damit auch Kompliziertheit führen und dem Einzelnen nicht die für seine individuelle Entwicklung vielleicht nötige größere Freiheit einräumen können.
Mit der Verständnisfähigkeit ist es schwieriger und einfacher zugleich. Sie ist im Grunde genommen eine Form der Bewusstseinsentfaltung, ein Wachsen von Erkenntnis. Dabei geht es nicht um eine Vermehrung schulischen Wissens, sondern um ein stetig zunehmendes, vorurteilsfreies Verständnis nicht nur des menschlichen Seins. Es geht darum, dass der Mensch ein bewusstes Wesen wird, das die Dinge nicht einfach nur als gott- und justizgegeben hinnimmt, sondern sie zu verstehen sucht, das die Interdependenz zwischen ihm, anderen Individuen, der menschlichen kleinen und großen Gemeinschaft und die Abhängigkeiten von und in der Natur nicht als Herausforderung, sich durchzusetzen begreift, sondern als Teil eines Zusammenspiels, als Einladung zur Teilnahme am universalen Tanz. Der Mensch muss seinen Platz in der Welt entdecken und bei maximaler innerer Entfaltung Teil des Miteinanders in der großen Gemeinschaft werden, statt weiterhin seine egoistische Ich-Will-Haltung zu kultivieren. Freiheit ist dann keine rücksichtslose Freiheit mehr, die von Gesetzen abgesichert ist, sondern die Freiheit, die man sich und anderen als natürliche Selbstverständlichkeit zugesteht, die Freiheit, die aus Anteilnahme, Harmonie und Verständnis entsteht.
Die Freiheit hat aber noch einen weiteren Aspekt, der auch mit der Verständnisfähigkeit zusammenhängt, aber letztlich tiefer reicht. Das beginnt mit der Freiheit der Gedanken. Man sollte meinen, das wäre keine große Sache, denn da niemand in die Gedanken eines anderen hineinsehen kann, kann man dort auch nicht in seiner Freiheit beschränkt werden. Das ist zwar, mechanistisch betrachtet, wahr, aber wenn man erst gelernt hat, genauer hinzusehen, sieht man, dass diese Vorstellung die pure Illusion ist. Es gibt – falls überhaupt – kaum einen Menschen, der in seinem Denken wirklich frei ist.
Das fängt damit an, dass das Denkwesen geprägt ist von dem, was man in seinem Leben erlebt hat. Jemand, der ein privilegiertes Leben geführt hat, wird viele Dinge anders beurteilen, als jemand, der in einem Slum aufgewachsen ist oder im afrikanischen Busch. Darum ist jeder Mensch gefangen in seinen Ansichten und Prägungen. Wirkliche Freiheit würde in diesem Zusammenhang bedeuten, dass man in der Lage wäre, alle möglichen Standpunkte einnehmen und verstehen zu können und ohne Vorlieben und Abneigungen eine jegliche Fragestellung zu betrachten und zu entscheiden. Wenn man Vorurteile gegen Schwarze, Juden oder Schwule hat, wird man Vorschlägen und Ideen, die von diesem Personenkreis kommen, eher skeptisch gegenüberstehen und nicht die Vorschläge selbst sehen, losgelöst von der Person. Wenn man Sklave von Vorlieben und Abneigungen ist, welcher Couleur auch immer, so ist man nicht frei. Wenn man eine Meinung teilt, weil sie von einer angesehenen Person geäußert wurde, so ist man nicht frei. Ja, selbst wenn man seine Meinung auf Schulbücher stützt, ist man nicht frei. Was heute wahr ist, kann sich morgen als falsch herausstellen. Auch wenn unsere Entscheidungen unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie wir geschlafen haben oder in welcher Stimmung wir uns gerade befinden, so sind wir unfrei.
Freiheit bedeutet, über den Dingen zu stehen, nicht von ihnen bestimmt und beeinflusst zu werden. Wirkliche Freiheit ist also keine Frage von äußeren Umständen, sondern eine Frage des Bewusstseins und kann kaum jemals erlangt werden. Freiheit ist immer relativ. Eine Freiheit, die wir uns heute erkämpft haben, mag uns morgen, im Licht eines gewachsenen Bewusstseins, bereits als Gefängnis erscheinen. Freiheit mag für wahrlich Erleuchtete vielleicht ein Zustand sein, für alle übrigen Menschen ist Freiheit etwas, das man sich jeden Augenblick neu erarbeiten muss. Freiheit drückt sich progressiv in einem stetig wachsenden Bewusstsein aus. Die Erlangung von Freiheit ist Bewusstseinsarbeit, Bewusstseinsforschung.
Sich innerlich frei zu machen vom Joch der Aristokratie und der Gewohnheiten und der eigenen Beschränktheit wäre das eigentliche Freiheitsideal der französischen Revolution gewesen. Wenn die Menschen damals innerlich frei geworden wären, hätte es dieses Blutbad nie gegeben. Die Aristokratie hätte keine Macht mehr über freie Menschen gehabt und hätte vielleicht selbst den Weg in die Freiheit gefunden. Aber es fand nur ein winziges Bewusstseinswachstum statt, das mit Mord und Totschlag vor dem Rückfall bewahrt werden musste.
Der nächste Begriff des Mottos ist das Ideal der Gleichheit, das in dem Augenblick verraten wurde, als sich die Vertreter der Revolution über die übrigen Menschen stellten. Nominell sind in der westlichen Welt alle Menschen gleichgestellt, aber praktisch liegt die Sache etwas schwieriger. Gleichheit vor dem Gesetz ist zum Beispiel davon abhängig, wie gut und teuer der eigene Anwalt im Zweifelsfalle ist. Auch beim Zugang zur traditionellen Schulbildung gibt es Unterschiede. Eigentlich stößt man überall darauf, dass die Möglichkeiten der Menschen nicht immer gleich sind und praktisch auch nicht gleich sein können. Aber ist ein erhöhtes Ausmaß an Gleichheit eigentlich wünschenswert? Und was soll man unter Gleichheit eigentlich verstehen?
Man kann Gleichheit als Uniformität interpretieren und bekommt dann eine faschistoide Masse, bei der äußere Gleichheit zur Nivellierung von Gemütszustand und mentaler Flexibilität auf niedrigem Niveau führt. Das kommt zwar gewissen Ordnungs- und Regelungsfanatikern und unflexiblen Menschen entgegen, dürfte aber den Machern der Revolution nicht vorgeschwebt haben.
Gleichheit bedeutet nicht, dass jeder Mensch gleich ist, sondern dass jeder Mensch den gleichen Wert hat. Es mag alle Arten von Eliten geben, Arm und Reich, Dumm und Klug, Stark und Schwach, Weiß, Gelb, Rot, Braun, Schwarz – aber ganz grundsätzlich ist der amerikanische Präsident nicht mehr wert als ein afghanischer Opiumbauer oder ein irakischer Feldarbeiter. Er mag mehr Einfluss haben und größere Macht, aber wenn die drei zusammen auf einer einsamen Insel stranden, dann ist derjenige am wichtigsten, der die angetroffenen Ressourcen am optimalsten zu nutzen versteht, um das Überleben aller zu sichern. Der äußere Wert ist also relativ.
Was soll Gleichheit also bedeuten?
Wir sind gleich in dem, was einen Menschen ausmacht – im Streben nach Wahrheit, nach Entwicklung, nach Vollkommenheit. Dieses Streben ist in vielen Menschen verschüttet, mal schwach, mal umfassend, aber es liegt in der Natur des Menschen als Rasse, sonst hätten wir uns nie von der Entwicklungslinie abgespalten, die zum heutigen Affen führte. Wenn man Gleichheit fordert, dann ist das die Forderung, jedem Menschen die Möglichkeit zu bieten, dieses Potential, das in ihm steckt, bestmöglich auszuschöpfen.
Gleichheit bedeutet über die ursprüngliche rechtliche Gleichstellung hinaus, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf Selbstverwirklichung hat, dass jeder Mensch in der Lage sein sollte, seine Fähigkeiten zur Entfaltung bringen, eine eigenständige und individualisierte Persönlichkeit zu werden.
Die Stärke einer geeinten Menschheit, die vielleicht im Verborgenen das Fernziel der Revolution gewesen war, steigt nicht mit der Gleichheit der Uniformität, sondern mit der Gleichheit der Individualisierung. Viele Menschen mit vielen verschiedenen optimierten Fähigkeiten, die Freude am Leben haben und ihre Ideale mit kraftvoller und offener Kreativität ausdrücken können, können mehr für eine hoffnungsvolle Zukunft tun, als es einem zigfachen an gleichgeschalteten Massenmenschen jemals möglich wäre.
Es gibt Untersuchungen zur Hilfe in Notsituationen, die zeigen, dass Menschen, die sich vom Herdentrieb lösen können und sich in ihrem Handeln nicht von Reaktionen oder ausbleibenden Reaktionen ihrer Mitmenschen leiten lassen, sondern von ihrer eigenen Einschätzung der Lage hilfsbereiter sind. Das sind starke Persönlichkeiten, die von intoleranten Herdenmenschen oft als Exzentriker oder Quertreiber betrachtet werden; das sind Menschen, die sich auf dem Weg vom instinktgetriebenen Tiermenschen über den humanistischen Menschen zum wahren Menschen gemacht haben; das sind Menschen, die sich auf den Weg der Individualisierung gemacht haben.
Und es sind die Exzentriker, die Menschen, die sich in ihrem Denken und Fühlen von dem gelöst haben, was die Mehrheit der Menschen als künstliche Norm definiert hat, die mit ihrem politischen, technischen, sozialen, künstlerischen oder intellektuellen Geschick der Menschheit immer neue Fortschritte beschert haben und die dafür oft genug umgebracht wurden.
Der Staat mag vielleicht von einer gut geführten Masse getragen und aufrecht erhalten werden, aber er wird nirgendwo hinführen. Die Masse wird sich nie verantwortlich fühlen, wird nie einer Vision folgen, sondern immer gleichmäßig unzufrieden und folgsam sein und dem nächsten Demagogen Treue schwören. Ein Volk von Individualisten, von Menschen, die die