Anand Buchwald

Politik – Eine Zukunft für die Zukunft


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ergänzt oder abgeändert werden und zu einem unnötigen Anschwellen der Gesetzestexte. Ein gutes Beispiel dafür ist die sogenannte Homo-Ehe, deren Einführung überall auf der Welt für Aufruhr in konservativen bis fundamentalistischen und religiösen Kreisen sorgt. Alle möglichen Gruppierungen versuchen hier aus ideologischen Gründen Einfluss zu nehmen, was Kräfte bindet und von dringlicheren Problematiken ablenkt. Und während etwa Spanien einen minimalen Aufwand betrieben hat, indem es die gleichgeschlechtliche Ehe der bisherigen Eheform einfach gleichgestellt hat, hat Deutschland mit der Eingetragenen Partnerschaft ein neues Beziehungsinstitut für eine ausgegrenzte Minorität geschaffen, das die Ausgrenzung weiter festigt und zudem eine große Vielzahl an neuen Gesetzen nötig machte – also keine Spur von Vereinfachung.

      Leider hat es sich im Bewusstsein der Menschen festgesetzt, dass jeder gegen den anderen für sich und seine eigenen Interessen arbeiten muss. Dieses Gegeneinander, verbunden mit dem allgegenwärtigen Anspruchsdenken sorgt dafür, dass das Leben, auch auf politischer Ebene, immer komplexer und antisozialer wird. Es gibt keinen wirklichen Zusammenhalt und kein Einheitsgefühl. Das mag etwa in der Gründungsphase der Gewerkschaften anders gewesen sein, aber mittlerweile sind auch diese nur noch ein Machtinstrument.

      Bewusstseinswachstum bedeutet hier einmal, die Zusammenhänge des Staatsapparates und der ganzen Machtspiele zu durchschauen, aber auch vor allem, über diesen kleinlichen Ego-Kram hinauszuwachsen und ein größeres Bild vor Augen zu haben, wie die Welt sein könnte und was dafür notwendig ist.

      Notwendig ist zuallererst der Abbau des Egos in allen seinen Formen und die Erkenntnis der Notwendigkeit und die daraus folgende Bereitschaft für umfassende Zusammenarbeit. Man kann nicht damit rechnen, dass ein Einzelner oder eine Großmacht die Welt aus dem Sumpf ziehen kann, in dem sie immer schneller versinkt. Die USA, Russland, China, Indien sind alle zu sehr in ihren internen Querelen und ihrem Streben nach Dominanz gefangen, und alle diese und alle übrigen Staaten haben keine Eltern, die ihnen ein wünschenswertes und zukunftsfähiges Sozialverhalten beibringen könnten. Und schon bei Kindern ist es so, dass sie bereitwilliger von Gleichgestellten lernen. Auch unsere Staaten lernen voneinander – wie man den Egoismus auf die Spitze treibt. Wichtig ist es jetzt, einen neuen Wachstumsschritt zu tun und Zusammenarbeit zu lernen und das Wohl der großen Gemeinschaft als Handlungsmaxime in den Vordergrund zu stellen. Als etwa Gorbatschow Glasnost und Perestroika verkündete, hat er ein Beispiel gegeben, einen Impuls an die Welt, dass Wandel möglich ist, und im Moment ist es das Zusammenwachsen der Europäischen Union, das einen kraftvollen neuen Impuls geben könnte, wenn es gelingt, die unterschwelligen Ängste und das Dominanzstreben in den Griff zu bekommen, das die EU nach außen zieht. Ein wachsendes Gefühl des europäischen Gedankens, der europäischen Identität und Einheit, das Wachstum der Seele Europas könnte das notwendige Gegengewicht zu diesen zentrifugalen Kräften bilden und sie in Zaum halten. Das wäre dann die Grundlage für ein weiteres und gesundes Wachstum der EU und gleichzeitig ein enormer Impuls für ein globales Zusammenwachsen und eine gemeinsame Bemühung um Problemlösung.

      Wenn der nationale Egoismus nicht ganz so blind wäre, könnte er sich sogar zu der Erkenntnis öffnen, dass Zusammenarbeit eigentlich in seinem eigenen Interesse liegt. Denn es sollte mittlerweile eigentlich klar sein, dass uns die Probleme über den Kopf wachsen, dass durch die unaufhaltsame Globalisierung die Grenzen zunehmend nur noch in unserem Kopf existieren und keinen Schutzwall gegen Finanz-, Klima- und Umweltprobleme bilden, dass schwindende Ressourcen und ungerechte Verteilung immer mehr Kriege entfesseln werden... Diese Probleme kann man alleine nicht lösen oder indem man egoistisch den Kopf in den Sand steckt und die Lösung der Probleme der übernächsten Regierung überlässt, in der Hoffnung, dass man durch die Verweigerung noch eine Legislaturperiode länger regieren kann. Die Welt braucht die richtigen Antworten jetzt und nicht irgendwann in ferner Zukunft. Die Aufgabe eines Politikers ist es nicht, Sympathien zu sammeln, sondern den Menschen die großen Zusammenhänge zu vermitteln und zügig und überlegt im Geiste der Zusammenarbeit und des großen gemeinsamen Nutzens die Aufgaben anzupacken, die für ihn bereit stehen – und das kann, wenn es gut gemacht wird, automatisch Sympathien wecken, denn die Menschen sind nicht dumm und verstehen durchaus die Notwendigkeit für einen Wandel. Nur wenn wir die globalen Krisen, das globale Elend, die globalen Ressourcen in den Griff bekommen und für eine gerechte Verteilung und für die Entwicklung unterentwickelter Strukturen sorgen, können wir das Ganze stabilisieren und zur Blüte kommen lassen, und erst dann sind wir selbst nicht mehr in Gefahr, bei der nächsten Krise unterzugehen. Dann werden auch die gegenwärtigen Völkerwanderungen, die so viele Ängste um die nationale Identität auslösen, nachlassen, denn die Menschen werden keinen Grund mehr haben, sich auf den beschwerlichen und ungeliebten Weg in ein anderes Land zu machen, das ein wenig mehr Sicherheit verspricht. Man kann also ganz egoistisch sagen, dass das Wohlergehen Anderer unser eigenes Wohlergehen fördert, und dass es darum in unserem ureigensten Interesse ist, global und offen zusammenzuarbeiten.

      Der andere Aspekt des Bewusstseinswachstums (nach dem Volumen und der Komplexität) ist die Beschleunigung des Bewusstseins. Wenn man Dinge nicht mehr als isoliert und einen nicht betreffend betrachtet und statt dessen beginnt, sich als Teil und Teilhaber von Allem zu sehen und sich entsprechend neuen Welten und neuen Erfahrungen öffnet, hat man die erste Grundlage gelegt. Der nächste Schritt ist die Verknüpfung dieser neuen Elemente untereinander, mit unserem Bild der Welt und mit uns selbst. Das macht unser Bewusstsein weiter, reichhaltiger und verständnisbereiter und öffnet uns für den Aspekt der Beschleunigung.

      Unser Bewusstsein ist normalerweise schwerfällig. Es ist auf uns selbst zentriert, auf unsere körperlichen und vitalen Bedürfnisse und Gelüste, darüber hinaus aber nur an Wenigem interessiert. Sich mit etwas Neuem auseinanderzusetzen, das sich außerhalb der ureigenen Sphäre befindet, bedeutet, unsere innere Ruhemasse in Bewegung zu setzen. Das ist ein Vorgang, der dem Start eines Zuges ähnelt. In die Bemühung anzufahren, wird eine Unmenge Energie gesteckt, und es dauert vergleichsweise lange, bis sich der Zug auch nur ein paar Zentimeter bewegt. Aber hat er sich erst einmal in Bewegung gesetzt, benötigt er für die nächsten Zentimeter bereits weniger Energie und Zeit bis man dann schließlich Reisegeschwindigkeit erreicht hat. Diese Beschleunigung geschieht also nicht von selbst, sondern ist mit dem Einsatz von harter Arbeit und Energie verbunden.

      Aber was bedeutet Beschleunigung eigentlich? Ein ganz gewöhnliches, durchschnittliches Bewusstsein hat kaum Geschwindigkeit, man könnte fast sagen, dass es ruht; es bewegt sich kaum. Aber Bewegung bedeutet Geschwindigkeit, und eine Beschleunigung bedeutet eine Erhöhung der Geschwindigkeit, eine Erhöhung der Bewegung und Aktivität. Bei einem Kind, das heranwächst, ist das Bewusstsein idealerweise immer in Bewegung. Es nimmt die Umgebung wahr, die Geschehnisse, die Interaktionen – es lernt und passt sich an und wandelt sich und wächst. Bei den meisten Menschen hört dieser Prozess sehr bald auf, meist wenn man die Vorgänge des Daseins durchschaut und sich angepasst und eingerichtet hat. Dann fängt das Bewusstsein an zu stagnieren, was mit einem inneren Tod gleichzusetzen ist. Die rein mentalen Tätigkeiten und mechanischen Lernvorgänge und Denkprozesse bleiben erhalten, aber die Fähigkeit, das Erlebte immer wieder neu zu betrachten und zu verarbeiten und daran zu wachsen und die Welt immer wieder neu zu betrachten und zu erleben, verringert sich zunehmend. Man wird unbeweglich, zuerst im Bewusstsein, und dann im geistigen Wesen, das ja Ausdruck des Bewusstseins ist. Der Vorgang wird Altern genannt, aber das stimmt nicht wirklich. Vielmehr läuft dieser Vorgang meist parallel zum Altern ab, ist aber keine zwangsläufige Alterserscheinung. Oft fängt er schon in sehr jungen Jahren an, aber manchmal setzt er auch bei sehr alten Menschen noch nicht ein, obwohl die kognitiven Fähigkeiten vielleicht durch physische Alterungsprozesse beeinträchtigt werden.

      Eine Beschleunigung des Bewusstseins bedeutet also, die allgemeine Paralyse hinter uns zu lassen und schließlich einen Zustand zu erreichen, in dem wir der Entwicklung nicht mehr hinterherhinken, sondern uns immer auf der Höhe der Zeit befinden. Ein beschleunigtes Bewusstsein ist in seiner Basis weit und umfassend und darauf aufbauend ausgesprochen beweglich, offen, unmittelbar und lern- und anpassungsfähig. Es nimmt die Dinge wahr, nicht in Bezug auf etwaige etablierte Schubladensysteme und Formationen oder Mindsets, lebt also nicht in der Vergangenheit, auch wenn diese ein Teilaspekt des Bewusstseins ist, sondern in der Gegenwart. Wenn beispielsweise das alte Stagnationsbewusstsein mit etwas Neuen, etwa einer Idee oder einer Entwicklung konfrontiert wird, dann laufen erst einmal die üblichen