sich nicht wieder, wird befruchtet und legt Eier; und dies ist seine ganze Geschichte. Andererseits aber die Gewohnheiten und geistigen Kräfte einer Arbeiterameise zu beschreiben, würde, wie Pierre Huber gezeigt hat, einen ganzen Band füllen. Ich möchte indessen kurz einige wenige Punkte anführen. Ameisen tauschen sicher unter einander Mittheilungen aus und mehrere vereinigen sich zu derselben Arbeit oder zum Spielen. Sie erkennen die Mitglieder ihres Haufens selbst nach monatelanger Abwesenheit wieder und fühlen Sympathie mit einander. Sie errichten große Gebäude, halten sie reinlich, schließen am Abend die Thüren und stellen Wachen aus. Sie bauen Straßen und selbst Tunnels unter Flüssen und temporäre Brücken über dieselben dadurch, daß sie sich an einander hängen. Sie sammeln Nahrung für die ganze Genossenschaft, und wenn ein für das Einbringen zu großer Gegenstand an das Nest gebracht wird, so erweitern sie die Thüre und bauen sie nachher wieder auf. Sie legen Vorräthe von Samenkörnern an, deren Keimung sie verhindern, und welche sie, wenn sie feucht wurden, zum Trocknen an die Luft bringen. Sie halten sich Blattläuse und andere Insecten als Milchkühe. Sie ziehen in regelmäßigen Reihen zum Kampfe aus und opfern ohne Besinnen ihr Leben für das allgemeine Wohl. Sie wandern nach einem vorher gefaßten Plane aus. Sie fangen sich Sclaven. Sie bewegen die Eier ihrer Aphiden ebenso wie ihre eigenen Eier und Cocons nach den wärmeren Theilen des Nests, damit sie schneller zum Auskriechen gelangen; und es ließen sich noch endlose ähnliche Thatsachen anführen.323 Im Ganzen ist der Unterschied in den geistigen Kräften zwischen einer Ameise und einem Coccus ganz ungeheuer, und doch hat sich Niemand auch nur im Traume einfallen lassen, beide in verschiedene Classen und noch viel weniger in verschiedene Reiche zu stellen. Ohne Zweifel wird dieser Abstand von den zwischenliegenden Graden geistiger Kräfte vieler andern Insecten überbrückt, und dies ist beim Menschen und den höheren Affen nicht der Fall. Wir haben aber allen Grund zu glauben, daß die Unterbrechungen der Reihe einfach das Resultat des Umstands sind, daß viele Formen ausgestorben sind.
Professor Owen hat die Säugethierreihe mit besonderer Berücksichtigung der Bildung ihres Gehirns in vier Unterclassen eingetheilt. Eine derselben umfaßt den Menschen, in eine andere stellt er die beiden Abtheilungen der Marsupialien und Monotremen, so daß er den Menschen allen übrigen Säugethieren gegenüber als so verschieden hinstellt wie die beiden letzten Gruppen zusammengenommen. Soviel mir bekannt ist, ist diese Ansicht von keinem Naturforscher angenommen worden, welcher der Bildung eines unabhängigen Urtheils fähig ist, und braucht daher hier nicht weiter betrachtet zu werden.
Wir können wohl einsehen, warum eine Classification, welche auf irgend ein einzelnes Organ oder Merkmal – selbst auf ein Organ von einer so wunderbaren Compliciertheit oder von solcher Bedeutung wie das Gehirn – oder auf hohe Entwicklung der geistigen Fähigkeiten sich gründet, sich fast mit Gewißheit als unbefriedigend herausstellen wird. Der Versuch, nach diesem Principe einzutheilen, ist in der That bei den Hymenopteren unter den Insecten angestellt worden. Wurden aber diese nach ihrer Lebensweise oder ihren Instincten classificiert, so erwies sich die Anordnung als durchaus künstlich.324 Die Classificationen können natürlich auf irgendwelches Merkmal basiert werden, so auf die Größe, die Farbe oder das Element, welches die Thiere bewohnen. Es haben aber die Naturforscher schon seit langer Zeit die tiefe Überzeugung gehabt, daß es ein natürliches System gebe. Wie jetzt allgemein zugegeben wird, muß dieses System soweit wie nur möglich genealogisch in seiner Anordnung sein, – d. h. die verschiedenen Nachkommen einer und derselben Form müssen in einer Gruppe zusammengehalten werden und zwar getrennt von den verschiedenen Nachkommen einer andern Form. Sind aber die Stammformen mit einander verwandt, so werden es auch deren Nachkommen sein, und die beiden Gruppen zusammen werden dann eine gemeinsame größere Gruppe bilden. Die Größe der Verschiedenheit zwischen den verschiedenen Gruppen, – welche den Betrag der Modificationen, denen eine jede derselben unterlegen ist, bezeichnet, – wird durch derartige Ausdrücke wie Gattungen, Familien, Ordnungen und Classen angegeben. Da wir keine Urkunden über die Descedenzreihen besitzen, so können die Stammbäume nur durch Beobachtung der Ähnlichkeitsgrade zwischen den einzelnen zu classificierenden Wesen entdeckt werden. Zu diesem Zwecke sind zahlreiche einzelne Punkte der Übereinstimmung von viel größerer Bedeutung als der Betrag von Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit in einigen wenigen Punkten. Wenn nachgewiesen würde, daß zwei Sprachen einander in einer Menge von Worten und Constructionsweisen glichen, so würden sie ganz allgemein als aus einer gemeinsamen Quelle stammend anerkannt werden, trotzdem sie in einigen wenigen Punkten oder Constructionsweisen bedeutend von einander abweichen. Aber bei organischen Wesen dürfen die Punkte der Übereinstimmung nicht aus Anpassungen an ähnliche Lebensgewohnheiten bestehen. Es können z. B. zwei Thiere ihren ganzen Körperbau zum Leben im Wasser modificiert haben und werden doch trotzdem in keine irgend nähere Verbindung miteinander im natürlichen Systeme gebracht werden. Wir können hieraus erkennen, woher es kommt, daß Übereinstimmungen in unbedeutenden Bildungen, in nutzlosen und in rudimentären Organen und in Theilen, welche jetzt nicht functionell thätig sind oder sich in einem embryonalen Zustande befinden, für die Classification bei Weitem die zweckdienlichsten sind; denn sie können kaum Folgen von Anpassungen sein, die in einer späteren Zeit etwa eingetreten wären. Sie offenbaren uns daher die alten Descendenzlinien oder die eigentliche Verwandtschaft.
Wir können ferner einsehen, warum ein großer Betrag von Modification an einem und demselben Merkmale uns nicht veranlassen darf, zwei Organismen deshalb weit von einander zu trennen. Ein Theil, welcher bereits von demselben Theile bei anderen verwandten Formen sehr verschieden ist, hat nach der Entwicklungstheorie bereits bedeutend variiert; und solange der Organismus denselben anregenden Bedingungen ausgesetzt ist, würde folglich jener Theil auch noch weiteren Abweichungen derselben Art unterliegen, und diese würden, wenn sie wohlthätig sind, erhalten und dadurch beständig vergrößert werden. In vielen Fällen, wie z. B. bei dem Schnabel eines Vogels oder bei dem Zahne eines Säugethieres, würde die beständige Weiterentwicklung dieses einen Theiles für die Species von keinem Vortheil zur Erlangung ihrer Nahrung oder zu irgend einem anderen Zwecke sein; beim Menschen indessen können wir keine bestimmte Grenze für die fortgesetzte Entwicklung des Gehirns und der geistigen Fähigkeiten sehen, soweit ein Vortheil für die Art dabei in Rede kommt. Bei der Bestimmung der Stellung des Menschen in dem natürlichen oder genealogischen Systeme darf daher die extreme Entwicklung des Gehirns nicht schwerer wiegen als eine Menge von Übereinstimmungen in anderen weniger bedeutungsvollen oder völlig bedeutungslosen Punkten.
Die größere Zahl der Naturforscher, welche die ganze Structur des Menschen mit Einschluß seiner geistigen Fähigkeiten in Betracht gezogen haben, ist Blumenbach und Cuvier gefolgt und hat den Menschen in eine besondere Ordnung unter dem Titel der Zweihänder gebracht und daher auf gleiche Classificationsstufe mit den Ordnungen der Vierhänder, Fleischfresser u. s. w. Neuerdings sind viele unserer besten Naturforscher zu der zuerst von Linné, der so merkwürdig wegen seines Scharfsinns war, ausgesprochenen Ansicht zurückgekehrt und haben den Menschen in eine und dieselbe Ordnung mit den Quadrumanen unter dem Titel der Primaten gebracht. Die Richtigkeit dieser Folgerung wird zugegeben werden, wenn man an erster Stelle die soeben gemachten Bemerkungen über die vergleichsweise geringe Bedeutung der großen Entwicklung des Gehirns beim Menschen für seine Classification im Auge behält und wenn man sich ferner daran erinnert, daß die scharf ausgesprochenen Verschiedenheiten zwischen den Schädeln des Menschen und der Quadrumanen, welche neuerdings von Bischoff, Aeby und Anderen hervorgehoben worden sind, offenbar Folge ihrer verschieden entwickelten Gehirne sind. An zweiter Stelle müssen wir uns aber erinnern, daß fast alle die anderen und bedeutungsvolleren Verschiedenheiten zwischen dem Menschen und den Quadrumanen offenbar ihrer Natur nach adaptiv sind und sich hauptsächlich auf die aufrechte Stellung des Menschen beziehen. Dahin gehört die Bildung seiner Hände, seines Fußes und Beckens, die Krümmung seines Rückgrats und die Stellung seines Kopfes. Die Familie der Robben bietet eine gute Erläuterung für die geringe Bedeutung adaptiver Charaktere in Bezug auf die Classification dar. Diese Thiere weichen von allen anderen Fleischfressern in der Form ihres Körpers und in der Bildung ihrer Gliedmaßen viel mehr ab, als der Mensch von den höheren Affen abweicht; und doch werden in den meisten Systemen, von dem Cuvier's bis zu dem neuesten von Mr. Flower,325