Гарриет Бичер-Стоу

Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert)


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will ihn frei machen und ihm helfen und du darfst mich nicht verraten, gelt, das versprichst du mir, Tom!«

      Seine Augen blitzten auf:

      »Ich – dich verraten? Helfen will ich dir!«

      Mir fielen die Arme am Leib nieder, als hätte ich einen Schuß bekommen. Das war das Erstaunlichste, was ich je in meinem Leben gehört hatte, und, so leid es mir thut, ich muß sagen, Tom Sawyer sank dadurch ziemlich in meiner Achtung. Ich traute meinen Ohren kaum – Tom Sawyer, der Sohn ehrbarer Leute, ein Nigger-Dieb! Das war mehr, als ich fassen konnte!

      »Unsinn,« ruf' ich, »du willst mir 'was weiß machen!«

      »Nein, ganz im vollen Ernst, Huck, ich mach' dir nichts vor!«

      »Na, gut,« sag' ich, »vormachen oder nicht vormachen, auf jeden Fall vergiß nicht, wenn du dort von einem durchgebrannten Nigger hören solltest, daß wir beide, weder du noch ich, etwas davon wissen!«

      Das war denn abgemacht und nun nahmen wir den Koffer, stellten ihn in meinen Wagen, er fuhr seinen, ich meinen Weg und so oft ich mich umdrehte, sah ich Toms verwundertes, noch halb und halb ungläubiges Gesicht mir nachstarren. Natürlich vergaß ich darüber ganz, daß ich langsam fahren sollte, um nicht zu früh wieder einzutreffen, fuhr in Gedanken immer drauf los und kam selbstverständlich etwa in der Hälfte der Zeit zurück, die ich hätte brauchen müssen für die Länge der Fahrt. Der alte Mann stand am Thor und rief mir entgegen:

      »Nein, das ist wunderbar! Wer hätte je gedacht, daß die alte Mähre das leisten könne. Die hab' ich tüchtig unterschätzt. Was? die geb' ich nun nicht für hundert Dollars her und vorher hab ich fünfzehn verlangt und gedacht, damit sei sie bis in die alte Haut hinein bezahlt. Sieh, sieh, wer hätte das gedacht! Und dabei ist ihr kein Haar naß geworden – nein, es ist wunderbar!«

      Und dabei half er mir kopfschüttelnd beim Ausschirren, es war die beste und argloseste Seele von der Welt! Das wunderte mich aber gar nicht, denn er war nicht nur Farmer, sondern auch Prediger. Er hatte seine kleine hölzerne Kirche, die zugleich Schulhaus war und an der Grenze der Plantage lag, selber und auf eigene Kosten errichtet; und auch für seine Predigten rechnete er nie nichts an. Da drunten im Süden giebt's viele Prediger-Farmer oder Farmer-Prediger der Art.

      Nach ungefähr einer Stunde kam Toms Wagen in Sicht und Tante Sally entdeckte ihn zuerst vom Fenster aus, als er etwa noch fünfzig Meter weit entfernt war.

      »Ach, da kommt ja jemand! Wer das wohl sein mag? Ach Herrje, das ist ein Fremder! Jimmy,« (das war eins von den Kindern) »lauf mal schnell und sag' der Liese, daß sie noch einen Teller mehr auf den Tisch stellt!«

      Alles stürzte nun der Thüre zu, denn ein Fremder zeigt sich hier nicht alle Jahre, und wenn 'mal einer kommt, interessiert man sich für ihn sogar noch mehr, als für das gelbe Fieber! Tom war inzwischen vom Wagen gesprungen und befand sich schon halbwegs der Thüre zu, während der Wagen wieder der Stadt entgegenrasselte. Wir drückten uns in der Thüröffnung zusammen wie eine Herde Schafe und eins suchte immer das andre zu verdrängen. Tom hatte seine besten Kleider an und ein Auditorium vor sich und da fühlte er sich allemal ganz mächtig. Auch jetzt betrug er sich mit der ganzen großen Würde, über die er verfügte. Er schlich sich nicht linkisch und verschämt heran, nein, stolz und aufrecht schritt er einher, wie ein Calcutta-Hahn. Bei uns angelangt, lüftet er anmutig und zierlich seinen Hut, als wäre es der Deckel einer Schachtel, in der ein seltener Schmetterling säße, und fragt:

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      »Herrn Archibald Nichols habe ich wohl die Ehre vor mir zu sehen?«

      »Nein, mein Junge,« erwidert der alte Herr, »der bin ich nicht, das thut mir leid. Der Kutscher muß sich wohl geirrt haben, Nichols Farm ist noch etwa drei Meilen weiter. Aber nur herein, nur herein!«

      Tom blickte über die Schulter zurück nach dem Wagen, der eben um die nächste Ecke verschwand, und sagt:

      »Das ist nun zu spät – den hol' ich nicht mehr ein!«

      »Ja, der ist fort, mein Sohn, und du mußt nun eben bei uns vorlieb nehmen. Nach dem Essen spann' ich dann an und fahr' dich zu Nichols hinüber.«

      »Ach, das kann ich aber doch kaum annehmen, mein Herr, ich kann Ihnen unmöglich die Mühe machen. Könnte ich denn nicht gehen? Ich bin gut zu Fuß und drei Meilen sind keine so entsetzliche Entfernung!«

      »Wir aber lassen dich nicht gehen! Das wäre mir eine schöne Gastfreundschaft. Wir im Süden halten da was drauf! Nur immer zu, immer herein!«

      »O, bitte,« sagte nun auch Tante Sally, »es ist uns gar keine Mühe, nur Freude. Du mußt bleiben! Wir können dich den langen, staubigen Weg nicht machen lassen. Als ich den Wagen kommen sah, habe ich gleich in der Küche gesagt, daß man einen Teller mehr hinstellt, es ist also alles in Ordnung. Bitte also hereinzukommen und sich's bequem zu machen!«

      »Tom ließ sich erbitten, dankte den guten Leuten sehr höflich und schön und trat ein. Als er im Zimmer war, sagte er mit einer Verbeugung, er komme von Hicksville in Ohio, sein Name sei William Thompson und er dienerte nochmals.«

      Man setzte sich zusammen und er erzählte und erzählte über Hicksville, über die Leute dort, über sich, seine Reise; der Mund stand ihm keinen Augenblick still und der Stoff schien ihm nur so zuzuströmen. Denk' ich bei mir, das ist all' recht gut und schön, wie es mir aber aus der Patsche helfen soll, begreif' ich doch nicht recht. Da plötzlich, mitten im Reden, beugt er sich vor und küßt Tante Sally, neben der er saß, herzhaft, so recht saftig auf den Mund, lehnt sich dann behaglich in seinen Stuhl zurück, als ob nichts geschehen und schwatzt immerzu. Entrüstet springt die gute Frau auf, wischt sich mit dem Rücken der Hand ein paarmal kräftig über den Mund und fährt Tom an:

      »Er unverschämter, junger Flegel!«

      Der sieht beleidigt aus und sagt nur:

      »Ich bin wahrhaftig ganz erstaunt liebe Frau!«

      »Du – erstaunt? Da hört denn doch alles auf! Ei, was soll man dazu sagen? Ich hätte gute Lust, einen Stock zu nehmen und – doch, wie kommst du dazu, mich zu küssen? Heraus damit – ich will's wissen! Was hast du dir dabei gedacht?«

      Ganz demütig erwidert er:

      »Gedacht? gar nichts! Ich dachte nichts Schlimmes, ich – ich dachte, es wäre Ihnen angenehm!«

      »Na, – jetzt aber! Verrückter Bursche, wart'!« Sie griff nach einem Spazierstock ihres Mannes und es sah beinahe so aus, als wolle der Stock durchaus auf Toms Rücken tanzen und sie könne ihn nur mit Mühe zurückhalten. »Was hat dich denn auf den tollen Gedanken gebracht, es könne mir angenehm sein?«

      »Ich – ich weiß nicht. Man – man hatte mir so gesagt!«

      »Man hatte dir so gesagt? Wer dir das gesagt hat, ist ein zweiter Narr, ein Tollhäusler, ein – ein – wer ist denn dieser ›man?‹«

      »Ach, jedermann! Alle haben das gesagt!«

      Sie konnte kaum mehr an sich halten, ihre Augen sprühten Funken und ihre Finger krümmten sich, als wolle sie ihm die Augen auskratzen. Ganz heiser stößt sie heraus:

      »Wer sind ›alle‹? Heraus mit dem Namen, oder ich werde noch verrückt!«

      Tom sprang auf und schien sehr bekümmert. Weinerlich stottert er:

      »Das thut mir leid, aber das hätt' ich nicht erwartet! Sie haben mir's aufgetragen, alle! Alle sagten: gieb ihr einen herzhaften Kuß, das wird sie freuen, wird ihr angenehm sein. Alle sagten das – jeder einzelne! Aber jetzt thut mir's leid, gute Frau, daß ich's gethan, gewiß und wahrhaftig und ich will's nie – nie wieder thun!«

      »Nie wieder thun? – Nun, das will ich wohl meinen!«

      »Nein, gewiß und wahrhaftig, nie wieder – bis ich drum gebeten werde! bis Ihr mich drum bittet!«

      »Bis ich dich drum bitte? – Hat man je so etwas gehört? Junger Mensch, ich sag' dir, du kannst so alt werden