Marisa Frank

Fürstenkrone Staffel 10 – Adelsroman


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und nun wartete er, bis Edina herangekommen war.

      »Wollen Sie ein Stück mitfahren, gnädiges Fräulein?« fragte er höflich.

      »Ich wüßte nicht, Sie darum gebeten zu haben«, antwortete Edina eisig.

      »Selbstverständlich nicht. Und es ist sonst auch nicht meine Art, junge Damen zum Mitfahren aufzufordern. Aber zufällig weiß ich, daß es hier weit und breit kein bewohnbares Haus gibt. Sie haben also auf jeden Fall noch einen weiten Fußmarsch vor sich. Wäre es da nicht angenehmer, ein Stück zu fahren, meine Dame?«

      Nun beugte sich auch Gwendolyn Noraway aus dem Fenster, und es störte sie gar nicht, daß dabei der kostbare Blumenhut verrutschte und sogar das lila getönte Haar in Unordnung geriet.

      »Seien Sie doch nicht so stolz, Fräulein«, sagte Gwendolyn mit echter Herzlichkeit. »Mein Sohn ist kein Mädchenverführer, das weiß ich genau. Und im übrigen bin ich ja auch noch da. Sie können ganz beruhigt sein.«

      Obwohl Edina eben noch überzeugt gewesen war, in ihrem ganzen Leben nie mehr lächeln oder gar lachen zu können, mußte sie nun doch unwillkürlich lächeln.

      Die beiden Fremden, der junge Mann und seine aufgeputzte, aber darum doch nicht unsympathische Mutter, waren nett, und das Angebot war bestimmt gut gemein.

      Der Weg bis zur Anlegestelle, wo sie das Boot zurückgelassen hatte, war wirklich noch weit, und sie sehnte sich nach nichts so sehr wie nach der Stille ihres Zimmers. Dort wollte sie ausruhen und nachdenken.

      Außerdem war sie müde. Es wäre schön, fahren zu können.

      »Sie sind sehr freundlich«, erklärte sie zögernd.

      Doch da hatte Frau Noraway schon die Wagentür geöffnet und zog Edina neben sich.

      »Kommen Sie, Kind!« sagte sie mütterlich. »Sie sehen ganz müde und erschöpft aus. Warum machen Sie sich auch auf einen so langen Weg? Fahr zu, Allan, es ist alles ihn Ordnung.«

      Allan hatte sich umgewandt. Lieber hätte er die schöne Unbekannte neben sich gehabt, doch seine Mutter, die übrigens immer darauf bestand, hinten zu sitzen, war schneller gewesen. Nun mußte er sich mit einem Blick in den Rückspiegel begnügen.

      Irgendwie kam ihm das Mädchen bekannt vor, obwohl er es ganz sicher noch nie gesehen hatte.

      Wieder schaute er, während der Wagen bereits fuhr, in den Rückspiegel. Darin erschien das Gesicht des Mädchens neben seinem eigenen, und – das war doch zu komisch – Allan fiel eine frappierende Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden auf. Der gleiche Gesichtsschnitt, das gleiche dunkle Haar, die charakteristische Nase, die geschwungenen Lippen.

      Bei dem Mädchen war natürlich alles viel feiner, zierlicher.

      Ach, das war ja verrückt! Er sollte seine Aufmerksamkeit lieber der Straße zuwenden, das war gescheiter.

      »Ich heiße Gwendolyn Noraway, und das ist mein Sohn Allan«, sagte seine Mutter gerade. »Wir sind Amerikaner und machen hier einen Besuch.«

      Edina nickte freundlich, gab aber keine Antwort. Es war nicht einmal ersichtlich, ob sie überhaupt zugehört hatte.

      Noch immer war sie wie betäubt über das, was der Aufseher ihr arglos mitgeteilt hatte.

      Erst die schriftliche Ankündigung der Verlobung des Fürsten und nun das… Der Schock war zu plötzlich gekommen.

      Edina, die so lange geträumt und in einem Wolkenschloß gelebt hatte, konnte so schnell nicht in die Wirklichkeit zurückfinden.

      Wollte sie es überhaupt?

      Ach, sie wußte nicht, was sie wollte. Nur allein sein, nachdenken können.

      Frau Noraway, sonst ziemlich derb und gar nicht so sehr zartfühlend, schien zu spüren, was in dem jungen Mädchen vorging, und so sagte sie bald auch nichts mehr.

      Schweigend fuhren sie so dahin, bis Edina plötzlich sagte: »Hier möchte ich aussteigen.«

      »Hier?« fragte Allan verwundert und blickte sich um. Nur das Gasthaus war zu sehen und das hohe Schloß drüben auf der Insel. Ob das Mädchen zu dem Gasthaus gehörte?

      Er mußte noch ein Stück weiter, denn die Fähre, die zur Insel übersetzte, ging nur von der nächsten Ortschaft aus, und es war nicht einmal sicher, ob noch eine Übersetzmöglichkeit bestand.

      »Ja, ich muß hier aussteigen«, sagte Edina.

      »Selbstverständlich!« Allan nickte.

      Der Wagen hielt, und Edina stieg aus. Sie blickte noch einmal durchs Fenster, nickte Gwendolyn Noraway und ihrem Sohn zu und sagte: »Ich danke Ihnen, Sie waren sehr freundlich!« Dann ging sie davon.

      »Seltsames Girl«, meinte Frau Noraway verblüfft. »Ist dir so etwas schon einmal begegnet?«

      »Nein«, erwiderte Allan. »Aber ich muß sagen, die Kleine hat mir sehr imponiert.«

      Der Wagen war schon wieder unterwegs, da rief Gwendolyn erstaunt: »Das Mädchen geht zum Meer hinunter, sieh nur!«

      Allan konnte es im Rückspiegel nicht erkennen, und so bemerkte er nur: »Da hast du dich sicher getäuscht, Mutter. Was sollte das Mädchen denn bei diesem Wetter da unten am Meer?«

      *

      Der Sekretär des Königs war auf die Terrasse hinausgegangen, um eine Zigarette zu rauchen. Der König sah es nicht gern, wenn in seinen Arbeitsräumen geraucht wurde.

      Wie in tiefes Nachdenken versunken, schüttelte der Sekretär den Kopf, gerade als der Butler Archibald vorüberging.

      Archie mußte unwillkürlich lächeln.

      »Sie führen wohl stumme Selbstgespräche?« fragte er heiter.

      Der Sekretär nickte.

      »So etwas Ähnliches. Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie verdreht und undiszipliniert junge Damen in einem gewissen Alter sein können, selbst wenn sie den höchsten Familien entstammen.«

      Archie runzelte die Stirn. Er wußte natürlich sofort, daß Prinzessin Edina gemeint war, und er wollte auf keinen Fall dulden, daß jemand etwas Nachteiliges über sie sagte.

      Das nicht nur, weil es sich um die Tochter des Königs handelte. Archie selbst fühlte sich getroffen, und darüber wunderte er sich.

      Aber er nahm sich nicht die Zeit, darüber nachzudenken.

      »Wie meinen Sie das?« fragte er nur knapp.

      Der Sekretär schmunzelte.

      »Na, was halten Sie denn davon? Da kommt die junge Dame zu mir hereinspaziert und besteht darauf, ihrem Vater die Post persönlich auf den Schreibtisch zu legen. Schon nach kurzer Zeit aber kommt sie aus dem Zimmer herausgestürmt, als sei der Leibhaftige hinter ihr her. Sie rennt davon, ohne mich überhaupt zu beachten. Da müssen Sie doch zugeben, daß das ein sonderbares Verhalten ist.«

      Archie war alarmiert. Er wußte nicht, warum, aber es war nun einmal so. »Die Prinzessin hat die Post gebracht, sagten Sie?«

      »Ganz recht.

      »Und der König war nicht anwesend?«

      »Nein, er ist auch noch nicht zurückgekommen von seinen Besprechungen.«

      Archie fragte nicht weiter. Er machte auf dem Absatz kehrt und ging auf die Tür zum Arbeitszimmer des Königs zu.

      »Wohin wollen Sie?« fragte der Sekretär verblüfft. »Sie wissen doch, ich darf nicht…«

      Doch Archie beachtete den Einwand überhaupt nicht. Mit größter Selbstverständlichkeit betrat er den Raum, in dem der König in seiner Abwesenheit niemanden duldete, und er ging geradewegs auf den Schreibtisch zu.

      Hatte der Sekretär nicht gesagt, die Prinzessin habe die Post gebracht und wollte sie auf den Schreibtisch legen?

      Ja, dort lag die Post – und obenauf ein geöffneter weißer