wenn's bloß schlimm wäre. Sie wachten bei ihr die ganze Nacht, sagte Fräulein Mary Jane, und fürchten, daß sie nicht mehr viel Stunden leben wird.«
»Wer hätte das gedacht! Was fehlt ihr denn?«
Mir fiel im Augenblick nichts Vernünftiges ein, so sagte ich denn:
»Mumms.«
»Mumms? du Schlafmütze! Man wacht nicht bei Leuten die Mumms haben.«
»So, meinen Sie?« – »na, Sie können darauf wetten, daß man bei diesem Mumms wacht. Dies ist nämlich ein ganz anderer Mumms. Es sei eine neue Gattung Mumms, sagte Fräulein Mary Jane.«
»Wieso?«
»Weil noch andere Übeln dabei sind.«
»Was für andere?«
»Ach, Masern und Keuchhusten und Rose und Schwindsucht und Gelbsucht und Gehirnfieber, und ich weiß nicht, was noch mehr.«
»Herrje! Und das heißen sie ›Mumms‹?«
»Fräulein Mary Jane sagte so!«
»Aber um alles in der Welt, warum nennen sie das Mumms?«
»Warum? weil's Mumms ist. Damit fängt's an.«
»Liegt darin auch Sinn und Verstand? Angenommen, es verstaucht einer seinen Zehen und fällt nachher von einem Haus herab, bricht den Hals und die Hirnschale und es fragte jemand, woran er gestorben sei und so ein Tölpel antwortete: ›Nun er hatte sich den Zehen verstaucht‹! – hätte das auch Sinn und Verstand? Nein; und ebensowenig Sinn ist in deinem Mumms! – Ist's wohl ansteckend?«
»Glaube wohl; ich würde der Krankheit nicht trauen.«
»Das ist ja schrecklich,« rief die ›Hasenlippe‹ »das muß ich gleich Onkel Harry sagen und« –
»Ja, das thät' ich auch. Je schneller, desto besser. Ich möchte keine Zeit verlieren.«
»So, warum meinst du?«
»Nur Geduld, es soll Ihnen gleich ein Licht aufgehen. Nicht wahr, Ihre Onkel müssen so bald als möglich wieder in England sein? Sie trauen ihren Onkel doch nicht zu, daß sie selber jetzt abreisen und Ihnen und Ihren Schwestern zumuten, später nachzukommen und die lange Seereise allein zu machen? Nein, sie wissen wohl, daß sie warten werden, bis sie zusammenreisen können. Also gut! Ihr Onkel Harry ist Prediger, nicht wahr? Wird ein Prediger einen Dampfbootbeamten täuschen, nicht bloß hier, sondern auch in New-York oder sonst – damit Fräulein Mary Jane an Bord gelassen wird? Trauen Sie ihrem Onkel zu, daß er das Leben der anderen Passagiere in Gefahr brächte? Sie wissen recht gut, daß er das nicht thäte. Also was wird er thun? Nun, er wird sagen: ›Das ist zwar recht fatal, aber meine Kirche muß sich eben behelfen, so gut sie kann, denn meine Nichte war diesem ansteckenden, fürchterlichen, neuen Mumms ausgesetzt, und da ist es meine Pflicht und Schuldigkeit, zu bleiben und ein paar Monate zu warten, um zu wissen, ob sie angesteckt ist.‹ – Nun, ich will nichts gesagt haben, und wenn Sie meinen, es sei besser, dem Onkel Harry zu sagen –«
»Was, ein paar Monate hier herumliegen, während wir uns in England gut amüsieren könnten, bloß um zu wissen, ob Mary Jane angesteckt ist oder nicht? Du bist wohl nicht gescheit.«
»Was meinen Sie, sollen wir's einigen Nachbarn sagen?«
»Nun hör' doch einer – deine Dummheit geht über alles. Weißt du denn nicht, daß sie es sogleich ausposaunen würden? Das beste ist, es gar niemand zu sagen.«
»Mag sein, daß Sie recht haben – ja, ich glaube, Sie haben recht.«
»Aber, Onkel Harry sollten wir sagen, daß sie auf eine Weile ausgegangen ist, damit er sich nicht ihretwegen ängstigt.«
»Ja, Fräulein Mary Jane wünschte auch, Sie möchten das bestellen. Sie sagte: bringe den Onkeln Harry und William von mir Gruß und Kuß und sage ihnen, ich sei nur geschwind zu einem kleinen Besuch über'n Fluß gegangen zu Herrn – Herrn – was ist der Name der reichen Familie, auf die Ihr Onkel Peter so viel hielt? – Ich meine die, welche –«
»Ach, du meinst wohl die Apthorps, nicht wahr?«
»J, natürlich. Der Kuckuck soll diese Namen holen, die man gar nicht behalten kann. Ja, sie sagte, ich solle melden, sie sei nur hinüber, um die Apthorps zu bitten, sicher zur Auktion zu kommen und das Haus zu kaufen, denn sie glaube, Onkel Peter hätte es am liebsten gesehen, daß sie es bekämen statt jemand anders. Und sie will ihnen so lang zusetzen, bis sie versprechen, zu kommen, und wenn sie nicht zu müde ist, will sie heute Abend noch heimkommen, andernfalls würde sie bestimmt morgen früh zurück sein. Sie wünschte, daß man nichts von den proktors sagen solle, sondern nur von den Apthorps – was auch ganz wahr ist, denn sie wird wegen des Hauses mit ihnen sprechen; ich weiß es, denn sie hat es mir selbst gesagt.«
»Schon gut,« riefen sie und gingen fort, um den Onkeln Gruß, Küsse und die Nachricht zu bringen.
So weit war alles gut. Die Mädchen, dachte ich, werden reinen Mund halten, denn sie wollen nach England gehen; und dem König und Herzog muß es lieber sein, wenn Mary Jane fort ist und für die Auktion arbeitet, als sich noch im Bereiche des Dr. Robinson befindet. Ich war mit mir zufrieden und schmeichelte mir, die Sache ziemlich nett gedeichselt zu haben, – und daß Tom Sawyer selbst es nicht viel besser gekonnt hätte.
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Zweiundzwanzigstes Kapitel
Welche sind die Rechten? – Handschriften. – probe. – Tättowieren. – Die Leiche wird ausgegraben. – Fort! – Befreiung vom königlichen Joche. – Jim wird verschachert.
Die Auktion fand spät am Nachmittag statt und zog sich lange hin. Der Alte stand neben dem Auktionator, machte ein Armsündergesicht, warf hier und da einen Bibelvers dazwischen oder auch dann und wann ein Schmeichelwort; und der Herzog »gu – gu – te« herum, um Teilnahme zu erregen.
Endlich ging's zu Ende und war alles verkauft – alles außer einem kleinen Begräbnisplatz auf dem Kirchhof, der auch noch verkauft werden mußte. Während noch darauf gesteigert wurde, landete ein Dampfboot, und in etwa zwei Minuten kam eine Menschenmenge mit »Hallo« und »Hurra«, lachend und viele riefen: ›Hurra, da sind neue Erben vom alten Wilks! Sie leben hoch!‹
Sie brachten einen fein aussehenden alten Herrn und einen netten jungen Mann, der den rechten Arm in einer Schlinge trug.
Das Volk umgab sie jubelnd und lachend. Mir war's aber gar nicht lächerlich, und ich dachte, nun würde dem König und dem Herzog der Spaß vergehen. Doch weit gefehlt. Der Herzog ließ sich nicht das Mindeste anmerken, sondern »gu – gu – te« drauf los, wie ein Krug mit engem Halse, aus dem man Buttermilch gießt. Der König aber blickte mitleidig auf die Neuankömmlinge herab, als bereite ihm der Gedanke, daß es solche Schurken und Betrüger auf der Welt geben könne, Magenschmerzen bis ins Herz hinein. O, er machte das bewundernswert. Eine Menge Leute umringten den König, um ihm zu zeigen, daß sie auf seiner Seite seien. Der eben angekommene alte Herr schaute drein, als wäre er ganz verdutzt. Bald jedoch fing er zu reden an, und ich konnte gleich hören, daß er wie ein Engländer sprach; nicht wie der König, obwohl dieser es ganz gut nachmachte. Des alten Herrn Worte kann ich nicht geben, wie er sie gab, aber er sagte etwa folgendes:
»Dies ist eine Überraschung, der ich nicht entgegensah; und ich muß es leider frei gestehen: ich bin schlecht vorbereitet, ihr zu begegnen, denn mein Bruder und ich haben Unglück gehabt; er hat den Arm gebrochen, und unser Gepäck wurde durch einen Irrtum letzte Nacht in einem Städtchen weiter oberhalb ans Land gesetzt. Ich bin Peter Wilks Bruder Harry, und dies ist sein Bruder William, der weder hören