses sich dermaßen über die Etikette hinwegsetzt. Als Angestellter muß er höflich bleiben, obwohl – und das mache ich Archibald zum Vorwurf – er klug und geschickt genug hätte sein müssen, um es erst gar nicht zu solch einer beschämenden Szene kommen zu lassen.«
»Eigentlich begreife ich das nicht, Vati. Ernestine ist doch sonst gar nicht so.«
»Das kannst du als junges Mädchen nicht beurteilen, Edina. Ich weiß jedenfalls, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, und ich bin nicht gewillt, so etwas auf Schloß Norawa zu dulden. Die junge Dame brachte unseren Butler sogar dazu, ihr eine einzelne rote Rose zu schneiden. Eine einzelne Rose! Ein Strauß wäre unverbindlicher gewesen, obwohl es natürlich Aufgabe des Gärtners und nicht des Butlers gewesen wäre, unseren Gast mit Blumen zu versorgen. Aber immerhin, ich hätte nichts dagegen gehabt. So aber… Nein, Edina, ich bin empört. Mach deiner Freundin bitte in aller Deutlichkeit klar, daß ich derartige Scherze – zu ihren Gunsten will ich annehmen, daß sie es als Scherz aufgefaßt hat – nicht dulden kann!«
»Aber Vati, das