Mark.“ Darauf nickte Napoleon Fischer kurz und verständnisvoll, und sie trennten sich. Sogleich begann Diederich wieder zu schreien. Die Leute hatten geraucht! Sie behaupteten, es sei nur seine eigene Zigarre, die er rieche. Zu dem Vertreter von Büschli & Cie. sagte er: „Übrigens bin ich versichert, aber Zucht muß sein. Tadelloser Betrieb, wie?“
„Veraltetes Aggregat“, entgegnete Herr Kienast, mit einem lieblosen Blick auf die Maschinen. Diederich versetzte höhnisch: „Weiß ich, mein Bester. Aber so gut wie Ihr Holländer allemal.“ Trotz Kienasts Protest fuhr er fort, die Leistungsfähigkeit der einheimischen Industrie herabzusetzen. Mit seiner neuen Einrichtung warte er bis zu seiner Reise nach England. Er gehe großzügig vor. Seit er selbst an der Spitze des Betriebes stehe, sei das Geschäft mächtig im Aufschwung. „Und es ist immer noch ausdehnungsfähig.“ Er erfand. „Jetzt hab’ ich Verträge mit zwanzig Kreisblättern. Die Berliner Warenhäuser machen mich überhaupt wahnsinnig ...“ Kienast unterbrach schneidend:
„Dann haben Sie wohl gerade alles abgeliefert, denn ich sehe nirgends fertige Ware.“
Diederich empörte sich. „Herr! Soll ich Ihnen was [pg 204]sagen? Erst gestern hab’ ich an sämtliche kleinen Kunden ein Rundschreiben geschickt: bis zur Vollendung meines Neubaus könne ich nichts mehr liefern.“
Der Maschinenmeister holte die Herren. Der neue Patentholländer war halb gefüllt, aber die Stoffbewegung blieb noch sehr schwach, der Arbeiter half mit dem Rührscheit nach. Diederich hielt die Uhr in der Hand. „Na also. Sie behaupten, in Ihrem Holländer braucht der Stoff für einen Umgang zwanzig bis dreißig Sekunden: ich zähle schon fünfzig ... Maschinenmeister, den Stoff ablassen ... Was ist denn los, das dauert ja ewig!“
Kienast hatte sich über die Schale gebeugt. Er richtete sich auf, er lächelte gewitzigt. „Ja, wenn die Ventile verstopft sind ...“ Und mit einem scharfen Blick in die Augen Diederichs, die nicht standhielten: „Was sonst noch mit dem Holländer angestellt ist, kann ich in der Eile nicht sehen.“ Diederich fuhr empor, plötzlich sehr rot. „Wollen Sie mir vielleicht insinuieren, daß ich mit meinem Maschinenmeister –?“
„Ich habe nichts gesagt“, stellte Kienast fest.
„Das müßte ich mir auch energisch verbitten.“ Diederich blitzte. Auf Kienast schien es keinen Eindruck zu machen, er behielt seine kalten Augen und das abgefeimte Grinsen in seinem am Kinn auseinandergebürsteten Bart. Wenn er sich rasiert und den Schnurrbart bis zu den Augenwinkeln hinaufgebunden haben würde, er hätte Ähnlichkeit mit Diederich bekommen! Er war eine Macht! Um so drohender trat Diederich auf. „Mein Maschinenmeister ist Sozialdemokrat: daß er mir einen Gefallen tun soll, ist lachhaft. Übrigens mache ich, als Reserveoffizier, Sie auf die Folgen Ihrer Äußerung aufmerksam!“
Kienast trat in den Hof hinaus. „Lassen Sie das nur, [pg 205]Herr Doktor“, sagte er kühl. „In Geschäften bin ich nüchtern, das hab’ ich Ihnen schon beim Frühstück gesagt. Jetzt brauch’ ich Ihnen nur noch zu wiederholen, daß wir den Holländer in tadellosem Zustand geliefert haben und an Rücknahme nicht denken.“ – Das werde man sehen, erklärte Diederich. Einen Prozeß hielten Büschli & Cie. wohl für besonders wirksam, zur Einführung ihres neuen Artikels? „Ich werde Ihnen in den Fachblättern noch eine besondere Empfehlung mitgeben!“ Darauf Kienast: auf Erpressungsversuche gehe er nicht ein. Und Diederich: einen satisfaktionsunfähigen Knoten werfe man einfach hinaus. – Da erschien drüben im Haustor Magda.
Sie hatte ihr Pelzjackett von Weihnacht an, und sie lächelte rosig. „Die Herren sind noch immer nicht fertig?“ fragte sie schalkhaft. „Das Wetter ist doch so schön, man muß ein bißchen hinaus vor dem Mittagessen. A propos“, sagte sie geläufig. „Mama läßt fragen, ob Herr Kienast zum Abendessen kommt.“ Da Kienast erklärte, er müsse leider danken, lächelte sie dringlicher. „Und mir würden Sie es auch abschlagen?“ Kienast lachte bitter. „Ich würde nicht nein sagen, Fräulein. Aber weiß ich denn, ob Ihr Herr Bruder –?“ Diederich schnaufte, Magda sah ihn flehend an. „Herr Kienast“, brachte er hervor. „Es wird mich freuen. Vielleicht, daß wir uns auch noch verständigen.“ Er hoffe es, sagte Kienast, worauf er sich weltmännisch erbot, das Fräulein ein Stück zu begleiten. „Wenn mein Bruder nichts dagegen hat“, sagte sie züchtig und ironisch. Diederich erlaubte auch dies noch; – und dann sah er ihr erstaunt nach, wie sie mit dem Prokuristen von Büschli & Cie. abzog. Was die auf einmal alles konnte!
Wie er zum Mittagessen kam, hörte er drinnen im Wohnzimmer die Schwestern mit scharfen Stimmen sprechen. [pg 206]Emmi warf Magda vor, sie benehme sich schamlos. „So macht man es denn doch nicht.“ – „Nein!“ rief Magda. „Ich werde dich um Erlaubnis bitten.“ – „Das würde gar nichts schaden. Überhaupt bin ich an der Reihe!“ – „Hast du sonst noch Sorgen?“ – Und Magda schlug ein Hohngelächter an. Da Diederich eintrat, verstummte sie sofort. Diederich rollte unzufrieden die Augen; aber Frau Heßling hätte nicht nötig gehabt, hinter ihren Töchtern die Hände zu ringen: in den Weiberstreit einzugreifen, war unter seiner Würde.
Beim Essen ward von dem Gast gesprochen. Frau Heßling rühmte den soliden Eindruck, den er mache. Emmi erklärte: wenn so ein Kommis nicht einmal solide sein sollte. Mit einer Dame reden könne er überhaupt nicht. Magda behauptete entrüstet das Gegenteil. Und da alle auf Diederichs Entscheidung warteten, entschloß er sich. Komment scheine der Herr freilich nicht viel zu haben. Akademische Bildung sei eben nicht zu ersetzen. „Aber als tüchtigen Geschäftsmann hab’ ich ihn kennengelernt.“ Emmi hielt sich nicht mehr.
„Wenn Magda den Menschen heiraten will, ich erkläre, daß ich nicht mit euch verkehre. Das Kompott hat er mit dem Messer gegessen!“
„Sie lügt!“ Magda brach in Schluchzen aus. Diederich empfand Mitleid; er herrschte Emmi an:
„Heirate du bitte einen regierenden Herzog, und dann lass’ uns in Ruh’.“
Da legte Emmi Messer und Gabel hin und ging hinaus. Am Abend vor Geschäftsschluß erschien Herr Kienast im Bureau. Er trug einen Gehrock, und sein Wesen war eher gesellschaftlich als geschäftlich. Beide hielten, in stillem Einverständnis, das Gespräch hin, bis der alte Sötbier [pg 207]seine Sachen zusammenpackte. Als er sich, mit einem mißtrauischen Blick, zurückgezogen hatte, sagte Diederich:
„Den Alten habe ich auf den Aussterbeetat gesetzt. Die wichtigeren Sachen mache ich allein.“
„Na, und haben Sie sich die unsere überlegt?“ fragte Kienast.
„Und Sie?“ erwiderte Diederich. Kienast zwinkerte vertraulich.
„Meine Vollmacht reicht eigentlich nicht so weit, aber ich nehme es auf meine Kappe. Geben Sie den Holländer in Gottes Namen zurück. Ein Defekt wird sich doch wohl finden.“
Diederich begriff. Er versprach: „Sie werden ihn finden.“ Kienast sagte sachlich:
„Für unser Entgegenkommen verpflichten Sie sich, alle Ihre Maschinen vorkommendenfalls nur bei uns zu bestellen. Einen Moment!“ bat er, da Diederich auffuhr. „Und außerdem ersetzen Sie unsere Unkosten und meine Reise mit fünfhundert Mark, die wir von Ihrer Anzahlung abziehen.“
„Aber hören Sie mal, das ist Wucher!“ Diederichs Gerechtigkeitssinn empörte sich laut. Auch Kienast erhob schon wieder die Stimme. „Herr Doktor!...“ Diederich faßte sich gewaltsam, er legte dem Prokuristen die Hand auf die Schulter. „Gehen wir jetzt nur hinauf, die Damen warten.“ „Wir hatten uns so weit ganz gut verstanden“, meinte Kienast besänftigt. „Die kleine Differenz wird sich auch noch aufklären“, verhieß Diederich.
Droben roch es festlich. Frau Heßling glänzte mit ihrem schwarzen Atlaskleid. Durch Magdas Spitzenbluse schimmerte mehr hindurch, als sie sonst im Familienkreis zum besten gab. Nur Emmis Anzug und Miene waren grau und alltäglich. Magda wies dem Gast seinen Platz an und [pg 208]ließ sich zu seiner Rechten nieder; und als man eben erst saß und sich noch räusperte, sagte sie schon, mit fieberhaft belebten Augen: „Jetzt sind die Herren aber mit den dummen Geschäften fertig.“ Diederich bestätigte, sie seien glänzend miteinander fertig geworden. Büschli & Cie. seien kulante Leute.
„Bei unserem