Гарриет Бичер-Стоу

Die 15 beliebtesten Kinderbücher in einem Band (Illustriert)


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sprang heraus und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Als ich ihn beim Blitze erblickte, stand mir fast das Herz still, und ich fiel rücklings ins Wasser. Ich hatte ganz vergessen, daß er König Lear und ein ertrunkener Araber, alles in einem, war: er hatte mich fast zu Tode erschreckt. Jim fischte mich wieder aus dem Wasser und wollte mich umarmen und herzen und so weiter – er war so froh, mich wiederzusehen, ohne König und Herzog, aber ich rief:

      »Nicht jetzt – später, später, warte bis zum Frühstück, jetzt nur rasch fort!« Im Augenblick waren wir auch los und trieben den Fluß hinab. Ach, es that so wohl, wieder frei zusammen auf dem großen Strome zu sein ohne widerwärtige Gesellschaft. Vor Freude sprang ich einigemale empor und schlug meine Haken zusammen; ich konnte nicht anders; aber da hörte ich einen Laut, den ich wohl kannte, hielt den Atem an, horchte und wartete – und wahrhaftig, als der nächste Blitzstrahl übers Wasser zuckte, da kamen sie! – ruderten drauf los wie toll, daß der Kahn nur so dahinsauste! Es waren König und Herzog. Ich hätte versinken mögen und konnte kaum das Weinen zurückhalten.

      Sie kamen aufs Floß. Der König sprang auf mich zu, packte mich am Kragen und rief:

      »Wolltest uns entwischen, du Racker! Bist unser müde he?«

      Ich sagte:

      »Nein, Majestät, sicher nicht, lassen Sie mich los!«

      »Schnell 'raus damit, was hattest du vor, sprich, oder ich zermalme dich!«

      »Ich will Ihnen ja alles ehrlich erzählen, Majestät, grad wie es kam. Der Mann, der mich hielt, war recht freundlich und sagte, er hätte einen Sohn in meinem Alter letztes Jahr verloren; es thäte ihm leid, einen Knaben in solcher Gefahr zu sehen: und als sie alle erstaunt waren, das Gold zu finden, und auf den Sarg zusprangen, ließ er mich los und flüsterte: ›Jetzt lauf was du kannst oder du wirst sicher gehängt!‹ und ich lief. Warum hätte ich bleiben sollen, da ich doch nichts nützen konnte, und wozu sollte ich mich hängen lassen, wenn ich entwischen konnte? So lief ich, bis ich das Kanoe fand, und als ich hier ankam, mahnte ich Jim zur Eile, sonst würden sie mich fangen und doch hängen. Ich sagte ihm auch, ich fürchte, daß Sie beide nicht mehr am Leben wären und wie leid mir das thäte; Jim that's auch leid, und wir freuten uns so, als wir Sie ankommen sahen. Fragen sie nur Jim selbst, ob's nicht wahr ist.«

      Jim bestätigte alles; doch der König gebot ihm zu schweigen und sagte: »Nun, das klingt freilich höchst wahrscheinlich.« Dann schüttelte er mich wieder und sagte, er würde mich ins Wasser werfen und ersäufen lassen. Da rief der Herzog:

      »Laß den Jungen los, du alter Esel! Hättest du es anders gemacht? Hast du nach ihm gefragt, als du ausgerissen bist? Meines Wissens – nicht!«

      Da ließ mich der König los und begann auf die Stadt und alle ihre Bewohner zu fluchen, aber der Herzog rief:

      »Du thätest gescheiter, auf dich selbst zu fluchen, du hast das beste Anrecht darauf. Du hast von Anfang an nichts Gescheites gethan, außer daß du kühn und frech mit dem erdichteten blauen Pfeil herauskamst. Das war ein glanzvoller Gedanke und das Einzige, was uns rettete. Sonst hätten sie uns eingesperrt, bis das Gepäck der Engländer kam, und dann: Zuchthaus. Aber der Streich hetzte das Volk zum Kirchhof, und dann half uns das Gold erst recht. Denn wenn die aufgeregten Narren uns da nicht losgelassen hätten, um das Gold zu sehen, hätten wir die Nacht in Halsbändern geschlafen, die uns länger gehalten hätten, als es von Nutzen gewesen wäre.«

      Sie schwiegen eine Minute, dann sprach der König, wie in Gedanken:

      »Hm! und wir dachten, die Neger hätten es gestohlen.«

      Da wurde mir ängstlich zu Mute.

      »Ja,« sagte der Herzog langsam und sarkastisch. »Wir dachten's.« Eine halbe Minute später grölte der König:

      »Wenigstens – ich dachte es.«

      Da entgegnete der Herzog im selben Tone:

      »Im Gegenteil – ich dachte es.«

      Da rief der König ärgerlich:

      »Hör 'mal, Sommerfett, was willst du damit sagen?«

      Der Herzog entgegnete rasch:

      »Wenn's erlaubt ist, so möchte ich mir die Frage erlauben, was du damit meinst.«

      »Hm,« rief der König sarkastisch, »wer weiß – du thatst es vielleicht im Schlafe und wußtest es selbst nicht.«

      Da sagte der Herzog auffahrend:

      »Kerl laß den Unsinn, hältst du mich für einen Narren? Bildest du dir ein, ich wüßte nicht, wer das Geld in den Sarg gelegt hat?«

      »Natürlich weiß ich, daß du es weißt, denn wer sollte es gethan haben als du selber?«

      »Du lügst,« schrie der Herzog und packte ihn. Da rief der König:

      »Laß mich los! laß meine Kehle los! – Ich nehme alles zurück.«

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      Der Herzog schrie:

      »Erst gestehe, daß du das Geld dort verstecktest in der Absicht, mich los zu werden, es später auszugraben und alles selbst zu behalten.«

      »Warte einen Augenblick, Herzog, und beantworte diese eine Frage ehrlich, ob du das Geld nicht hinthatest, und ich will dir glauben und alles zurücknehmen, was ich gesagt.«

      »Du alter Schurke, ich that's nicht, und du weißt es wohl!«

      »Nun denn, ich glaube dir. Aber beantworte mir noch dies eine – werd' nicht böse: hattest du nicht im Sinne, das Geld zu entwenden und zu verstecken?«

      Der Herzog schwieg einen Augenblick, dann sagte er:

      »Was ich im Sinne hatte, gilt hier gleich. Ich hab's nicht gethan. Aber du hattest es nicht nur im Sinn, sondern thatst es auch.«

      »So wahr ich lebe, Herzog, ich that es nicht – wahrhaftig. Ich will nicht leugnen, daß ich es beabsichtigte, aber gethan hab' ich's nicht, denn du – ich meine irgend jemand kam mir damit zuvor.«

      »Du lügst, du thatest es und mußt es gestehen, oder –«

      Der König begann zu gurgeln und rief dann halb erstickt:

      »Genug, – ich gestehe!«

      »Ich war froh, es ihn sagen zu hören; ich fühlte mich um ein gut Teil leichter. Der Herzog ließ ihn los und rief:

      Wenn du es je wieder leugnest, ersäuf' ich dich. Ja, sitz' nur hin und plärre wie ein Kind, das paßt ganz zu einem Kerl, der so handelt wie du. Nie habe ich einen solch alten Gauner gesehen, wenn's darauf ankommt, alles zu verschlingen, während ich mich auf dich verließ, als sei'st du mein eigener Vater. Du solltest dich schämen, dabei zu stehen und es auf die armen Neger kommen zu lassen, ohne ein Wort zu ihren Gunsten zu sagen. Es ärgert mich noch, daß ich so dumm war, es zu glauben. Verdammt, jetzt verstehe ich, warum du das Defizit gut machen wolltest – du wolltest das Geld, das beim ›Non plus ultra‹ verdient war, und alles andere auch mit einstecken.«

      Der König sagte ängstlich und halb röchelnd:

      »Nein, Herzog, du wolltest ja das Defizit decken, nicht ich.«

      »Ruhe! Ich will davon nichts mehr hören,« rief der Herzog. »Und nun siehst du die Folgen. Sie haben all ihr eigen Geld zurück und all unseres dazu bis auf einige Silberstücke. Mach', daß du zu Bette kommst, und schaffe mir keine Defizits mehr, so lange du lebst.«

      Der König kroch unters Zelt und suchte Trost bei seiner Flasche; bald that der Herzog ein gleiches; und in einer halben Stunde waren sie wieder die dicksten Freunde, und je trunkener sie wurden, desto mehr liebkosten sie sich, und bald schnarchten sie in gegenseitiger Umarmung. Sie waren riesig angeheitert gewesen, aber wie ich bemerkte, hatte sich der König wohl gehütet, darauf zurückzukommen, daß er das Gold nicht versteckt habe. Das war für mich eine wahre Erleichterung. Natürlich, als die beiden schnarchten, erzählte ich Jim alles.

      Wir