zu Gast ist, und ich wollte dir sagen, daß du das nicht wieder tun sollst, Ernestine.«
Die lachte schon wieder. Sie war kein bißchen gekränkt, denn die Szene im Rosengarten mit dem Butler war für sie nur ein Spiel gewesen. Sie hatte ihn ein bißchen erpreßt mit der Drohung, ihn zu verraten, und Archie, der Freund ihres Bruders, hatte mitmachen müssen. Als Mann interessierte Archie sie nicht, außerdem war sie in einen anderen verliebt und schon so gut wie verlobt.
Es machte ihr direkt Spaß, daß sie dieses Geheimnis der Freundin gegenüber bisher für sich behalten hatte, denn nun konnte sie so tun, als ob an der Sache mit dem Butler wirklich etwas sei.
Süß, wie Edina sich darüber aufregte. Ihr schien der sogenannte Butler gar nicht so gleichgültig zu sein, wie Edina offenbar glaubte.
Ernestine machte ein ernstes Gesicht, aber sie hatte Mühe, das Lachen dahinter zu verstecken.
»Ich verspreche dir, mein Schatz, euren Butler nun nicht weiter zu bedrängen. Ich überlasse ihn dafür dir, denn als Tochter des Hauses hast du natürlich größere Anrechte.«
»Ach, du spinnst! Heute ist ja überhaupt nicht mit dir zu reden.«
Edina war wütend. Sie lief zur Tür und schlug sie hinter sich zu.
Da hatte sie sich so auf das Kommen der Freundin gefreut, und jetzt…
Vielleicht wäre es besser gewesen, Ernestine wäre nicht gekommen. Aber wer konnte das denn auch ahnen. Bisher hatten sie sich doch immer so gut verstanden.
Edina wußte noch nicht, daß die meisten Mädchenfreundschaften einen Riß bekommen, wenn ein Mann im Spiel ist. Und Edina wußte vor allem noch nicht, was Eifersucht ist.
Sie wäre auch nie auf den Gedanken gekommen, daß sie eifersüchtig war. Wieso denn auch? Sie liebte den Fürsten von Lukorin, ihm ganz allein gehört ihr Herz. Was kümmerte es sie da, wenn Ernestine den Butler Archibald umgarnte?
Er war nett, natürlich, sehr nett sogar, und Edina mochte ihn so sehr, wie sie noch nie jemanden vom Personal gemocht hatte, von ihrem Kinderfräulein vielleicht abgesehen, das sie früher, als sie noch klein war, so heiß und innig geliebt hatte. Aber das war natürlich etwas ganz anderes.
Immerhin mochte sie den Butler Archibald auch, sie sprach gern mit ihm und fühlte sich in seiner Nähe so sicher und geborgen, sie hatte unbegrenztes Vertrauen zu ihm.
Aber das war alles Unsinn. Warum sie bloß darüber nachdachte? Das war nur, weil Ernestine gekommen war.
Sie sollte den Butler in Ruhe lassen. Es gehörte sich einfach nicht, ihm nachzustellen. Nein, das durfte Ernestine nicht tun.
Aber nur darum, weil es sich nicht gehörte, nur darum. Warum denn sonst nur?
*
Mit Edinas guter Laune war es vorbei. Sie konnte sich nicht erklären, warum das so war. Ihr war es plötzlich so eng ums Herz, sie glaubte nicht mehr frei atmen zu können.
Langsam schritt die Prinzessin die Treppe hinunter. Sie durchquerte die Halle, die ihr riesig und düster erschien. Die hohen Mauern machten ihr fast Angst.
Nein, sie mußte hinaus, sie mußte an die frische Luft, ans Meer, um ihre Ruhe wiederzufinden.
Die Prinzessin vergrub die Hände in den Taschen ihres Kleiderrockes. Sie hätte viel lieber Hosen getragen, Blue jeans am allerliebsten, aber in dieser Beziehung war die Königin hart und unnachgiebig. Solche Kleidung schickte sich nicht für eine junge Dame, und für eine Prinzessin schon gar nicht, pflegte sie zu sagen, und dagegen gab es nun einmal kein Aufbegehren.
Dafür trug sie aber gern Kleider mit weiten Röcken, die sportlich waren und in denen sie sich bewegen konnte, denn manchmal mußte sie einfach noch ein bißchen umhertollen. Sie war ja noch so jung.
Aber diesmal tollte Prinzessin Edina nicht. Ernst und nachdenklich schritt sie die Stufen des Schloßportals hinunter.
Sie durchquerte den Rosengarten, ohne etwas von der Pracht der herrlichen Blumen zu bemerken. Nicht einmal den Duft spürte sie, obwohl gerade dieser sie sonst doch immer so sehr entzückte.
Auch im Park schaute sie nicht auf. Fast mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen, sie ging wie eine Marionette.
Es war doch noch gar nicht lange her, eine Stunde erst, daß sie sich so über den herrlichen Tag gefreut hatte, und nun sah es in ihrem Innern aus, als würde es immerzu regnen. Und dafür hatte Edina keine Erklärung.
Vielleicht war es gerade das, was die kleine Prinzessin so sehr erschreckte.
So kam Edina zur Küste. Die war ziemlich steinig hier, und Edina verließ den schmalen Pfad und kletterte über die von den Fluten in langer Zeit übereinandergetürmten Felsbrocken bis unmittelbar ans Wasser.
Edina saß gern so, als Kind war das hier schon ihr Lieblingsplätzchen gewesen. Wenn sie allein sein und über irgend etwas nachdenken wollte, war sie hierhergegangen.
Wollte sie auch diesmal nachdenken?
Edina wußte nicht, worüber.
Ihr Ärger über den Butler war im Grunde genommen unwichtig. Es war ganz bedeutungslos, ob ihre Freundin Ernestine diesen Butler gut leiden mochte oder nicht.
Komisch war nur, daß Edina diese Gedanken nicht aus dem Kopf gingen, daß sie hinter ihrer Stirn kreisten wie ein Karussell und sich einfach nicht verdrängen ließen.
Die Prinzessin stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus.
Bisher hatten ihre Zehen im Wasser gespielt, sie hatte kleine Strudel verursacht, und Edina hatte dem Spiel der kleinen Wellen ganz selbstvergessen zugeschaut.
Doch jetzt richtete sie sich auf, sie reckte sich und schaute aufs Meer hinaus.
Sofort wurde ihre Aufmerksamkeit gefesselt.
Das war doch das Postboot, das gerade mit dem Anlegemanöver an der Mole begann.
Natürlich, wie sie das nur hatte vergessen können.
Sonst interessierte das Postboot sie doch immer so sehr, denn Edina wartete so sehnlich auf eine Nachricht aus Schloß Lukorin. Diesmal waren ihre Gedanken so mit anderen Problemen beschäftigt gewesen, daß sie es beinahe vergessen hätte.
Rasch schlüpfte Edina wieder in ihre Sandalen und machte mit fliegenden Fingern die Schnallen zu. Dann erhob sie sich flink, strich mit beiden Händen über den Rock und kletterte über die Felsen zum Weg zurück.
Ein Blick überzeugte sie, daß sie noch Zeit hatte, bis das Boot vertäut war, und so schlenderte sie zur Anlegestelle.
Es sollte so aussehen, als käme sie ganz zufällig vorbei und habe im übrigen kein großes Interesse an den Sendungen, die das Postboot mitbrachte.
Der Postbote riß die Kappe vom Kopf und grüßte ehrerbietig. Edina lächelte nickend.
»Haben Sie viel Post heute?« fragte sie und bemühte sich, ihre Stimme gleichgültig klingen zu lassen.
»Ach, wie man es nimmt, Hoheit«, antwortete der Mann beflissen. »Es kommt halt immer viel an in einem so großen Schloß und bei so hohen Herrschaften.«
Edina hatte schon das Bündel erspäht, das die Privatpost der königlichen Familie darstellte. Sie wurde dem König täglich in sein Privatbüro gebracht, während alles andere zunächst in die Kanzlei geleitet und von dort verteilt wurde.
»Ich könnte Ihnen einen Weg abnehmen und meinem Vater die Post bringen«, erklärte die Prinzessin.
Der Bote wehrte fast erschrocken ab.
»Aber nein, Hoheit, das geht doch nicht! Das kann ich nicht annehmen.«
»Warum denn nicht?« fragte Edina. »Ich wollte sowieso zum Schloß gehen, das Päckchen ist nicht schwer, da kann ich es doch mitnehmen, nicht wahr?«
»Sie sind sehr freundlich, Hoheit, aber ich möchte nicht…«
»Ach